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Markus Lanz: Deutscher Top-Virologe Streeck zerreißt Corona-Regel - „Überhaupt nicht sinnvoll“

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Der Bonner Virologe Hendrik Streeck war am Donnerstagabend zu Gast in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Er sprach unter anderem über die Corona-Maßnahmen der Politik.

Hamburg - Am Donnerstagabend, den 1. Oktober, war der Bonner Virologe Hendrick Streeck zu Gast in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Das Thema des Abends waren unter anderem die Corona-Maßnahmen der Politik. Moderator Markus Lanz hinterfragte diese kritisch und regte zur Diskussion mit den übrigen Gästen an. Diese waren die SPD-Politikerin und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig, der Publizist Michel Friedman, sowie Sozialpsychologe Harald Welzer.

„Markus Lanz“ (ZDF): Corona-Infektionszahlen laut Streeck nur bedingt aussagekräftig

Professor Hendrik Streeck, der seit 2019 Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Universität Bonn ist, ist bekannt dafür, die Corona-Lage in Deutschland entspannter zu sehen als viele seiner Kollegen. Bereits zu Beginn der Sendung wurde er von Lanz* auf die Corona-Ampel* angesprochen, die in Berlin zuletzt auf Rot umgesprungen war. Mit Blick auf die derzeit hohen Infektionszahlen in der Hauptstadt stellte er klar: „Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Städte 35 auf 100.000 Einwohner sehr bald haben werden, also dass die 7-Tage-Inzidenzwerte* ansteigen werden.“ Auch fr.de* berichtet über die Sendung.

Das liege allerdings in der Natur der Sache des Virus und nicht am Party-Volk in Berlin-Mitte. Weil nur ein kleiner Prozentsatz eine stationäre medizinische Versorgung benötige, seien die Infektionszahlen auch nur bedingt aussagekräftig. Laut Streeck müssten lediglich fünf Prozent aller Infizierten ins Krankenhaus.

Streeck: Derzeit normale Sterblichkeitsrate in Deutschland

Moderator Lanz griff diese Zahl auf und stellte sie als minimal dar. Er fragte nochmal nach: „Von 100 Prozent Infizierten brauchen nur fünf Prozent irgendwann eine ernsthafte medizinische Betreuung?“ Lanz sagte, er wundere sich über den „bedrohlichen Sound“ der öffentlichen Debatte. „Die zweite Welle*, es gibt schon Leute, die reden von der dritten Welle. Die Kanzlerin nennt die Zahl 19.200 mögliche Tagesinfektionen, wenn das so weitergeht“, resümierte der Moderator den Tenor der vergangenen Wochen. Der Gast, Michel Friedman, rechnete ihm daraufhin vor, dass diese Zahlen bei zehn Millionen Menschen eine halbe Million schwer Erkrankte bedeuten. „So gesehen ist das alles keine Fata Morgana“, stellte Friedman klar. Die Situation in anderen europäischen Ländern zeige, dass das kein theoretisches Szenario sei.

Streeck erklärte daraufhin, man habe in Deutschland derzeit eine normale Sterblichkeitsrate. „Bei der Hitzewelle 2018 hat man sehr viel deutlicher eine Übersterblichkeit gesehen, bei der Grippewelle 2017 hat man deutlich eine Übersterblichkeit gesehen“, berichtete der Virologe. Das sehe man im Moment nicht. Forscher aus Essen stellten kürzlich in einer Studie, nach Einberechnung der demografischen Faktoren, sogar weniger Tote als statistisch erwartet fest.

Virologe Streeck: „Auch wenn wir einen Impfstoff haben, wird das Coronavirus weiter bei uns sein“

Der Bonner Virologe betonte, er wolle das Coronavirus* nicht kleinreden, aber er stelle sich die Frage nach dem Ziel und nach einem Kompass. Streeck warf die Frage auf: „Wo wollen wir eigentlich hin?“ Die Hoffnung auf einen Impfstoff*, der die Lage grundlegend verrändert, dämpfte der Experte ebenfalls. „Auch wenn wir einen Impfstoff haben, wird das Virus weiter bei uns sein“, sagte Streeck. Er prognostizierte: „Das Coronavirus wird uns wahrscheinlich unser Leben lang begleiten.“

Die Gefahr eines exponentiellen Anstiegs der Infektionen sei für ihn ebenfalls ein Missverständnis. Die Menschen vermengten sich nicht wahllos in der Gesellschaft. Bei Infektionen in einem Freundeskreis würden sich schließlich auch nicht alle infizieren. Zudem seien auch Freundeskreise irgendwann endlich, und die Infektion gehe nicht nach außen. Dadurch gebe es ein natürliches Abflachen im Wachstum, erklärte der Virologe. Streeck betonte: „Exponentiell macht unheimlich Angst, wenn man das hört.“ Streeck äußerte sich auch zur Maskenpflicht an der frischen Luft, beispielsweise am Marienplatz in München. „Draußen eine Maske zu tragen, das halte ich virologisch überhaupt nicht für sinnvoll“, erklärte der Virologe.

„Markus Lanz“ (ZDF): Experten fordern pragmatische Lösungen und Eigenverantwortung

Des Weiteren sprach sich der Bonner Virologe für Lockerungen aus, sofern es gute Hygienekonzepte gebe. Man bräuchte diese bei Konzerten, Fußball und in der Reisebranche, um zu sehen, ob es funktionieren könne, sagte Streeck. Man gehe durch einen Lernprozess. Dabei sei es wichtig und richtig, dass man Fehler macht, erklärte der Experte. Die Politik müsse diese Fehler ermöglichen und pragmatische Lösungen finden. Zum Ende der Sendung* waren sich die Gäste einig: es gehe um die Eigenverantwortung der Menschen, nicht um Verbote. Der Kampf gegen Covid-19 sei ein Marathon, kein Sprint. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) spricht am 12. Oktober ab 17 Uhr bei der Munich Economic Debate in München über die Herausforderungen der Corona-Krise für die deutsche Gesundheitspolitik und wo sich das System noch verbessern muss. (ph) *Merkur.de und fr.de ist Teil des Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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