Tina 13
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Das Kreuz Jesu Christi - Predigt von Professor May

Das Kreuz Jesu Christi

10.04.2020

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Seit das Kreuz auf Golgotha für den Erlöser und Retter der Menschheit aufgerichtet wurde, ist es zum Kennzeichen der Anhänger Jesu geworden. Unsere Religion ist die Kreuzesreligion. Eine andere kennen wir nicht. Wir wollen heute fragen, was das Kreuz ist und was es für uns bedeutet. Das Kreuz sind zunächst einmal zwei rechtswinklig miteinander verbundene Balken. Es war (neben anderer Verwendung) in alter Zeit gebräuchlich für die Hinrichtung von wirklichen oder angeblichen Missetätern. Unter sie wollte Jesus von Nazareth gezählt werden. An die genannten Balken waren die Hände und die Füße unseres Herrn und Heilandes angenagelt. Er ist nicht gestorben durch das Schwert, wie der Apostel Paulus, oder durch die Pfeile der Armbrust, wie der hl. Sebastian. Nein, er starb an einem gekreuzten Holze. Seitdem ist uns dieser Gegenstand verehrungswürdig. Die gekreuzten Balken erinnern uns an das schmerzhafte Sühneleiden unseres Herrn. Kaiser Konstantin verbot die Kreuzigung als Hinrichtungsstrafe. In Schlesien weiß man um die Verehrungswürdigkeit des Kreuzes auch ohne den Gekreuzigten. Dort singt das gläubige Volk: „Heiliges Kreuz, sei hochverehrt, hartes Ruhbett meines Herrn. Sei mit Mund und Herz verehrt, Kreuzstamm Christi meines Herrn.“ Das Kreuz wurde der Opferaltar für die Erlösung der Menschheit und damit das Zeichen des Sieges über Tod und Verdammnis. Ehe das Kreuz war, gab es noch keine Leiter zum Himmel. Nun aber ist die Leiter aufgerichtet, das Kreuz ist erhöht, der Eingang zum Himmel steht offen. Das Kreuz ist uns heilig, weil es gesalbt ist mit dem Blute des Heilandes, aber auch geweiht mit den Tränen seiner Mutter. Seht das Kreuzesholz, an dem gehangen das Heil der Welt. Kommt, lasst uns anbeten!

Erst recht und noch viel mehr ist der verehrungswürdig, der am Kreuze hängt. Wir wissen: Das ist unser Heiland Jesus Christus, der wahre Sohn Gottes, der uns geliebt hat und für uns gestorben ist, um uns und die ganze Menschheit von Schuld und Verdammnis zu retten. In Schlesien singt das gläubige Volk in der Verehrung des Gekreuzigten: „Herr, ich küsse deine Füße, deiner heiligen Hände Mal. Hast die Wunden ja empfunden auch für meiner Sünden Zahl.“ Das Bild des Gekreuzigten ist unser Gnadenbild, zu dem wir aufblicken, an das wir uns klammern, das wir endlos küssen können. Wenn du einen Ungläubigen fragen hörst: Du betest einen Gekreuzigten an? Dann werde nicht rot, schau nicht verlegen zu Boden; recke dich auf, schau ihm stolz ins Auge und sprich mit frohem Blick: Ja, ich bete ihn an. Die Kirche Christi ist die Kirche des Gekreuzigten.

