Gastkommentar

Alle reden nur noch von Infektionszahlen – dabei galt es bei der Pandemie-Bewältigung ursprünglich, die Spitäler nicht zu überlasten

Die Corona-Massnahmen haben drastische Auswirkungen. Die Politik muss deshalb kommunizieren, welches die langfristige Strategie ist, wie sie sich geändert hat und auf welchen Annahmen sie aufbaut.

Wolfram Klingler 157 Kommentare
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Da war das Vertrauen in die Politik noch stärker: Bundesrat Alain Berset und sein früherer BAG-Mitarbeiter Daniel Koch im März dieses Jahres.

Da war das Vertrauen in die Politik noch stärker: Bundesrat Alain Berset und sein früherer BAG-Mitarbeiter Daniel Koch im März dieses Jahres.

Peter Klaunzer / KEYSTONE

Derzeit gehen die Wogen wegen neuer Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hoch, unlängst etwa mit der Ausweitung der Maskenpflicht. Dabei findet eine viel wichtigere Diskussion kaum statt: In Bezug auf die Politik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hat ohne öffentliche Diskussion ein Paradigmenwechsel stattgefunden, mit unabsehbaren Konsequenzen.

Ging es zuerst vor allem darum, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, steht jetzt die Minimierung der Anzahl von Neuinfektionen im Zentrum. Denn trotz vielen neuen Corona-Fällen gibt es keinerlei Überlastung des Gesundheitssystems, schwere Verläufe sind selten, die effektive Gesundheitsgefahr ist stark gesunken. Die Infektionszahlen stiegen in den letzten Wochen trotz den bisher ergriffenen Massnahmen weiter an, und dies wird sich vermutlich auch mit den neuen Massnahmen nicht ändern, was wiederum weitere Einschränkungen zur Folge haben wird.

Derzeit liegen wir in der Schweiz bei etwa 300 Neuinfektionen pro Tag, die Tendenz geht Richtung 400 und mehr. Gleichzeitig sind die Spitäler leer. Im August gab es in der Schweiz insgesamt 6887 Infektionen, 158 Hospitalisationen und 20 Todesfälle, das Durchschnittsalter der verstorbenen Personen insgesamt hat sich auf inzwischen 85 Jahre erhöht. Zudem ist weiterhin davon auszugehen, dass es eine hohe Dunkelziffer an Menschen gibt, die sich infiziert haben, aber keinerlei Symptome zeigen und sich deswegen auch nicht testen lassen. Verschiedene Studien zeigen derweil, dass vermutlich rund ein Drittel der Bevölkerung immun ist, aufgrund von früheren Infektionen mit anderen Coronaviren.

Hohe Kosten der Pandemie-Bewältigung

Die Kosten im Zusammenhang mit der Pandemie zeigen sich jetzt langsam, im Jahre 2020 ist die Wirtschaft um über 8 Prozent eingebrochen, es wurden je nach Schätzung zwischen 50 und 70 Milliarden Franken an neuen Schulden angehäuft, ganz zu schweigen von sonstigen wirtschaftlichen Schäden. Per Ende Juli gab es gegenüber dem Vorjahresmonat 51 292 mehr Arbeitslose, ein Plus von 52,6 Prozent. Das ist der vergleichsweise sanfte Anfang einer grossen Welle; sowohl die Anzahl Arbeitsloser als auch die Anzahl Konkurse wird massiv zunehmen.

Mit den bisherigen Massnahmen hat man die wirtschaftlichen Konsequenzen zwar abgemildert, aber wohl vor allem hinausgeschoben. Ein Ende ist nicht absehbar, wir werden schon in den nächsten Monaten erste Anzeichen davon zu spüren bekommen, wie hoch der tatsächliche wirtschaftliche Schaden ist. Das Erwachen wird böse sein. Die Pandemie wird uns dabei noch lange weiter begleiten, womöglich gerade wegen der jetzigen Politik, welche darauf abzielt, die Anzahl Infektionen so niedrig wie möglich zu halten.

Es ist angesichts der Schwere der Massnahmen nicht akzeptabel, dass seitens der Politik nicht kommuniziert wird, welches die langfristige Strategie ist, wie sie sich geändert hat und auf welchen Annahmen sie aufbaut. Gegenwärtig muss man davon ausgehen, dass Politiker und Behörden auf die Hoffnung setzen, dass es bald eine Impfung geben wird. Ohne diese Annahme ist die jetzige Strategie nicht nur nicht nachhaltig, sie wäre geradezu kopflos. Ob eine wirksame Impfung kommt, ist allerdings erstens ungewiss, und zweitens ist es noch ungewisser, ob diese Impfung mehr nützen als schaden wird. Hersteller von Impfungen wurden in den USA bereits vorsorglich von aller Haftung befreit – in anderen Märkten ist die Haftung kein grosses Problem, nur die USA kennen Strafzahlungen, die die Existenz eines Unternehmens bedrohen können. Im Klartext: Stellt sich heraus, dass eine Impfung schwere Nebenwirkungen hat, hat dies keine Haftung des Herstellers zur Folge. Welche Anreize entstehen dadurch? Impfungen werden unter Hochdruck entwickelt, sie werden beispielsweise vom Impfstoffhersteller Moderna trotz dem Auftreten von massiven Nebenwirkungen in den ersten Studien mit voller Geschwindigkeit weiter vorangetrieben. Das Thema Langzeitschäden ist völlig unabsehbar, Skepsis betreffend die Sicherheit dieser Impfungen ist mehr als angebracht und wird auch von vielen Wissenschaftern und Ärzten geteilt.

