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Deutschland Asylsystem

Migrationsforscher fordern mehr Umsiedlung nach Europa

Politikredakteur
Wegen Corona – Griechenland riegelt Flüchtlingslager ab

Wegen der Corona-Krise riegelt Griechenland Auffanglager ab. Die Betreuung und öffentliche Dienstleistungen sind ausgesetzt. Experten warnen vor einer Katastrophe hinter den Drahtzäunen.

Quelle: WELT

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Der Sachverständigenrat Migration will stärkere legale Zuwanderung von Schutzbedürftigen über Aufnahmeprogramme – gerade um Familien und Kranken zu helfen. In der Corona-Krise sei es zudem nötig, dass Griechenland wieder Asylbewerber aus der Türkei einreisen lasse.

Mit vier Empfehlungen für die Asyl- und Migrationspolitik wendet sich der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration (SVR) an die europäischen Institutionen und die Bundesregierung.

Die für dieses Jahr geplante große Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems soll erstens weiterhin irreguläre Einreisen von Schutzsuchenden ermöglichen.

Zweitens solle sie eine solidarische Verteilung auf die Mitgliedstaaten enthalten. Die EU soll laut dem am Dienstag vorgestellten Papier „Schutzbedürftige aus Transitländern wie Libyen verstärkt direkt aufnehmen“.

Drittens fordern die Migrationsforscher, „reguläre Zuwanderungswege“ auszubauen; hierfür sollen das Umsiedlungsprogramm der Vereinten Nationen vorangebracht und mehr Möglichkeiten für Arbeitsmigration geschaffen werden.

Laut Einschätzung des Sachverständigenrats sollte die von der EU-Kommission angekündigte Reform „das territoriale Asylsystem verstärkt um alternative Schutzwege ergänzen“. Das „Resettlement und andere staatlich gesteuerte Aufnahmeprogramme“ böten nämlich zahlreiche Vorteile: Zunächst ermöglichten sie eine sichere sowie reguläre Einreise und verringerten die Wahrscheinlichkeit, dass sich Migranten auf gefährliche, irreguläre Routen begeben. „Diese stehen ohnehin oft nur denen offen, die physisch und finanziell dazu in der Lage sind, sie zu beschreiten.“ Dagegen könnten laut den Forschern „gerade Flüchtlinge mit dem größten Schutzbedarf – zum Beispiel Familien oder Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen – besser über Resettlement-Programme geschützt werden“.

Auf der Flucht – und jetzt kommt noch die Angst vor Corona hinzu: syrische Familien in Idlib
Auf der Flucht – und jetzt kommt noch die Angst vor Corona hinzu: syrische Familien in Idlib
Quelle: AFP

Zudem sei die gesteuerte Aufnahme von nicht europäischen Asylsuchenden für die Zielstaaten und -gemeinden in der EU über Umsiedlungskontingente „besser planbar“; sie trage dazu bei, Erstaufnahmestaaten in Krisenregionen zu entlasten. Bisher fliegen Deutschland und die übrigen EU-Staaten nur wenige Tausend Flüchtlinge jährlich legal ein, nehmen aber insgesamt mehr als eine halbe Million Asylbewerber auf. In den vergangenen Jahren reisten besonders viele Migranten über die Türkei ein; laut SVR sollte die EU in ihren neuen Verhandlungen mit Ankara unter anderem anbieten, mehr Flüchtlinge direkt von dort aufzunehmen.

Die vierte zentrale Forderung der Migrationsforscher: Die von Griechenland geschlossene Landgrenze zur Türkei solle bald wieder für Asylsuchende geöffnet werden. Außerdem solle „ein System für die Bearbeitung von Asylanträgen aufrechterhalten“ werden. In den überlasteten Migrantencamps auf den Ägäis-Inseln müsse die Situation „dringend entschärft werden“. Die Zustände dort seien in medizinischer Hinsicht „desaströs“; durch die Corona-Pandemie drohe „eine humanitäre Katastrophe“. Griechenland müsse „endlich die Vorgaben der Asylaufnahmerichtlinie der EU einhalten, Hilfe annehmen und unterstützt werden“ – durch Nahrungsmittel, Unterkünfte, technische Anlagen, Ärzteteams und sogar mithilfe des Katastrophenschutzes.

Die jüngsten Ereignisse in Griechenland verdeutlichten, wie dringlich die EU einen neuen Umgang mit Flucht und Migration finden müsse. Kurzfristig brauche es flexible Lösungen. „Die Flüchtlinge in den Camps auf den griechischen Inseln müssen dringend evakuiert werden“, sagte die Sachverständigenratsvorsitzende Petra Bendel. „Deutschland sollte sich im Rahmen einer ‚Koalition der Willigen‘ bereit erklären, mehr Schutzbedürftige aus Griechenland aufzunehmen, als es bisher schon zugesagt hat.“ Auch Griechenland stehe in der Pflicht.

„Kinder, Männer, Frauen sind krank – wir schlafen wie Tiere auf dem Boden“

Rund 1500 Migranten sitzen auf Inseln in der Ostägäis fest, allein 500 auf Lesbos. Sehen Sie hier das exklusive Video-Interview von WELT-Reporter Tim Röhn mit dem Flüchtling Niaz aus Afghanistan.

Quelle: WELT/Tim Röhn/Sebastian Struwe

„Asylbewerber, die sich auf griechischem Territorium befinden, systematisch zurück in die Türkei oder in die Herkunftsländer abzuschieben, ohne zuvor ihre Asylanträge zu prüfen, widerspricht dem Geist und dem Wortlaut der europäischen Asylrichtlinien“, sagte der stellvertretende Ratsvorsitzende Daniel Thym.

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Die EU müsse „endlich dafür sorgen, dass das europäische Asylrecht in der Praxis auch angewandt wird. Dazu gehören Asylanträge ebenso wie schnelle Verfahren, um zu entscheiden, wer bleiben darf und wer gehen muss.“ Deutschland solle seine EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte dafür nutzen, die Reform des Asylsystems voranzutreiben.

Der Sachverständigenrat betreibt mit seinem Forschungsbereich Politikberatung zu Migration und Integration. Er wird von der Volkswagen-, Mercator-, Bertelsmann-, Bosch- sowie weiteren großen Stiftungen finanziert.

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