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Interview mit Andreas Englisch: „Es steht 5:0 für den Papst“

Archivfoto: Riccardo Musacchio
Archivfoto: Riccardo Musacchio © -

Bad Orb - Jüngst gastierte Vatikan-Experte Andreas Englisch in Bad Orb. Im Interview verrät er, wie es um die „Leiden der Kurie“ bestellt ist, wo er den Brief des Papstes an das deutsche Volk einordnet und was er erwartet, wenn im kommenden März die vatikanische Bibliothek die Archive aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs öffnet.

Von Holger Heinemann

Frage: Herr Englisch, in der Weihnachtsbotschaft 2014 an die Kardinäle hat Papst Franziskus „15 Leiden der Kurie“ aufgelistet. Er warf der Kurie unter anderem vor, einige seien spirituell und geistig abgestumpft. Hat sich das gebessert? Andreas Englisch: Nein, es ist eher schlimmer geworden.

Frage: Wie sieht es aus mit dem „Streben nach weltlichen Profiten“ und der „Prahlerei“? Andreas Englisch: Auch schlimmer geworden.

Frage: Das „unkoordinierte Arbeiten“? Andreas Englisch: Das hat sich ein bisschen verbessert, weil der Papst die Kurie verschlankt hat.

Frage: Was ist mit den „geschlossenen Kreisen“, die er der Kurie vorwarf? Andreas Englisch: Immer schlimmer, weil sie sich gegen den Papst zusammenraufen.

Frage: Kommen wir noch zu dem Leiden der „aufgesetzten Trauerminen“. Andreas Englisch: Das ist geblieben. Es ist einfach unangenehm, da der Papst sagt: „Glaube muss Spaß machen.“

Frage:Sie sagten mal über Kardinal Jorge Bergoglio, er sei vor seinem Pontifikat auch eher mürrisch gewesen. Andreas Englisch: Das stimmt, aber er hat die Kurve gekriegt.

Frage: Bevor Sie Vatikanexperte wurden, haben Sie als Journalist über Fußball berichtet. Wie steht es Ihrer Ansicht nach im Spiel Papst Franziskus gegen seine Gegner, und wie lange ist noch zu spielen? Andreas Englisch: Ich hoffe, wir sind noch in der ersten Halbzeit und es steht 5:0 für den Papst. Aber die Kräfte seiner Mannschaft sind fast aufgebraucht, deshalb muss man um die zweite Halbzeit fürchten.

Sehen Sie unter den heutigen Kardinälen jemanden, dem Sie zutrauen, als nächster Pontifex den Weg von Papst Franziskus weiterzugehen?

Da gibt es einige. Ich glaube, der Hauptkandidat ist zurzeit der Erzbischof von Manila (Luis Antonio Tagle).

Frage: Hätte er auch eine Mehrheit? Andreas Englisch: Er hat gute Chancen.

Frage: Kommen wir zu deutschen Angelegenheiten. Waren Sie enttäuscht, dass der erste Brief nach rund 50 Jahren von einem Papst an das deutsche Volk inhaltlich so schwammig war? Andreas Englisch: Das war alles ganz anders als es in Deutschland aussah. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte sich zwischen Kardinal Marx und dem Kardinal von Köln, Herrn Woelki, eine Schlacht geliefert, und in diese haben sie den Papst reingezogen. Deswegen musste er diesen Brief schreiben. Er wollte beide Seiten austarieren. Aber in Wirklichkeit hätte er das nie gewollt und gesagt: „Macht in Deutschland, was ihr wollt, und fragt mich nicht!“

Frage: Also schätzen Sie es so ein, dass er zumindest nicht kategorisch dagegen ist, was in Deutschland passiert? Andreas Englisch: Auf keinen Fall! Er würde es eher unterstützen. Aber er muss es ausgewogen machen, weil er mit Marx und Woelki zwei Kardinäle hat, die sich ständig die Schädel einschlagen. Das ist eine Situation, die für den Papst äußerst unangenehm ist. Er würde sagen: „Zeigt mal Einigkeit, anstatt Euch ständig zu streiten!“

Frage: Es gab vor ein paar Wochen noch den zweiten Brief aus Rom. Dieses Mal von der Vatikanischen Bischofskongregation. Passt dieser Brief auch in dieses Bild? Andreas Englisch: Ja.

Frage: Am 2. März 2020 soll das Geheimarchiv der Vatikanischen Bibliothek aus der Zeit von Pius XII., sprich aus dem Zweiten Weltkrieg, geöffnet werden. Die Spannung ist groß. Erwarten Sie auch etwas Spektakuläres? Andreas Englisch: Ich glaube, dass es spektakulär wird, weil ich schätze, dass es zum ersten Mal zeigen wird, wer innerhalb der katholischen Kirche in Hitler eher eine Garantie gegen den Bolschewismus sah. Davon gab es eine ganze Menge.

Frage: Wie muss man sich die Mitarbeiter dieses Geheimarchivs eigentlich vorstellen? Werden die umlagert, um an geheime Informationen zu kommen? Andreas Englisch: Die wissen selbst nicht, was da drin steht. Da kommt keiner dran. Der Einzige, der es wissen könnte, wenn er es wollte, ist nur der Papst selbst.

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