Kurienkardinal warnt, alle konfessionellen Unterschiede einzuebnen

Kasper: Wir erreichen nicht die Ökumene, die wir wollen

Eine positive Zwischenbilanz der Ökumene haben Vertreter christlicher Kirchen beim Weltfriedenstreffen in Münster gezogen. Der frühere päpstliche Ökumene-Kardinal Walter Kasper warnte zugleich davor, konfessionelle Unterschiede einzuebnen.

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Eine positive Zwischenbilanz der Ökumene haben Vertreter der katholischen Kirche und mehrerer evangelischer Konfessionen beim Weltfriedenstreffen der Gemeinschaft Sant'Egidio am Dienstag in Münster gezogen. Der frühere Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, lobte das Gedenken an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren. Es sei „gerade auf der mittleren und unteren Ebene“ in ökumenischer Gemeinsamkeit und ohne Polemik erfolgt.

Kasper erinnerte daran, dass in diesem Jahr auch die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ beigetreten war, die 1999 der Vatikan und der Lutherische Weltbund (LWB) unterzeichnet hatten. Die Erklärung wertet die Rechtfertigungslehre nicht länger als kirchentrennend. Zudem rief Kasper den Besuch von Papst Franziskus beim LWB in Lund am 31. Oktober 2016 ins Gedächtnis.

 

Ökumene ist „kein Abbruchverfahren“

 

Die Ökumene sei „kein Abbruchverfahren“, betonte der frühere Kurienkardinal. Es gehe nicht darum, Unterschiede zwischen den Konfessionen einzuebnen, sodass der Glaube „verflacht“. Vielmehr sei der Respekt wichtig: „Wenn ich mit jemandem gesprochen, gegessen und gebetet habe, begegne ich ihm anders.“

Kasper wünschte sich, dass die christlichen Kirchen zum Ende des Reformations-Gedenkjahrs erklären, welche Schritte sie in der Ökumene weiter gehen wollen – etwa, um die Situation konfessionsverschiedener Paare zu verbessern. Zugleich unterstrich der Kardinal aber: „Wir erreichen nicht die Ökumene, die wir wollen, sondern die, die Christus durch den Geist wirken will.“

 

Geringschätzung der Bibel bei den Katholiken

 

Der Prior von Taizé, Frère Alois, berichtete aus der ökumenischen Praxis seiner Gemeinschaft und ihrer vielen tausend Gäste. Er bedauerte, dass die katholische Kirche zunächst so harsch auf den Reformator Martin Luther reagiert habe. Luthers Ansicht „sola scriptura“ habe jahrhundertelang dazu geführt, dass die Bedeutung der Bibel in der katholischen Kirche heruntergespielt wurde. Das müsse ein Ende haben.

Alois erinnerte auch daran, dass die gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und dem LWB in Lund vom Reichtum der Gaben der Reformation spreche. „Könnten nicht die protestantischen Kirchen etwas Ähnliches zu den Gaben der katholischen Kirche erklären?“, wünschte er sich.

 

„Kritisch auf die eigene Tradition schauen“

 

Der frühere LWB-Präsident Mounib Younan warnte vor einer Überbewertung der Schrift in der lutherischen Tradition. Sie berge die Gefahr von „Fehlinterpretationen, Biblizismus und Fundamentalismus“, sagte er. Jede Konfession und Religion müsse „erst kritisch auf die eigene Tradition schauen, ehe sie sich kritisch über andere Traditionen äußert“.

Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen Deutschlands, Gerhard Ulrich, mahnte, die Konfessionen und ihre Unterschiede nicht zu dominant zu sehen: „Das Wort Gottes ist viel größer als die Kirchen.“

Der Generalsekretär der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, Chris Ferguson, erinnerte daran, dass das Wort Gottes die Christen auffordere, die Welt zu verändern: „Dabei muss die Versöhnung im Mittelpunkt des Interesses stehen.“

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