Fastenhirtenbrief von Bischof Kapellari: Wiederverheiratete, Zölibat, Pfarrer-Initiative
(gloria.tv) Bischof Egon Kapellari von Graz-Seckau schreibt in seinem Fastenhirtenbrief über geschiedene Wiederverheiratete, Zölibat und die Pfarrer-Initiative. Ein Auszug aus dem Text:
Seit dem II. Vatikanischen Konzil, dessen wir nach 50 Jahren besonders gedenken, hat sich die Kirche mehr bewegt als viele andere religiöse Gemeinschaften. Innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche in Österreich hat sich aber bei vielen Menschen die Meinung verfestigt, die Kirche sei zu starr, als dass sie den Herausforderungen und Chancen in den Umbrüchen der ganzen Gesellschaft wirksam begegnen könnte. Man drängt daher auf Veränderungen der Kirchenstruktur, von denen einige aber massiv in die Verfassung der Kirche eingreifen und die katholische Identität schwerwiegend gefährden würden. Diese Wünsche, ja Forderungen beziehen sich vor allem auf drei so genannte „Heiße Eisen“-Themen. Es geht dabei um die kirchliche Stellung von Katholiken, die nach einer Scheidung eine Zivilehe eingegangen sind. Weiters um die Frage, ob die Kirche von Christus her die Vollmacht hat, auch Frauen das Weihesakrament zu erteilen. Und schließlich geht es um die Frage, ob der Zölibat für Priester angesichts eines Priestermangels verpflichtend bleiben muss.
Jeder Mensch ist in einer Entscheidungssituation zunächst auf das angewiesen, was er schon weiß und erlebt hat. Viele Katholiken kennen daher die Gründe für das Festhalten der Kirche an den bisherigen Regeln nur zu einem geringen Teil und urteilen darüber vor allem entsprechend den Kriterien der heutigen Zivilgesellschaft. Wir werden uns daher bald noch viel mehr bemühen müssen, die Gründe für die jetzigen Regelungen öffentlich und ausführlich bekannter zu machen.
Hier kann ich freilich nur in Kürze einiges dazu anmerken:
1) Geschiedene und zivil wiederverheiratete Katholiken sind in der Kirche weder Fremde noch rechtlos. Papst Johannes Paul II. hat dies in seinem Schreiben „Familiaris Consortio“ (1981) mit einfühlsamen Worten betont. Dass ihnen der Empfang der Kommunion nicht generell ermöglicht werden kann liegt daran, dass ihre sakramental geschlossene Ehe weiterhin besteht und dass das Gebot Jesu Christi betreffend die Unauflöslichkeit dieser Ehe ohne Wenn und Aber angenommen wird. Dies verlangt aber, dass wir uns diesen Menschen pastoral sehr einfühlsam zuwenden und ihnen helfen, wirklich Heimat in der Kirche zu haben. Dann kann man Wunden heilen, allfällige Schuld erkennen und mit Narben leben. Dies ist ein Dauerauftrag, dem wir freilich noch lange nicht genügen, aber wohl jeder von uns ist im Kreis von Verwandten und Freunden von solchen Schicksalen mitfühlend betroffen.
2) Die katholische Kirche hält ebenso wie die anderen christlichen Kirchen, die nicht aus der protestantischen Reformation oder der Trennung Englands von Rom unter König Heinrich VIII. hervorgegangen sind, daran fest, dass sie von Christus her nicht die Vollmacht hat, Frauen das Weihesakrament zu spenden. In der heutigen öffentlichen Meinung erscheint dies vielen Menschen und vor allem Frauen als Diskriminierung, zumal Frauen von jeher die Kirche in besonderem Maß getragen haben und besonders auch heute tragen. Man darf und muss aber in der Kirche ebenso wie in der Zivilgesellschaft sagen, dass nicht jede Unterscheidung schon eine Diskriminierung ist und dass die vom Christentum selbstverständlich gelehrte Gleichheit der Würde aller Menschen – ob Mann oder Frau – nicht immer zu einer Gleichheit der Aufgaben, der Funktionen führen muss. Die katholische Kirche ist davon überzeugt, dass die Priesterweihe einem Mann nicht nur eine neue Funktion zuweist, sondern ihn sakramental prägt, damit er Christus in der Liturgie darstellt. Dagegen gibt es heute viel Widerstand auch bei vielen Katholiken. Das ist epochal verständlich und es muss auch deutlich gesagt werden, dass Priester und Männer überhaupt in der Kirche nie als bessere Christen gegenüber Frauen gegolten haben. Die große Zahl der von der Kirche heilig oder selig gesprochenen Frauen bestätigt dies eindrucksvoll. An Frauen sind in den letzten Jahren in der Kirche immer mehr Leitungsaufgaben übertragen worden, die nicht an die Priesterweihe gebunden sind, und dies wird auch in Zukunft so sein. Die Erzdiözese Wien hat dafür schon seit Jahren am meisten getan. In der Steiermark bewegen wir uns ebenfalls in diese Richtung.
