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DGW-Projekt: Vortragsabend über Karl Rahner: Eine Lobeshymne voller Widersprüche

ein Bericht von Gabriela Jussel, KJB München
Vorletzen Freitagabend wohnten wir mit mehreren KJBlern der Rahner Lecture 2012 in der Jesuitenhochschule bei, um dort der Vorlesung mit dem Titel „Als die Kirche Weltkirche wurde. Karl Rahners Beitrag zum II. Vatikanischen Konzil und seiner Deutung“ von Prof. Dr. Wassilowsky aufmerksam zu lauschen.
Dr. Pater Batlogg, stellv. Leiter des Karl-Rahner-Archivs, begrüßte herzlich die etwas sporadisch gesäte Zuhörerschaar mit den Worten, es käme nicht auf die Vielzahl, sondern auf die Überzeugung und das Engagement der Anwesenden an. Es gibt eben auch Menschen unserer Tage, die imstande sind, ein großes Wort gelassen auszusprechen. Dies sollte ihm im späteren Verlauf des Abends nur allzu deutlich bewusst werden.
Doch zunächst hielt nun Prof. Wassilowsky eine zugegebenermaßen äußerst lebendige Vorlesung. Zu Beginn beseitigte er das sich in den Köpfen der Zuhörer etablierte Vorurteil, Rahner sei einer der einflussreichsten Männer des Konzils gewesen, mit der Begründung, der Konzilstheologe habe keinen direkten Einfluss auf das Konzil gehabt, er sei kein Bischof und dadurch nicht stimmberechtigt gewesen. Außerdem habe Rahner selbst dergleichen Aussprüche stets als übertriebene Einschätzung seiner Person abgetan.
Späterhin betonte Prof. Wassilowsky jedoch wiederholt in kontrastierender Weise eben den immensen Einfluss Rahners auf das Konzil, ja, dass sogar ganze Textpassagen der Konzilstexte aus der Feder dieses Theologen stammten. Angesichts dieses offensichtlichen Widerspruchs sah man förmlich die Fragezeichen über den Häuptern aufmerksamer Zuhörer schweben.
Nicht die Konzilstexte werden als wichtigste Errungenschaft des Konzils herausgestellt, sondern ein gewisser „Habitus“ im Konzilsverlauf, also das gemeinsame Erarbeiten der Texte und letztlich eine antipatriarchalische Kollegialität, die im äußersten Widerspruch zum Wesen des Papsttums steht.
Gleichwohl spiegeln die Texte Rahners Betrachtungsweise der Kirche als allumfassendessacramentum zumindest an einer Stelle deutlich wieder: Die Kirche Christi ist in der katholischen Kirche verwirklicht (subsistit). Dies bedeutet, dass andere „Kirchen“ auch als Heilswege angesehen werden können, wohingegen es nach traditionell katholischer Lehre lauten müsste: Die Kirche Christi ist (est) die katholische Kirche. Über die Eindeutigkeit der Interpretation dieser bedeutungsschweren Stelle im Lumen gentiumlässt Prof. Wassilowsky keine Zweifel aufkommen: Dies ist ein eindeutiger Bruch mit der althergebrachten katholischen Tradtion, seiner Meinung nach offensichtlich ein gerechtfertigter.
Das II. Vatikanum sei jedenfalls ein utilitaristisches gewesen, ein Konzil, das die Wahrheit an die Menschen herantragen wollte. Insbesondere habe man darauf verzichtet, die Konzilstexte mit der Formulierung überflüssiger Glaubenssätze zu überfrachten, durch welche die gläubigen Katholiken von heute lediglich verwirrt worden wären – als Beispiel nannte der Referent die hochinteressante Frage nach der Monogenese (die Lehre, dass alle Menschen von Adam und Eva abstammen) und die Lehre von Limbus infantium (also über das Schicksal der unschuldigen Kinder, die ungetauft sterben, ohne eine persönliche Sünde begangen zu haben), die in den Entwürfen der Vorbereitungskommission noch enthalten waren.
Im Anschluss an die Vorlesung, werden die Anwesenden dazu aufgefordert, ihre Meinung in die Diskussion miteinzubringen.
Anton Löhmer griff die Rede von den überflüssigen Glaubenssätze auf und wies darauf hin, dass viele Katholiken heute nicht einmal an die grundlegenden Dogmen glauben, etwa an die Heilsnotwendigkeit der Kirche und das Sühneopfer Christi – gerade weil das Konzil auf die präzise Formulierung von Glaubenssätzen verzichtet habe, sei die Verwirrung unter den Katholiken heute größer denn je.
Der Referent erwiderte, das Konzil habe sich eben nur mit Fragen auseinandergesetzt, welche die Menschen von heute bewegen – merkwürdig, denn gerade die Frage nach der Heilsnotwendigkeit der Kirche ist für den Katholiken von heute ja von ganz besonderer Dringlichkeit, da wir oftmals im eigenen Freundes- und Familienkreis tagtäglich mit Nichtkatholiken konfrontiert sind. Könnte es nicht vielmehr sein, dass das Konzil auf die klare Formulierung des Glaubenssatzes von der Heilsnotwendigkeit der Kirche nur deshalb verzichtet hat, weil die Antwort unbequem und in den Ohren des modernen Menschen intolerant erscheint…? Eine entsprechende Nachfrage wurde jedoch vom Moderator nicht zugelassen.
Stattdessen wurde Anton Löhmer von einem etwas aufgebrachten Dr. Batlogg zurechtgewiesen, seiner Zeit hätte ein Theologiestudent, für den er ihn offensichtlich hielt, die Texte des II. Vatikanums zur Gänze studieren müssen. Später kam man allerdings noch einmal ernsthafter auf den Beitrag zu sprechen und ein älterer Herr bemerkte, die Kirche befinde sich heute zweifellos in einer ernsten Krise. Prof. Wassilowski argumentierte, das Konzil wäre immerhin von allen Katholiken bis in den kleinsten Gemeindesaal diskutiert worden – eine erstmalige Sache. Ob es diese katholischen Laien im Glauben vorangebracht hat? Darüber wird geflissentlich geschwiegen.
Die erregte Diskussion gipfelte in der Aussage des Vorsitzenden der Karl-Rahner-Stiftung, die Quintessenz dieser Lecture sei hervorragend in dem Gedanken Rahners zusammengefasst: „Das Konzil als Anfang des Anfangs“. Die Anwesenden honorierten diese Worte, wiewohl auch die gesamte Vorlesung mit einem begeisterten Applaus.
Bei alledem wurde nicht ein einziges Mal hinterfragt, was in den Augen Gottes von diesem „Anfang“ zu halten sei. Diesem Anfang, der allzu leicht zu einem Anfang des Untergangs werden könnte.
Wer wollte auch solche naiven Fragen stellen…
Mehr infos unter www.antonloehmer.wordpress.com & www.dergeradeweg.wordpress.com