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Innsbruck: Kreuzstiche gegen das Patriarchat

Foto: Felix Richter

XXL-Slogan an Kathedrale Feministische Parole verhüllt Innsbrucker Dom

"Solange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist": Eine 56-Quadratmeter-Stickerei in Pink verkleidet den Tiroler Bischofssitz. Ist das Statement aus Tüll jetzt Blasphemie - oder Kunst?

Am Innsbrucker Dom zu St. Jakob flattert seit Freitagmorgen ein riesiger Slogan: "Solange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist", steht in meterhohen Lettern auf einer Staubschutzplane an der gotischen Kathedrale, dem Bischofssitz der katholischen Diözese. Innen das Marienbild von Lucas Cranch dem Älteren - außen nun feministische Parole, gestickt mit pinkfarbenem Tüll. Wie kam es dazu?

Der Innsbrucker Dom ist ein Touristenmagnet und Wallfahrtsort, doch zurzeit eingerüstet, denn die Steinfassade wird saniert. Diese Situation nutzte die Künstlerin Katharina Cibulka, Initiatorin der Kunstaktion "Solange", die mit XXL-Sprüchen an Baugerüsten auf feministische Themen hinweist.

Cibulka verhüllt im wahrsten Sinne des Wortes Männerdomänen mit ihren Installationen. "Natürlich kann kein Plakat und kein T-Shirt-Spruch in Pink die Welt verändern. Trotzdem muss man für diese Themen immer wieder sensibilisieren, sonst passiert nichts", sagt Cibulka. Die Kathedrale in Innsbruck ist ihr bislang spektakulärster Coup.

Kurz zuvor hatte Cibulka den Tiroler Bischof Hermann Glettler kennengelernt. Glettler gilt als kunstaffiner Geistlicher, er war vor seiner Zeit als Bischof als "Künstlerpfarrer" in Graz bekannt geworden. Auch der zuständige Generalvikar des Doms, Florian Huber, gab sein Okay. Gemeinsam suchte man nach einem passenden Text. "Das war nicht leicht. Ich wusste ich nicht, wie mutig sie sein würden", sagt Cibulka.

Warum sollte Gott ein alter Mann sein?

Die Kirchenleute entschieden sich für die progressive Textzeile über Gott mit Bart, die in viele Richtungen interpretiert werden kann: Verjüngung der Kirche, Gleichberechtigung, Ablehnung eines männlichen Machtmonopols. Der Generalvikar bat außerdem darum, "Feminist" zu formulieren, damit klar würde, dass er persönlich dahinterstehe.

An der Akademie der Künste in der Wiener Innenstadt herrscht zwar Geschlechterparität, trotzdem hängt seit dieser Woche auch dort ein Zitat: "As long as the art market is a boys' club, I will be a feminist" - solange der Kunstmarkt ein Männerklub ist, werde man Feminist sein. Der Kunstmarkt bevorzuge immer noch Männer, kritisiert Cibulka, "Galeristen wollen nicht das Risiko eingehen, eine Künstlerin zu fördern, die vielleicht ein paar Jahre unproduktiv wäre, wenn sie Kinder bekäme." Auch große Ausstellungshäuser für zeitgenössische Kunst wie die Londoner Tate Modern oder der Hamburger Bahnhof Berlin würden nur zu einem Viertel mit Einzelausstellungen von Frauen bespielt.

"Viele sagen: Jetzt ist aber mal gut mit Feminismus"

Mit der Verhängung der Kunsthochschule in Wien und mehrerer Baustellen in Innsbruck ("Solange Gleichberechtigung eine Baustelle ist, bin ich Feministin") entstand eine lebhafte Diskussion. "Viele sind der Meinung, Frauen hätten schon alles erreicht", sagt Cibulka, jetzt müsse langsam mal gut sein, "aber es ist eben nicht gut." Dass immer noch viele Ungleichheiten herrschen, dass es ein Gehaltsgefälle gibt und strukturelle Benachteiligungen von Frauen, dafür wolle sie sensibilisieren.

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Inspiriert habe sie dazu eine Antwort der britischen Künstlerin Tracey Emin die auf die Frage, ob das krampfhafte Festhalten der Frauen am Feminismus nicht langsam altmodisch sei: "Solange irgendwo auf der Welt eine Frau verbrannt wird, weil sie einen Mann angelächelt hat, solange einer Lehrerin die Hand abgehackt wird, weil sie jungen Mädchen das Schreiben und Lesen beigebracht hat, bin ich Feministin."

Cibulka erkundigte sich in ihrem Umfeld und in sozialen Netzwerken : Ist der Gipfel der Emanzipation bei uns erreicht? Wie lange will oder sollte man sich für Feminismus einsetzen? Menschen erzählten ihr daraufhin von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sexueller Belästigung, Gehaltsscheren, Macht und Diskriminierung. Aus diesem Material texten Cibulka und ihr Projektteam nun Slogans, die sie großflächig mit Tüll und Kabelbindern auf Netze stickt, statt sie zu drucken. "Mit Stickrahmen und Kreuzmuster wurden Frauen jahrhundertelang beschäftigt und zu Hause gehalten, statt ihnen Zugang zu Männerdomänen zu gewähren."

In den kommenden Wochen sind weitere Installationen auch in Südtirol und in der Schweiz geplant, dort soll es unter anderem um die Freiheit sexueller Orientierung gehen.

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