3) Der für unsere Priester verpflichtende Zölibat wird heute besonders häufig in Frage gestellt. Meinungsumfragen haben ergeben, dass die Mehrzahl der heutigen Priester ihren zölibatären Status nicht ändern würde, wenn ihnen dies frei gestellt wäre. Viele plädieren aber für eine Änderung der Zulassungsbedingungen, weil sie meinen, dass dann der Priestermangel weitgehend überwindbar wäre. Ich rede das komplexe Problem des Priestermangels gewiss nicht klein, halte aber die präsentierten Änderungsvorschläge für nicht praktikabel.
Die Seelsorge in unserem Land wird in Zukunft gewiss noch mehr als bisher nicht nur Priestern aufgetragen sein. Schon jetzt tragen gemeinsam mit den Priestern allein in der Steiermark ca. 70 ständige Diakone, ca. 140 Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten und dazu weit über 1000 im Religionsunterricht, in Pfarrsekretariaten und anderen Aufgaben tätige Laienchristen das ziemlich dichte Netz der kirchlichen Dienste mit. Hinzu kommen einige Tausend ehrenamtlich Tätige. Dieses Netz kann nicht noch engmaschiger werden, sondern wir müssen damit beweglicher umgehen.
Die oft beschworenen Schreckensbilder des so genannten „Blaulichtpriesters“ und des unerträglich riesigen Pfarrverbandes werden gewiss nicht Wirklichkeit werden, wenn wir alle beweglicher und kooperationsbereiter werden und ein starres Besitzdenken überwinden. In vielen Diözesen unserer Weltkirche ist man negativ erstaunt über die hierzulande so weit verbreitete Unzufriedenheit und den Mangel an gläubiger Spontaneität. Diese Spontaneität ist nicht planbar und nicht befehlbar. Sie ist eine Frucht der Umkehr, der Bekehrung zu Christus hin, die uns allen immer wieder nottut und an die uns die Fastenzeit erinnern soll. Das erste Wort, das Jesus am Beginn seines öffentlichen Wirkens gesagt hat, lautet: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Aus einer solchen Bekehrung werden wache Christen und auch neue Priester erwachsen, die – wie so viele jetzige Priester – wahrhaft Hirten nach dem Herzen Gottes sind (Jer 3,15).
SPANNUNGEN UND SPALTUNGEN
In Österreich haben einige Priester im Rahmen einer sogenannten „Pfarrerinitiative“ durch einen „Aufruf zum Ungehorsam“ und später durch einen „Protest für eine glaubwürdige Kirche“ mit einem fünffachen „Nein“ zu den jetzigen Regelungen Veränderungen in der Kirche verlangt. Sie stehen auch in Verbindung mit Laieninitiativen, aus deren Kreis sogar Forderungen nach einer Eucharistiefeier ohne Priester laut geworden sind, was einen offenen Bruch mit dem Kern der verbindlichen katholischen Lehre über die Kirche und ihre Sakramente bedeutet.
Die Bischöfe haben dazu klar ablehnend Stellung genommen und sie haben zugleich das Gespräch mit Verantwortlichen solcher Initiativen begonnen oder fortgesetzt. Ich selbst habe in einer Fernsehsendung (ZIB 2 am 29. August 2011) gebeten, „vom Gashebel herunterzusteigen“ und habe die Hoffnung ausgesprochen, dass alle hier Tätigen im Boot der Kirche bleiben. Wenn aber das Gegenteil der Fall wäre, dann bin ich als Bischof entsprechend meinem Gewissen und meiner schwerwiegenden Verantwortung für die Einheit und Wahrheit der Kirche verpflichtet, dazu ein klares Wort zu sagen. Ich will alles mir Mögliche tun, damit Katholiken, die auf Veränderungen drängen, im Boot, im großen Schiff der Diözese und der Weltkirche verbleiben können. Es muss aber auch ein klares Nein gesagt werden, wenn einige oder ein Vertreter der „Pfarrerinitiative“ oder einer anderen Initiative in der Überzeugung, dafür eine historische Sendung zu haben, eigenmächtig das Steuerrad dieses Schiffes Kirche ergreifen wollen. Das führt zur Spaltung oder ist schon Spaltung, auch wenn man es in einer weit verbreiteten öffentlichen Meinung anders sieht. Hier droht ein Weg in eine Sackgasse, auf dem schließlich alle nur Verlierer wären. Ich hoffe, dass in der Diskussion darüber allseits auf Polemik verzichtet werden wird.
