Person der Woche

Person der Woche Merkels Macht schwindet rapide

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In Europa ist die Kanzlerin isoliert, der Koalitionspartner setzt sich ab, die AfD wächst gewaltig, in der Union rumort es - und nun steht eine desaströse Niederlage in ihrem Wahlkreis-Bundesland an. Vier Gründe für den Niedergang.

Angela Merkels Macht schwindet - und sie scheint es nicht zu bemerken.

Angela Merkels Macht schwindet - und sie scheint es nicht zu bemerken.

(Foto: imago/CTK Photo)

Angela Merkel spürt die Kanzlerdämmerung. Um sie herum macht sich eine Stimmung breit wie 2005 um Gerhard Schröder. Was damals die Agenda-2010-Politik war, das ist heute die Multikulti-Migrationspolitik. Beides polarisiert die Gesellschaft und verschreckt das jeweils eigene Lager bis ins Mark. Dem damaligen Erfolg der Linkspartei steht heute der AfD-Aufstieg gegenüber. Und einst wie jetzt wankt die Kanzlerfigur ihrem politischen Untergang entgegen. Merkels Macht schwindet im Zeitraffertempo - aus vier Gründen.

Erstens: Merkel hat sich in Europa isoliert. Ihre Migrationspolitik der offenen Willkommenskultur wird von keinem Nachbarland geteilt. Da sie über Monate hinweg aber versucht hat, ihre Linie dem Rest Europas mit moralischer Überheblichkeit aufzuzwingen, ist schwerer Schaden in der EU entstanden. Länder wie Ungarn fühlen sich durch Angriffe aus Berlin gedemütigt, andere wie die Slowakei, Tschechien, Polen oder Dänemark wurden durch Kontingentdiktate brüskiert. Merkels einsame Entscheidung, die Grenzen zu öffnen, hat in der Europäischen Union eine Kettenreaktion der Desintegration ausgelöst. Als die südosteuropäischen Staaten die Grenzen schließlich auf eigene Faust schützen wollten, wurden sie von Berlin auch noch kritisiert. Die osteuropäischen Nachbarn sind schockiert und fühlen sich von Berlin bevormundet, selbst Österreich, Holland und Dänemark haben sich politisch klar abgesetzt. Das Verhältnis Berlins zu Polen, Tschechien, Ungarn, der Slowakei oder Griechenland ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die linke Länderfraktion (Italien, Frankreich und Griechenland) versucht aus den Fehlern Merkels Kapital zu schlagen. Insgesamt ist die EU schwer angeschlagen nach einem Jahr deutscher Willkommenskultur. "Früher kamt ihr in Soldatenstiefeln, heute in Besserwissersandalen der Moralisten. Der Effekt ist der gleiche - Deutschland zwingt dem Rest Europas seinen Willen auf", lästern EU-Diplomaten aus Brüssel. Der Austritt Großbritanniens aus der EU wird in den meisten Hauptstädten Europas ebenfalls als eine mittelbare Folge von Merkels Migrationspolitik betrachtet. Kurzum: Die Bundeskanzlerin hat sich von einer Schutzpatronin Europas zu deren Spalterin entwickelt.

Zweitens: Merkel verliert den Rückhalt ihrer Koalition. Die SPD hat drei Jahre lang einigermaßen treu die Regierung Merkel III getragen. Jetzt setzt sie sich mit immer drastischeren Worten ab. SPD-Parteichef und Vizekanzler Gabriel schiebt der Kanzlerin nun sogar die Fehler der gemeinsamen Migrationspolitik in die Schuhe und fordert - im plötzlichen Bund mit der CSU - Obergrenzen für Flüchtlinge. Wichtige politische Projekte werden ab sofort abgebrochen, etwa die Durchsetzung des für die Exportnation Deutschland so wichtigen Freihandelsbkommens TTIP. Während Merkel noch trotzig verkündet, TTIP werden bis zum Jahresende realisiert, erklärt Gabriel den politischen Tod des Projekts. Deutschlands Wirtschaftsverbände sind entsetzt, die Kanzlerin entblößt. Damit wird klar: Merkels Regierung ist ab sofort eine auf Abruf, in Auflösung und im Wahlkampfmodus.

Drittens: Merkels Macht im eigenen Lager schwindet. Immer größere Kreise der Union gehen heimlich oder offen auf Distanz zur Kanzlerin. Die Serie von Wahlniederlagen wird länger, immer mehr Parteifunktionäre verlieren Ämter und Mandate. Die CSU hat ihr den Fehdehandschuh schon vor Monaten hingeworfen, nun wollen die Bayern sie nicht einmal mehr als Kanzlerkandidatin. Da Merkel stur bei ihrer "Wir schaffen das"-Losung bleibt und ihre Migrationspolitik kaum revidiert, hat sie die Brücken zur CSU und zum konservativen Teil der CDU beinahe eingerissen. Ohne die CSU aber kann sie keine Wiederwahl gewinnen. Der derzeitige Eiertanz um die K-Frage ist ein dramatisches Indiz für Merkels Machtverlust. Sie kann derzeit nicht einmal mehr frei den Termin ihrer Kandidatur verkünden, weil die Partei nicht mehr geschlossen hinter ihr steht und die CSU sie vor sich her treibt. Vor allem von der Basis wird der Druck auf Merkel immer stärker.