Korsett von Bestimmungen

Wie also sieht ein mögliches Worst-Case-Szenario aus, wenn die Behörden ihre Strategie im Hinblick auf die Pandemie beibehalten, also eine Durchseuchung um jeden Preis zu verhindern versuchen, auch wenn die gesundheitliche Gefahr deutlich abgenommen hat?

Ein solches Worst-Case-Szenario ist, dass wir über die nächsten drei bis fünf Jahre gezwungen sein werden, in einem Korsett von Bestimmungen zu leben, die unsere wirtschaftliche Lebensgrundlage nachhaltig zerstören und das Vertrauen in Staat und Politik untergraben. Das soziale Zusammenleben wird beeinträchtigt, eine ganze Generation von Kindern wird in ihrer Entwicklung gestört, und weil die Massnahmen menschlichen Grundbedürfnissen diametral zuwiderlaufen bei gleichzeitig gesunkener Gesundheitsgefahr, wird für die Durchsetzung immer mehr auf repressive und polizeistaatliche Methoden gesetzt werden müssen – Anfänge dazu sind bereits in einigen Kantonen zu sehen, die Ansage zur Durchsetzung der Maskenpflicht in Läden ist mehr als nur ein kleiner Schritt in diese Richtung. Unlängst hat der deutsche Ärztepräsident gefordert, dass die Polizei für die Durchsetzung von Quarantänemassnahmen eingesetzt wird.

Eine Impfung wird im Verlaufe des Jahres 2021 kommen. In einem Worst-Case-Szenario wird diese nur begrenzt effektiv sein und schwere Nebenwirkungen haben. Der Druck auf die Zulassungsbehörden wird riesig sein, wenn die Wette der Politik mit höchstem Einsatz nur bei einem schnellstmöglich verfügbaren Impfstoff aufgeht. Ein solcher Impfstoff soll laut Aussagen verschiedener Gesundheitsbehörden auch dann eingesetzt werden, wenn er nur in 70 Prozent der Fälle wirkt, eine Aufweichung der Kriterien für die Zulassung ist schon jetzt absehbar.

Die Impfskepsis wird zu Recht gross sein, es werden sich vermutlich bei weitem nicht genug Menschen impfen lassen wollen. Als Konsequenz wird ein Impfobligatorium eingeführt, das wiederum mittels zusätzlicher Repression und eines massiven Eingriffs in fundamentalste Grundrechte durchgesetzt wird. Menschen, die das Risiko des Impfstoffes und dasjenige der Corona-Pandemie anders einschätzen und mit dieser Einschätzung namhafte Experten auf ihrer Seite haben, wird letztlich eine fragwürdige Hochrisikopolitik aufgezwungen. Corona werden wir in diesem Szenario trotz Impfung aufgrund der schlechten Wirkung und dem Widerstand dagegen nicht los.

In diesem Szenario wird das Vertrauen in den Staat in der Folge massiv erodieren, es wird zu grossen Verwerfungen kommen, da vielen Menschen die wirtschaftliche Lebensgrundlage wegbricht, bei gleichzeitig eingeschränkten Grundrechten, zunehmend schikanösem behördlichem Aktionismus, durchgesetzt mit polizeistaatlicher Repression und keiner Aussicht auf Besserung. Das alles birgt grossen sozialen Zündstoff, Widerstand oder gar Unruhen wird im Namen der Gesundheit wohl mit noch mehr Repression und Einschränkungen der Grundrechte begegnet werden. Wenn wir solche oder ähnliche Szenarien verhindern wollen, müssen wir jetzt die Strategie in Bezug auf Corona zur Diskussion stellen.

Wolfram Klingler ist Unternehmer im Finanz- und Fintech-Bereich und publiziert regelmässig zum Zeitgeschehen.

157 Kommentare
D. Z.

Endlich wird dieses sehr wichtige Thema, der erfolgte Paradigmenwechsel von «Flatten the Curve» hin zu einer quasi «Vision Zero» bezüglich Neuinfektionen, angesprochen! Das Warten auf eine Impfung ist illusionär wie auch fatal, Herr Klingler beschreibt das absolut treffend. Und etliche Fachleute sagen dies schon lange, man müsste ihnen nur zuhören bzw. Einsitz in die Taskforce geben.

Karl Lukas

Ein Gastkommentar wie dieser wäre in der NZZ noch vor zwei Wochen nicht vorstellbar gewesen. Ich weiss nicht, was in der Redaktion diesen Kurswechsel ausgelöst hat (waren es vielleicht sogar unsere Leserkommentare?) jedenfalls begrüsse ich diese Entwicklung sehr.