Wie ein Roma-Clan einen schwulen Zürcher Priester mit angeblichen Sexbildern erpresste

Zwei Slowaken sollen einen Priester einer Gemeinde im Bezirk Andelfingen erpresst haben. Dahinter steht ein Roma-Clan, der es auf ältere homosexuelle Männer abgesehen hat. Dieser hat den Priester beruflich wie finanziell ruiniert.

Michael von Ledebur
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Gemäss Anklageschrift erpressten zwei Slowaken einen Pfarrer einer Gemeinde im Bezirk Andelfingen mit Bildern, die ihn angeblich beim Sex mit Männern zeigten. Im Bild: Der Gerichtssaal des Bezirksgerichts Andelfingen. (Bild: Dominic Steinmann / NZZ)

Gemäss Anklageschrift erpressten zwei Slowaken einen Pfarrer einer Gemeinde im Bezirk Andelfingen mit Bildern, die ihn angeblich beim Sex mit Männern zeigten. Im Bild: Der Gerichtssaal des Bezirksgerichts Andelfingen. (Bild: Dominic Steinmann / NZZ)

Die Existenz eines schwulen Priesters ist wohl fast immer eine fragile. Die Angst, enttarnt, um Beruf und Ansehen gebracht zu werden, ist ein steter Begleiter. Diesen Umstand sollen sich zwei Slowaken zunutze gemacht haben. Gemäss Anklageschrift erpressten sie den Pfarrer einer Gemeinde im Bezirk Andelfingen mit Bildern, die ihn angeblich beim Sex mit Männern zeigten. Der Lebenspartner des Mannes rief die Polizei, welche die Männer in der Wohnung des Pfarrers festnahm. Allerdings war da das Unheil, das der Priester hatte abwenden wollen, längst hereingebrochen – wenn auch auf anderem Weg.

Die mutmassliche Erpressung stand laut Staatsanwaltschaft am Ende eines jahrelangen Betrugs durch einen Roma-Clan. Der Mann im Pensionsalter hat laut Aussage seines Lebenspartners alle Ersparnisse verloren. «Er wollte helfen und hat jetzt nichts mehr», sagte er mit bewegter Stimme. Der Eindruck, es sei eine Gruppierung am Werk, erhärtete sich an der Verhandlung am Bezirksgericht. Mehrere Zeugen sagten, sie seien im Vorfeld von Anrufern mit slowakischen Nummern belästigt worden.

Homosexuelle im Visier

Laut Staatsanwaltschaft hat sich die Gruppierung darauf spezialisiert, ältere, leicht demente homosexuelle Männer auszunehmen. Unbestritten ist, dass der Priester und der zweite Geschädigte, ein 79-jähriger pensionierter Gemeindeschreiber aus Appenzell Innerrhoden, den beiden Slowaken hohe Summen gegeben haben.

Der zweite Fall kam im Zuge der Ermittlungen nach der Verhaftung ans Licht. Beide Geschädigten betonten, es habe sich explizit nicht um Schenkungen gehandelt, sondern um Darlehen. Auffällig ist aber, dass beide darauf verzichtet hatten, den Geldverleih schriftlich zu dokumentieren oder Rückzahlungskonditionen zu fixieren. Die Verteidiger dürften denn auch versuchen, die Darlehen als Schenkungen darzustellen.

Sowohl die Schlussplädoyers als auch der Urteilsspruch stehen noch aus. Die Staatsanwaltschaft fordert wegen Erpressung und gewerbsmässigen Betrugs 40 Monate Freiheitsstrafe für den einen und 15 Monate sowie zusätzlich 15 Monate bedingt für den anderen Beschuldigten. Beide seien für 5 Jahre des Landes zu verweisen.

Offenkundig wurde, dass die Beschuldigten ihr Geld teilweise mit erfundenen Geschichten erbettelten. Die Geschädigten sagten übereinstimmend, man habe ihnen akute Notlagen vorgegaukelt. Einmal sei es um Alimente gegangen, einmal um eine Dachreparatur, einmal gar um eine angebliche Polizistenausbildung für den Sohn in der Heimat, der die Uniformen selbst kaufen müsse. Der Privatkläger liess sich dazu drängen, Handy-Verträge auf seine Rechnung abzuschliessen. All dies summierte sich laut dem Geschädigten auf rund 300 000 Franken. Bei dem Pfarrer dürfte die Deliktsumme ebenfalls sechsstellig sein, auch wenn sie sich schwer genau bestimmen lässt.

Weshalb sie den Beschuldigten weiter Geld gegeben hätten, obwohl über Jahre keines zurückgeflossen sei, wollte der Richter von beiden Geschädigten wissen. Der Privatkläger sagte, er sei gläubiger Katholik. Manche würden wohl von Dummheit sprechen, aber es sei um Erbarmen und Sensibilität gegangen. Zudem sei er von den Beschuldigten und von Personen aus deren Umfeld bedroht worden. Noch heute fürchtet er, eines Nachts werde sein Haus angezündet.

Der Priester erzählte, er habe sich bei seiner Priesterweihe verpflichtet, Notleidenden zu helfen. Die erste Begegnung mit einem der beiden Slowaken habe sich an der Pfarrhaustüre abgespielt. Er habe den Mann aufgenommen und ihm zu essen gegeben. An der Verhandlung erschien es einem kaum fassbar, wie leichtfertig der Mann sein Vermögen weggab. Er liess gar eine Gruppe von Roma bei einer Abwesenheit bei sich wohnen. Einer der beiden Beschuldigten nutzte dies, um sich seiner Kreditkarte samt Pin zu bemächtigten, die in diesen Tagen mit der Post kam.

Der Partner intervenierte

Zu wehren wusste sich der Mann nicht. Auch bei der mutmasslichen Erpressung hätte er nachgegeben, hätte nicht sein Lebenspartner die Polizei alarmiert. Dieser schilderte die Verwirrung infolge der Drohung eindringlich. Sein Partner sei zwar überzeugt gewesen, es seien niemals Sexbilder von ihm gemacht worden, er sei aber dennoch verängstigt gewesen. Er fürchtete «ein grosse Geschwätz» in der Pfarrei. Der Mann wusste, wovon er sprach. Er erzählte bei der Zeugenbefragung von einer seltsamen Episode, die sich im Pfarrhaus der Gemeinde im Bezirk Andelfingen, bei der er angestellt war, abgespielt haben soll.

Zwei Monate vor der Erpressung habe einer der Beschuldigten angerufen und von komprimierenden Bildern erzählt. Seine Sekretärin habe mitgehorcht und den Vorfall unmittelbar an die Kirchenpflege gemeldet. Der Mann stand zwar kurz vor der Pension, hätte jedoch gerne in einem kleinen Pensum weitergearbeitet. Infolge des Telefonats sei er freigestellt worden. Seine berufliche Existenz scheint ebenso ruiniert wie seine finanzielle.

Das Urteil der beiden Slowaken wird kommende Woche erwartet.

DG 180010 sowie DG180009, noch nicht rechtskräftig.