Viertens: Merkel verliert in der Gesellschaft an Reputation und Gefolgschaft. Ihre Umfragewerte werden von Monat zu Monat schlechter. Die CDU hat nach einem Jahr "Wir schaffen das" jeden vierten Wähler verloren. Sie ist in den Umfragen von 42 auf bis zu 32 Prozent abgerutscht, Tendenz fallend. Die CDU leidet inzwischen unter ihrer Kanzlerin wie weiland die SPD unter Gerhard Schröder in dessen Schlussphase. Ein dramatischer Indikator für Merkels Machtimplosion ist der Aufstieg der AfD. Die selbst ernannte Alternative zur Alternativloskanzlerin ist in Wahrheit eine "Merkel muss weg"-Partei.

Was vor Kurzem noch undenkbar gewesen wäre - bei den anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin dürfte die CDU sogar von der AfD eingeholt werden. Da Merkel ihren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern hat, ist dies ein Fanal für ihre persönliche Autorität. Der Spruch "Merkel muss weg" wird durch die Wahlkämpfe immer weiter verbreitet und verströmt Endzeitstimmung wie einst bei der Abwahl Helmut Kohls.

Selbst unter treuen CDU-Leuten wird ihr inzwischen offen angelastet, dass sie die Union mit ihrem Multikulti-Linksdrall strategisch schwäche. Jahrzehntelang hat es rechts neben der CDU keine demokratisch etablierte Partei gegeben, weil die Union ihre politischen Flügel stark machte. Unter Merkel sind konservative, wirtschaftsliberale, kirchengebundene und patriotische Milieus immer weiter an den Rand gedrängt worden. Die Folge; Nun breitet sich in diesen Kreisen die AfD in rasender Geschwindigkeit aus und schneidet tief hinein in dieses Fleisch der Union. Am Ende könnte Merkel ihre eigene Partei kaputt und klein regiert haben - vor allem aber wird die CDU um ihre Aura der Selbstverständlichkeit bürgerlicher Mehrheiten beraubt, was die Abwärts-Spirale der Partei noch beschleunigt. Die Union steht vor einer Krise, die größer ist als die des Spendendesasters von 1999/2000, denn diesmal ist kein vorübergehender Skandal das Problem, sondern die bleibende strategische Selbstdemontage.

Angela Merkel macht noch den Eindruck, dass sie diese größte Krise ihrer Kanzlerschaft weglächeln könne und eine völlig gefügig gemachte CDU ihr - mangels Alternative - abermals die Kanzlerkandidatur antragen wird. Sie scheint die Dynamik des Stimmungsumschwungs und damit ihres politischen Niedergangs zu unterschätzen. Der kommende Sonntag dürfte zum vorletzten Warnschuss ihres eigenen politischen Niedergangs werden. Dem drohenden Wahldesaster in Mecklenburg-Vorpommern dürfte ein noch größeres in Berlin zwei Wochen später folgen - das würde dann der letzte Warnschuss. Für eine konsequente Umkehr in der Migrations- und Sicherheitspolitik. Oder für eine letzte Chance auf einen ehrenwerten, selbst gewählten Rückzug aus dem Kanzleramt, also einem Verzicht auf eine weitere Kandidatur.

Einen freiwilligen Rückzug eines Bundeskanzlers hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Alle Kanzler wurden aus dem Amt gewählt oder zum vorzeitigen Rücktritt gezwungen. Angela Merkel könnte ihrer Kanzlerschaft mit einem freiwilligen Verzicht auf eine weiter Amtszeit die Aura der präsidialen Souveränität, jene Erhabenheit von eitlen Ränkespielen, wieder zurückholen, die ihre Regierung so lange ausgezeichnet hatte. Sie würde sich das hohe persönliche Ansehen und das Erinnerungsbild guter Jahre für Deutschland retten, also genau das, was ihr das kritischer werdende Wahlvolk zusehends zu entreißen sucht. Kämpft sie aber weiter, stehen ihr in einem zusehends gespaltenen Land ganz bittere Macht- und Wahlkampfmonate bevor. So oder so spürt man erstmals seit 2005, dass ihre Kanzlerinnenära zu Ende gehen könnte.

Quelle: ntv.de

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