Der Bundesfinanzhof (BFH) will noch im laufenden Jahr die heftig umstrittene Rentenbesteuerung klären. Kläger werfen dem Staat eine „Doppelbesteuerung“ vor: Beiträge zur Rentenversicherung werden aus versteuertem Einkommen bezahlt – und spätere Rentenbezüge sind ebenfalls zu versteuern. Schon jetzt trifft das Millionen Ruheständler.
Wegen der Bedeutung der Angelegenheit werde es am BFH in München wohl eine mündliche Verhandlung geben, sagte ein Sprecher der „Süddeutschen Zeitung" („SZ") vom Freitag. Auf den Termin verzichten würde das höchste deutsche Finanzgericht nur, wenn der Kläger dem Termin unter Verweis auf das Steuergeheimnis widerspreche. Gegen die Rentenbesteuerung hat ein Ruheständler geklagt.
Derzeitige Steuerregelung seit dem Jahr 2005
Seit dem Jahr 2005 gilt die sogenannte nachgelagerte Rentenbesteuerung. Welcher Anteil der Rente besteuert wird, hängt vom Jahr des Rentenbeginns ab. Bei Rentnern, die 2005 oder vorher in Rente gegangen sind, sind 50 Prozent der Bezüge steuerpflichtig. Der steuerfreie Anteil der Rente schrumpft über die Jahre. Ab 2040 sollen dann die gesetzlichen Renten komplett besteuert werden.
Im Gegenzug können Arbeitnehmer im Laufe der Jahre immer höher steigende Anteile ihrer Zahlungen zur Altersvorsorge steuerlich absetzen. Das gleicht den zunehmenden Steueranteil der Rentenbezüge aber nicht aus.
Knapp fünf Millionen Rentner zahlen derzeit Steuern
In Deutschland gibt es aktuell rund 21 Millionen Rentner. Sie alle dürften am Ausgang des Verfahrens interessiert sein. Besonders relevant wäre ein Richterspruch für die knapp fünf Millionen Ruheständler, die bereits jetzt Steuern abführen müssen.
Der FOCUS Online Ratgeber beantwortet auf 135 Seiten alle wichtigen Fragen rund ums Thema Rente. Plus 65 Seiten Formulare.
Derzeit wird Einkommensteuer erst dann fällig, wenn die Gesamteinkünfte eines Rentners über dem Grundfreibetrag (9168 Euro/Verheiratete 18.336 Euro) liegen. Im Jahr 2019 galt das für rund 4,4 Millionen Ruheständler. Ihre Steuerzahlungen spülen dem deutschen Staat mehrere Dutzend Milliarden Euro in die Kassen.
Dabei wirkt ein doppelter Mechanismus: Nicht allein die Höhe der Rente ist entscheidend für die Steuerzahlung. Daneben spielt eine wichtige Rolle, wann ein Rentner in Ruhestand gegangen ist. Denn nach dem Jahr bemisst sich der Anteil an der Rente, der steuerpflichtig ist. Derzeit liegt der Satz bei 80 Prozent.
Lesen Sie auch: Altersvorsorge: Reicht mein Geld im Alter? Finden Sie es heraus
BFH-Richter hält aktuelle Regelung selbst für verfassungswidrig
Der BFH-Richter Egmont Kulosa hatte bereits im vergangenen Jahr die Ansicht vertreten, dass die Rentenbesteuerung verfassungswidrig sei, wie die „SZ" damals berichtet hatte. Die nachgelagerte Rentenbesteuerung führe zu einer Doppelbesteuerung, weil schon während des Erwerbslebens die Beitragszahlungen an die Rentenkasse steuerlich belastet würden, argumentierte demnach der Richter.
Auch interessant: Von 1 Euro bleiben nur 47,9 Cent: Erst seit 9. Juli verdienen wir fürs eigene Konto
Bundesfinanzminister bemisst Verfahren hohe Bedeutung zu
Das Bundesfinanzministerium ist dem Verfahren vor dem BMF (Az. X R 33/19) am 5. März als dritte Partei beigetreten, wie die „SZ“ weiter ausführt. Das erlaube Paragraf 122, Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung.
Mit seinem Schritt erhalte das Bundesfinanzministerium volle Akteneinsicht und könne sich in dem Verfahren selbst zu Wort melden.
Das sei für Experten ein Hinweis darauf, dass es sich um eine wichtige Angelegenheit mit großer finanzieller Tragweite handelt, berichtet die „SZ“ weiter.