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(picture alliance) Papolatrie und Papst-Merchandising

Contra: Magische Überschätzung - Aber den Papst liebe ich nicht

Wenn der Papst einen Furz tut, blickt alle Welt nach Rom. Über das Amt des Papstes, das man achten, aber nicht lieben muss und über die magische Überschätzung des Papsttums.

Ich liebe die heilige Katharina von Siena. „Io sono pazza d’amore“, hat sie gesagt. „Ich bin vor Liebe toll.“ Ich liebe den heiligen Filippo Neri und würde gern, zerlumpt und betrunken, mit ihm noch einmal, Arm in Arm, durchs Rom der Renaissance taumeln. Ich liebe die heilige Theresa von Ávila; sie hat es als Gnade gepriesen, „wenn Gott einer Frau den Ehemann erspart“. Ich liebe den heiligen Thomas von Aquin und die klassische Theologie. Ich liebe die heilige Clara und würde am liebsten, wie Franziskus, in ihrem Garten in San Damiano den Sonnengesang singen. Über alles liebe ich die alte, die tridentinische, von dem gottverdammten Pack der Religionspädagogen geschundene und geschändete katholische Liturgie. So vieles liebe ich an der katholischen Kirche.

Aber den Papst liebe ich nicht.

Wie das schon klingt, das Wort „Papst“! Nur „the pope“ klingt noch hohler, „le pape“ noch pappiger. Religion ist eine Sache der Sinne. Es ist kein Klang im Wort „Papst“. Stets habe ich, wenn ich dieses Wort hörte, ein leises Zucken der Peinlichkeit verspürt. Woher kommt das?

Nichts gegen das Amt. Wie meine anglikanische Großmutter immer sagte: „Ein bisschen Ordnung muss schon sein – sogar in der katholischen Kirche.“ Für Ordnung sorgen, die bösen Buben an den Ohren ziehen, das ist das Amt des Papstes. Es ist kein schlechtes Amt. „Ordnung“, sagt Thomas von Aquin, „ist das Amt des Weisen.“ Wie absonderlich es historisch entstanden sein mag, heute, mitten in der katholischen Kirche, hat das Amt des Papstes seinen Sinn.

Ein rechter Mensch achtet das Amt – aber er liebt es nicht. Schon gar nicht gerät er vor dem Amtsträger in Ekstase. „Tach, Herr Frings“, sagte Konrad Adenauer, wenn er dem Kölner Erzbischof begegnete. „Tach, Herr Adenauer“, antwortete dem Kanzler, ebenso trocken, der Kardinal. So gingen sie, denkbar unekstatisch, aneinander vorbei.

Antonius von Ägypten war der größte Heilige der christlichen Antike. Kein zeitgenössisches Zeugnis über ihn, kein Apophthegma, kein Wort von ihm selber, das ich nicht gelesen hätte. Kein Ort seines Wirkens, wo ich nicht, quer durch Ägyptens Wüsten, hingepilgert wäre. Und zum Schluss erst ist mir etwas aufgefallen. Nirgendwo bei und um Antonius kommt das Wort „Papst“ vor. Es ist derart abwesend, dass ich allen Ernstes vermute: Diesem größten Heiligen der christlichen Antike war es schlicht und einfach gleich, dass es, damals schon, in Rom durchaus einen Papst gab.

Die große Theresa von Ávila hat viel zu viel geschrieben. Trotzdem habe ich alles gelesen. Weil diese größte Heilige Spaniens so herrlich frech war, dass man meinen könnte, in ihr habe Papst Gregor  XV die weibliche Frechheit heiliggesprochen. Und ganz zum Schluss erst ist mir etwas aufgefallen. Wo redet sie überhaupt vom Papst? Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber ich glaube: nirgendwo. Nicht dass sie sich gegen das römische Amt aufgelehnt hätte, weiß Gott nicht. Aber hundert katholische Dinge lagen dem Glaubenssinn der großen Spanierin näher als der Papst. Mir auch.

Lange Jahre war ich Reporter beim Stern. Jedes Mal, wenn etwas los war mit dem Papst, gerieten meine Hamburger Kollegen – Atheisten oder Agnostiker allesamt – aus dem Häuschen. Was immer ich ihnen sonst Katholisches auftischen mochte, es langweilte sie nur. Aber wenn der Papst in Rom einen Furz tat, war das in Hamburg ein Scoop. Ist Papolatrie, ist die magische Überschätzung des Papsttums vielleicht eine lutheranische Zwangsvorstellung, die im herrschenden deutschen Antiklerikalismus späte Urständ feiert? Ich meine ja. Als Papst Benedikt jüngst etwas Moralisches über Kondome im Enddarm von Strichjungen äußerte, fand ich das in meinem katholischen Empfinden ein bisschen inkompetent und auch ein bisschen unappetitlich. Die deutsche Presse aber, sonst so irreligiös, hielt das für eine religiöse Sensation.

Benedikt selber ist, wie so mancher katholische Intellektuelle seiner Generation, der Typ des ewigen Gymnasiasten. Ich bin es auch. Nichts gegen ihn. Ich bin mir sogar fast sicher, dass er die Papolatrie der Medien ähnlich empfindet wie ich. Flieht er nicht in die Einsamkeit der Schriftstellerei? Habt ihr nie hingeguckt, wie bemüht er lächelt, wenn die jugendlichen Massen auf Weltjugendtagen ekstatisch „Benedetto!“ schreien? Er mag es nicht. Ich auch nicht. Der heilige Paulus hätte es auch nicht gemocht. Gewiss sei auch er einmal ein kleiner Junge gewesen, schreibt der Apostel an die Korinther.

„Als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindisch war.“

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