Gastkommentar von Sr. Anna Mirijam Kaschner zu Maria 2.0

Warum mir unwohl ist…

Eine Woche lang hat die Protestaktion Maria 2.0 das katholische Deutschland in Atem gehalten. Sr. Anna Mirijam Kaschner ist Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz in Kopenhagen. Die Vorgänge in ihrem Heimatland befremden sie.

Mahnwache der Initiative "Maria 2.0" vor dem Dom in Münster / © Andre Zelck (KNA)
Mahnwache der Initiative "Maria 2.0" vor dem Dom in Münster / © Andre Zelck ( KNA )

Ich bin eine Frau, katholisch, Ordensschwester, arbeite als Pastoralassistentin in einer Pfarrei und bin Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz mit Sitz in Dänemark. In diesen Tagen verfolge ich die Maria 2.0-Aktion in deutschen Bistümern und fühle mich unwohl, sehr unwohl.

Nein, ich mache nicht mit beim Kirchenstreik, weil es den bei uns in Dänemark nicht gibt – aber auch wenn ich in Deutschland wäre, würde ich weiterhin zur Messe gehen, die Kirche zum Gebet und Gottesdienst betreten. Denn eine Bestreikung dieser meiner wichtigsten Lebensquelle als Katholikin wäre für mich wie ein geistlicher Hungerstreik, dessen Sinn und Zweck mir nicht klar ist. Streik ist immer ein Druckmittel; wenn ich streike, schade ich damit einem Unternehmen finanziell, um es zum Einlenken auf meine Forderungen zu bewegen. Wem schadet diese Aktion also? Der Kirche? Als Katholikin bin ich doch selbst Teil dieser Kirche, nicht nur deren Mitglied. Der Amtskirche? Dem Pfarrer? Der Gemeinde? Oder weise ich mit diesem Streik nicht zutiefst und zuletzt jenes Liebesangebot Gottes zurück, dass ER uns in jeder Eucharistiefeier macht? Und damit schade ich letztlich mir selbst.   

Weihe ist kein Menschenrecht

Unwohl ist mir auch bei den Forderungen der Aktivistinnen – bzw. bei der Zusammensetzung der Themen. Diese lässt mich fragen: Handelt es sich hier um einen Rundumschlag, bei dem möglichst alle strittigen Themen endlich (wieder) einmal aufs Tapet gebracht werden sollen? Denn was sonst hätte die Forderung nach einer völligen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle (die ich voll und ganz unterstütze) mit dem Priestertum für Frauen und mit der Abschaffung des Zölibats zu tun? Am Weltgebetstag für geistliche Berufe – jenem Sonntag, dessen Gottesdienste von der Aktion Maria 2.0 bestreikt wurden – hat Papst Franziskus im Petersdom 19 junge Männer zu Priestern geweiht. In seiner Predigt wies er darauf hin, dass die Kirche "kein Kulturverein, keine Gewerkschaft" sei. Die Priester müssten, so der Papst wörtlich: "in der Nachfolge Christi das Beispiel des "Guten Hirten" vor Augen haben, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“. Es mutet seltsam an, dass die Forderung nach der Priesterweihe für Frauen von der KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth begründet wird mit dem Satz: "Frauen sind nicht Christen zweiter Klasse, die ausschließlich eine dienende Rolle einnehmen". Es geht aber bei der Weihe nicht um ein Menschenrecht und nicht um ein Machtinstrument. Der Priesterberuf ist eine Berufung, die von Gott kommt. Und diese Berufung ist eine Berufung zum Dienen.

Unwohl ist mir bei den Bildern, die ich sehe. Bildern von Maria und anderen Frauen mit zugeklebtem Mund. Diese Bilder wecken den Eindruck, als seien Frauen in der katholischen Kirche Opfer – Opfer von Unterdrückung, von Schweigegeboten, Opfer von Ungerechtigkeit und mangelnder Meinungsfreiheit. Aber stimmt das denn? Können Frauen nicht genauso wie Männer Dienste und Ämter in der Kirche übernehmen – im Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand, als Pastoral- und Gemeindereferent/innen, Lektorinnen und Gottesdienstleiterinnen? Können Sie hier keine Verantwortung übernehmen und Kirche mitgestalten? Sind Frauen nicht auch Theologieprofessorinnen und lehren an Universitäten und Hochschulen und prägen die Ausbildung der Priesteramtskandidaten? Sitzen nicht auch Psychologinnen in Gremien, die das Screening der Priesteramtskandidaten vor der Weihe durchführen, um deren Eignung zu beurteilen?

Liebe und Loyalität zur Kirche

Natürlich bedarf es in unserer Kirche eine Stärkung der Rolle der Frau - auch in leitenden Ämtern und Diensten. Bisher habe ich der ganzen Welt nur zwei Kolleginnen, die das Amt der Generalsekretärin einer Bischofskonferenz übernommen haben. Daran kann und muss gearbeitet werden. Viele leitende Positionen innerhalb der Kirche – auch innerhalb des Vatikans – können und müssen für kompetente Frauen geöffnet werden. Bei unserem letzten Ad-Limina-Besuch hat mich Papst Franziskus gefragt, welche Voraussetzungen man braucht, um das Amt der Generalsekretärin einer Bischofskonferenz zu übernehmen. Meine Antwort war einfach: nicht die Weihe, aber eine große Liebe und Loyalität zur Kirche.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir Frauen in der Kirche unsere Rolle einnehmen, die sich nicht über das Streben nach dem Priesteramt definiert. Frauen haben ihr eigenes Charisma, mit dem sie über Jahrhunderte hinweg die Kirche geformt, gestaltet und bereichert haben, ein Charisma, das gerade in unserer Zeit dringend gebraucht wird und das vielleicht nur außerhalb des hierarchischen Amtes Frucht bringen kann. Maria Magdalena war nicht im Abendmahlssaal dabei – aber sie ist erste Zeugin der Auferstehung, Apostolin der Apostel. Warum? Vielleicht, weil Jesus wusste, dass in den Frauen eine prophetische Gabe steckt, die durch das hierarchische Amt eingeschränkt würde?


Sr. Anna Mirijam Kaschner cps / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Sr. Anna Mirijam Kaschner cps / © Renardo Schlegelmilch ( DR )
Quelle:
DR
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