Seit dem II. Vatikanischen Konzil, dessen wir nach 50 Jahren besonders gedenken, hat sich die Kirche mehr bewegt als viele andere religiöse Gemeinschaften. Innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche in Österreich hat sich aber bei vielen Menschen die Meinung verfestigt, die Kirche sei zu starr, als dass sie den Herausforderungen und Chancen in den Umbrüchen der ganzen Gesellschaft wirksam begegnen könnte. Man drängt daher auf Veränderungen der Kirchenstruktur, von denen einige aber massiv in die Verfassung der Kirche eingreifen und die katholische Identität schwerwiegend gefährden würden. Diese Wünsche, ja Forderungen beziehen sich vor allem auf drei so genannte „Heiße Eisen“-Themen. Es geht dabei um die kirchliche Stellung von Katholiken, die nach einer Scheidung eine Zivilehe eingegangen sind. Weiters um die Frage, ob die Kirche von Christus her die Vollmacht hat, auch Frauen das Weihesakrament zu erteilen. Und schließlich geht es um die Frage, ob der Zölibat für Priester angesichts eines Priestermangels verpflichtend bleiben muss.
Jeder Mensch ist in einer Entscheidungssituation zunächst auf das angewiesen, was er schon weiß und erlebt hat. Viele Katholiken kennen daher die Gründe für das Festhalten der Kirche an den bisherigen Regeln nur zu einem geringen Teil und urteilen darüber vor allem entsprechend den Kriterien der heutigen Zivilgesellschaft. Wir werden uns daher bald noch viel mehr bemühen müssen, die Gründe für die jetzigen Regelungen öffentlich und ausführlich bekannter zu machen.
Hier kann ich freilich nur in Kürze einiges dazu anmerken:
1) Geschiedene und zivil wiederverheiratete Katholiken sind in der Kirche weder Fremde noch rechtlos. Papst Johannes Paul II. hat dies in seinem Schreiben „Familiaris Consortio“ (1981) mit einfühlsamen Worten betont. Dass ihnen der Empfang der Kommunion nicht generell ermöglicht werden kann liegt daran, dass ihre sakramental geschlossene Ehe weiterhin besteht und dass das Gebot Jesu Christi betreffend die Unauflöslichkeit dieser Ehe ohne Wenn und Aber angenommen wird. Dies verlangt aber, dass wir uns diesen Menschen pastoral sehr einfühlsam zuwenden und ihnen helfen, wirklich Heimat in der Kirche zu haben. Dann kann man Wunden heilen, allfällige Schuld erkennen und mit Narben leben. Dies ist ein Dauerauftrag, dem wir freilich noch lange nicht genügen, aber wohl jeder von uns ist im Kreis von Verwandten und Freunden von solchen Schicksalen mitfühlend betroffen.
2) Die katholische Kirche hält ebenso wie die anderen christlichen Kirchen, die nicht aus der protestantischen Reformation oder der Trennung Englands von Rom unter König Heinrich VIII. hervorgegangen sind, daran fest, dass sie von Christus her nicht die Vollmacht hat, Frauen das Weihesakrament zu spenden. In der heutigen öffentlichen Meinung erscheint dies vielen Menschen und vor allem Frauen als Diskriminierung, zumal Frauen von jeher die Kirche in besonderem Maß getragen haben und besonders auch heute tragen. Man darf und muss aber in der Kirche ebenso wie in der Zivilgesellschaft sagen, dass nicht jede Unterscheidung schon eine Diskriminierung ist und dass die vom Christentum selbstverständlich gelehrte Gleichheit der Würde aller Menschen – ob Mann oder Frau – nicht immer zu einer Gleichheit der Aufgaben, der Funktionen führen muss. Die katholische Kirche ist davon überzeugt, dass die Priesterweihe einem Mann nicht nur eine neue Funktion zuweist, sondern ihn sakramental prägt, damit er Christus in der Liturgie darstellt. Dagegen gibt es heute viel Widerstand auch bei vielen Katholiken. Das ist epochal verständlich und es muss auch deutlich gesagt werden, dass Priester und Männer überhaupt in der Kirche nie als bessere Christen gegenüber Frauen gegolten haben. Die große Zahl der von der Kirche heilig oder selig gesprochenen Frauen bestätigt dies eindrucksvoll. An Frauen sind in den letzten Jahren in der Kirche immer mehr Leitungsaufgaben übertragen worden, die nicht an die Priesterweihe gebunden sind, und dies wird auch in Zukunft so sein. Die Erzdiözese Wien hat dafür schon seit Jahren am meisten getan. In der Steiermark bewegen wir uns ebenfalls in diese Richtung.