Das Kreuz mit dem Bild des Gekreuzigten ist das Kennzeichen jedes katholischen Gotteshauses. Seit konstantinischer Zeit wurde das Kreuz die Grundrissform für den Kirchenbau. Im Inneren der Kirche wird das Kreuz auf dem Altar oder vor dem Altar aufgestellt. Es ist das Bekenntnis zu der Religion des Kreuzes. Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien dich; denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst. Wir tragen das Kreuz auch in unsere Wohnung und bekennen uns damit als Angehörige der Kreuzesreligion. Das tägliche Leben der Familie soll im Angesicht des Gekreuzigten verlaufen. Sein Segen soll über alle kommen, die da leben oder sich einfinden. Wir hängen das Kreuz in unsere Krankenzimmer, auf dass die Kranken es sehen und daraus Kraft schöpfen. Eine Ärztin äußerte sich abfällig darüber, dass in dem Krankenhaus, in dem sie beschäftigt war, in allen Zimmern ein Kreuz hängt. Das Kreuz in den Krankenzimmern ist berechtigt, ja es ist notwendig. Das Kreuz in den Krankenzimmern ist Erinnerung. Es hält wach, was der Herr für uns gelitten hat. „Wenn Gott seinen eigenen Sohn nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles (andere) schenken?“ (Röm 8,32). Das Kreuz in den Krankenzimmern ist Mahnung: Der Herr ist für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr sich leben, sondern für den, der für sie gestorben ist. Das Kreuz in den Krankenzimmern ist Zeichen der Hoffnung. Der da hängt, ist nicht im Tod verblieben. „Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben“ (Röm 6,8). Das Kreuz in den Krankenzimmern ist die Antwort auf die schmerzliche Frage nach dem Sinn des menschlichen Leidens. Es ist Teilnahme am Leiden des Messias. Vor Jahrzehnten schrieb Carl Sonnenschein, der Apostel Berlins: „Die katholische Religion, die einen gepeitschten Sklaven auf die Altäre stellt, diese Religion versteht etwas vom Leiden.“ Seitdem unser Herr und Heiland am Kreuze starb, ist das Kreuz auch zum Symbol für den Tod geworden. Todesanzeigen werden mit den beiden gekreuzten Balken ausgestattet. Wir richten das Kreuz auf über den Gräbern unserer Verstorbenen als Zeichen des Vertrauens und der Zuversicht für das ewige Leben und die Auferstehung des Leibes.

Die Kirche hat eine große Zahl von Segnungen eingeführt. In den Invokativsegnungen wird der Beistand Gottes über Personen erfleht. In den Konstitutivsegnungen wird über einen Gegenstand der Schutz Gottes herabgerufen und derselbe dem profanen Gebrauch entzogen. Jeder Segen, den die Kirche ihren Gliedern spendet, wird im Zeichen des Kreuzes erteilt. Alle Sakramente werden mit dem Kreuzzeichen vollzogen. Das Kreuz wird auf die Stirn des Täuflings gezeichnet; denn er wird in dem heiligen Geschehen der Taufe dem Gekreuzigten übereignet. Die heilige Firmung geschieht im Zeichen des Kreuzes. Im Messopfer macht der Priester dutzende Male das Zeichen des Kreuzes über die zu heiligenden und geheiligten Gaben. Die katholische Christenheit hat begriffen, dass wir das Heil aus den Wunden des Gekreuzigten schöpfen. So muss der Christ sein ganzes Leben und Wirken unter das Kreuz stellen. Der hl. Cyrill von Jerusalem fordert uns auf: Mach das Kreuzzeichen beim Essen und Trinken, wenn du dich zur Ruhe legst und wenn du aufstehest, mach es bei allen deinen Beschäftigungen! Denn das Kreuzzeichen ist das große Schutzmittel, das Zeichen der Gläubigen, der Schrecken der bösen Geister. Nichts ist den bösen Geistern furchtbarer als das Kreuz. Anna Katharina Emmerich schreibt von ihrer Kindheit: „Immer wenn ich das Kreuz auf die Stirn, Mund und Brust machte, da dachte ich: Das sind die Schlüssel, dass nichts Böses in Stirn, Mund und Herz hineinkommen soll.“ Vor der Seeschlacht von Lepanto machte der Befehlshaber Don Juan d’Austria groß das Kreuzzeichen. Die Offiziere taten es ihm nach. Die Mannschaft folgte dem Beispiel der Offiziere. Als die schottische Königin Maria Stuart zur Hinrichtung geführt wurde, hielt sie in der Hand ein Kreuz mit dem Heiland darauf, das sie immer wieder küsste. Der protestantische Offizier, der sie zum Schafott geleitete, verwies es ihr: „Madame, nicht in der Hand, im Herzen muss man Christus tragen.“ Die Königin erwiderte ernst: „Mylord, es ist gut, sein Bild in Händen zu haben, um ihn desto sicherer im Herzen zu tragen.“ Als bei der Olympiade 1936 in Berlin der amerikanische Läufer Metcalfe die Rennbahn betrat, machte er vor aller Augen zuerst ein großes Kreuzzeichen. Das Kreuz ist der Schrecken der bösen Geister. Die Angst der Muslime vor dem Kreuz ist so groß, dass in manchen mohammedanischen Ländern die Gestaltung der Fenster eines Hauses als Fensterkreuz verboten ist.
Der Kreuzestod Christi war ein Opfer. Er ward geopfert, auf dass er stellvertretend Sühne leiste für die Sünden der Menschen. Das Opfer Christi besteht in der freiwilligen Übernahme seines Leidenstodes und der Hingabe seines Lebens aus dem Liebesgehorsam gegen den Vater und in der Erlöserliebe zu den Menschen. Das Kreuzesopfer bildete den Abschluss all jener Opfer des Alten Bundes, die im Schatten des Neuen Bundes dargebracht worden waren. Jahrhunderte vor dem blutigen Geschehen auf Golgotha hat es der Prophet Zacharias angekündigt: „Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben.“ Nie gab es ein Opfer so hochheilig wie jenes, das der wahre Hohepriester Jesu auf dem Kreuzaltar durch die Hingabe seines Lebens dargebracht hat. „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, denn durch dein heiliges Opfer am Kreuz hast du die Welt erlöst.“ Die Botschaft von der Erlösung ist eine Botschaft der Liebe. Und alle Liebe, selbst die Liebe Gottes, ist eine wundentragende, eine kreuztragende, eine gekreuzigte Liebe. So hat keiner gehorcht und gedient, geliebt und gesiegt wie dieser große Opfernde. Jesus Christus hat, als wir Feinde Gottes waren (Röm 5,11), wegen der übermäßigen Liebe, mit der er uns liebte, durch sein heiliges Leiden am Holze des Kreuzes uns die Rechtfertigung verdient und Gott für uns Genugtuung geleistet (Konzil von Trient). O wunderbare Herablassung der Güte Gottes: den Knecht zu erlösen, gab er den Sohn dahin. Gott hat dem Opfer Christi Dauer verliehen durch die wunderbare Vergegenwärtigung dieses Opfers im Messopfer der katholischen Kirche. Die Opferbewegung Christi hat nicht aufgehört. Jetzt opfert sich der gleiche Christus durch den Dienst der Priester auf, der sich einst am Kreuze geopfert hat; nur die Weise des Opfers ist verschieden. Wem das Opfer auf Kalvaria teuer ist, dem muss auch das eucharistische Opfer des Altares teuer sein. Denn die Eucharistiefeier ist eine sakramentale Epiphanie von Golgotha (Schmaus).

