St. Emmeram
"Heilig kann jeder"

Prälat Wilhelm Imkamp über Allerheiligen, das Geschäft mit Halloween und den Tod

31.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:20 Uhr
Prälat Imkamp an seinem Schreibtisch in St. Emmeram. −Foto: Eckl

St. Emmeram (DK) Prälat Wilhelm Imkamp, 67, war bis 2017 Wallfahrtsdirektor von Maria Vesperbild bei Augsburg, seit seiner Pensionierung lebt er auf Schloss St. Emmeram in Regensburg in direkter Nachbarschaft zur Privatwohnung von Fürstin Gloria von Thurn und Taxis.

Der promovierte Dogmen-Historiker gilt als Spezialist auf dem Gebiet der Privatoffenbarungen und mystischer Phänomene. Im Interview im Schloss spricht er über Reliquien, Allerheiligen - und den Hype um Halloween .

Herr Prälat, überall sieht man derzeit ausgehöhlte Kürbisse herumstehen. Von Allerheiligen wissen die wenigsten noch etwas. Bedrückt Sie das?

Wilhelm Imkamp: Es ist ja doch bezeichnend, dass hohle Kürbisse in dieser Zeit so beliebt sind. Die Gegenwart passt zu hohlen Kürbissen, sie passen zur Politik und leider auch oft zur Kirche. Mich erinnern die Halloween-Feierlichkeiten immer daran, dass unsere Mitchristen anderer Konfessionen den Reformationstag begehen. Erleuchtete Kürbisse weisen Luther wohl den Weg mit seinem Hammer hin zum Thesenanschlag (lacht). Das hat doch was, nicht wahr?

Aber die Traditionen der Kirche verschwinden doch?

Imkamp: Man muss sehen, woher das Halloween-Gesumse kommt. In Deutschland wurde es von einem Herrn Dieter Tschorn erfunden. Er war Sprecher der Fachgruppe Karneval des deutschen Verbandes der Spielwarenhersteller. Am 4. November 1994 wurde dort beschlossen, dass man Halloween wegen des Geschäfts importieren muss. Hier werden Menschen zu einem sinnlosen Konsum verführt und der Reformationstag wird dadurch auch noch karikiert. Das ist das Tragische daran.

Was bedeutet für Sie Allerheiligen?

Imkamp: Ich habe Allerheiligen immer als eine Art Super-Feiertag der Kirche gesehen. Papst Bonifaz IV. bekam vom damaligen Kaiser das Pantheon in Rom geschenkt. Bei Bauarbeiten fand man eine Vielzahl von christlichen Märtyrern und stellte fest, dass man ja viel mehr Heilige in der Kirche hat als gedacht. Als das alte St. Peter dann eingeweiht wurde, feierte man an Allerheiligen dessen Kirchweihfest. Darin drückt sich das Bewusstsein aus: Heilig kann jeder. Jeder ist zur Heiligkeit berufen. Und viele und vieles in der Kirche ist schon heilig. Wenn wir ehrlich sind: Viele geilen sich an den schmutzigen Seiten der Kirche auf. Allerheiligen bedeutet aber, transparent zu sein auf die Ewigkeit hin, auf den Himmel. Ein Teil der Kirche ist schon dort, ein anderer Teil ist im Fegfeuer.

Finden Sie, manchem Kirchenfürsten täte das Fegfeuer gut?

Imkamp: Ach, ich denke eher immer daran, was mich selbst im Fegfeuer erwartet. Ich versuche mich in die Situation einer Leitungsfigur der Kirche hineinzuversetzen und mir die Frage zu stellen: Was täte ich? Jeder kehre vor seiner eigenen Tür!

Erinnert uns Allerheiligen nichtauch daran, dass der Tod heute völlig außenvor ist in einer Gesellschaft des Jugendwahns?

Imkamp: Das hat sicher viel damit zu tun, dass der Tod outgesourced wurde. Man kann heute auch gar nicht mehr zuhause sterben, schon allein wegen der Wohnverhältnisse. In der modernen Gesellschaft wird der Tod nicht mehr als Teil des Lebens begriffen. Damit verschwindet er zunächst, gewinnt dadurch aber eine unheimliche Macht. Gegen diese Macht hilft eigentlich nur der Glaube und keine leeren Kürbisköpfe.

Der Kirche wird oft vorgeworfen, eine Droh- statt einer Frohbotschaft zu verkünden. Ist Allerheiligen nicht zu düster?

Imkamp: Wir müssen die Todesflucht des modernen Menschen ernst nehmen und dürfen nicht versuchen, ihm auf der Todesflucht hinterherzulaufen. Die Kirche muss vielmehr zeigen, dass er gar nicht fliehen braucht. Der Tod ist nichts, vor dem man fliehen müsste. Der Tod bedeutet eine Trennung vom eigenen Körper. Jeder hat bereits eine solche Trennung hinter sich, nämlich bei der Geburt. Dort trennt sich das Neugeborene vom Mutterleib. Ich glaube übrigens, dass man dem Neugeborenen dann das Kuscheltier als Ersatz gibt. Beim Erwachsenen ist es die Reliquienverehrung und die Frömmigkeit vor den Sakramenten. In der Eucharistie wird Tod und Leben unnachahmlich verbunden als Sieg über den Tod. Statt Süßes oder Saures gibt es in der Eucharistie das schönste Süße, das es gibt - ganz ohne Karies.

Aber die Reliquien liegen doch eher verstaubt in den dunkelsten Ecken der Kirche und der Pfarrer guckt betreten, wenn man ihn danach fragt.

Imkamp: Da kann der Pfarrer nichts dafür, das liegt an seinen Professoren, die seit 50 Jahren predigen, dass dieser Teil des Glaubens verpönt ist. Sie sehen hier an den Wänden einige Reliquien-Pyramiden, die früher in jeder anständigen Barockkirche waren. (Imkamp steht auf, geht zu einem in Gold gefassten menschlichen Oberschenkelknochen und deutet darauf). Wir verkünden, und die Reliquien zeugen davon, welche frohe Botschaft wir haben: Leute, es wird Euch eine Ewigkeit lang sauwohl ergehen! Wenn wir aber die Essigsäure des Rationalismus über die Reliquien schütten, bleibt nicht viel. Andererseits: Die Kürbisköpfe von Halloween zersetzen sich noch schneller, wenn sie mit dieser ätzenden Säure in Berührung kommen.

Die Fragen stellte Christian Eckl.