3) Der für unsere Priester verpflichtende Zölibat wird heute besonders häufig in Frage gestellt. Meinungsumfragen haben ergeben, dass die Mehrzahl der heutigen Priester ihren zölibatären Status nicht ändern würde, wenn ihnen dies frei gestellt wäre. Viele plädieren aber für eine Änderung der Zulassungsbedingungen, weil sie meinen, dass dann der Priestermangel weitgehend überwindbar wäre. Ich rede das komplexe Problem des Priestermangels gewiss nicht klein, halte aber die präsentierten Änderungsvorschläge für nicht praktikabel.
Die Seelsorge in unserem Land wird in Zukunft gewiss noch mehr als bisher nicht nur Priestern aufgetragen sein. Schon jetzt tragen gemeinsam mit den Priestern allein in der Steiermark ca. 70 ständige Diakone, ca. 140 Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten und dazu weit über 1000 im Religionsunterricht, in Pfarrsekretariaten und anderen Aufgaben tätige Laienchristen das ziemlich dichte Netz der kirchlichen Dienste mit. Hinzu kommen einige Tausend ehrenamtlich Tätige. Dieses Netz kann nicht noch engmaschiger werden, sondern wir müssen damit beweglicher umgehen.
Die oft beschworenen Schreckensbilder des so genannten „Blaulichtpriesters“ und des unerträglich riesigen Pfarrverbandes werden gewiss nicht Wirklichkeit werden, wenn wir alle beweglicher und kooperationsbereiter werden und ein starres Besitzdenken überwinden. In vielen Diözesen unserer Weltkirche ist man negativ erstaunt über die hierzulande so weit verbreitete Unzufriedenheit und den Mangel an gläubiger Spontaneität. Diese Spontaneität ist nicht planbar und nicht befehlbar. Sie ist eine Frucht der Umkehr, der Bekehrung zu Christus hin, die uns allen immer wieder nottut und an die uns die Fastenzeit erinnern soll. Das erste Wort, das Jesus am Beginn seines öffentlichen Wirkens gesagt hat, lautet: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Aus einer solchen Bekehrung werden wache Christen und auch neue Priester erwachsen, die – wie so viele jetzige Priester – wahrhaft Hirten nach dem Herzen Gottes sind (Jer 3,15).
SPANNUNGEN UND SPALTUNGEN
In Österreich haben einige Priester im Rahmen einer sogenannten „Pfarrerinitiative“ durch einen „Aufruf zum Ungehorsam“ und später durch einen „Protest für eine glaubwürdige Kirche“ mit einem fünffachen „Nein“ zu den jetzigen Regelungen Veränderungen in der Kirche verlangt. Sie stehen auch in Verbindung mit Laieninitiativen, aus deren Kreis sogar Forderungen nach einer Eucharistiefeier ohne Priester laut geworden sind, was einen offenen Bruch mit dem Kern der verbindlichen katholischen Lehre über die Kirche und ihre Sakramente bedeutet.
Die Bischöfe haben dazu klar ablehnend Stellung genommen und sie haben zugleich das Gespräch mit Verantwortlichen solcher Initiativen begonnen oder fortgesetzt. Ich selbst habe in einer Fernsehsendung (ZIB 2 am 29. August 2011) gebeten, „vom Gashebel herunterzusteigen“ und habe die Hoffnung ausgesprochen, dass alle hier Tätigen im Boot der Kirche bleiben. Wenn aber das Gegenteil der Fall wäre, dann bin ich als Bischof entsprechend meinem Gewissen und meiner schwerwiegenden Verantwortung für die Einheit und Wahrheit der Kirche verpflichtet, dazu ein klares Wort zu sagen. Ich will alles mir Mögliche tun, damit Katholiken, die auf Veränderungen drängen, im Boot, im großen Schiff der Diözese und der Weltkirche verbleiben können. Es muss aber auch ein klares Nein gesagt werden, wenn einige oder ein Vertreter der „Pfarrerinitiative“ oder einer anderen Initiative in der Überzeugung, dafür eine historische Sendung zu haben, eigenmächtig das Steuerrad dieses Schiffes Kirche ergreifen wollen. Das führt zur Spaltung oder ist schon Spaltung, auch wenn man es in einer weit verbreiteten öffentlichen Meinung anders sieht. Hier droht ein Weg in eine Sackgasse, auf dem schließlich alle nur Verlierer wären. Ich hoffe, dass in der Diskussion darüber allseits auf Polemik verzichtet werden wird.