Vor Jahrzehnten machte die „Bischöfin“ der Nordelbischen protestantischen Kirche Maria Jepsen den Vorschlag, das Kreuz durch die Krippe zu ersetzen; diese sei ein wesentlich positiveres Glaubenssymbol. Diesem Vorschlag kann nicht beigepflichtet werden. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist ohne Zweifel der erhabene Beginn seines Erlösungswerkes. Für uns Menschen ist er vom Himmel herabgestiegen. Die Menschwerdung Gottes ist gewiss der Beweis seiner unermesslichen Liebe zu den Menschen. In seinem Leben und Wirken hat Christus seine erlöserische Tätigkeit ausgeübt. Aber der Gipfel des erlöserischen Wirkens Christi ist das Opfer am Kreuze. Dass Gott starb, damit die Menschen leben, ist eine Tat, vor der alle Predigten und Wunder Jesu verblassen, ist ein Liebesbeweis, über den hinaus es keinen geben kann. Die erhabenste und glaubwürdigste Liebe ist die gekreuzigte Liebe. Man kann in einem richtigen Sinne sagen: Der Sohn Gottes ward geboren, um gekreuzigt zu werden. Maria hat einem Gekreuzigten das Leben geschenkt. Wir eilen zur Krippe, um den auf Erden erschienenen Gottessohn anzubeten; aber wir gehen zum Kreuz, um zu bekennen: Wir danken dir, Herr Jesus Christ, dass du für uns gestorben bist. Das Kreuz ist kein „negatives“ Glaubenssymbol. Das Kreuz ist das Zeichen des Triumphes der Liebe über den Hass, des Lebens über den Tod.

Pilatus hatte es auf seine Weise gutgemeint mit dem angeklagten Jesus von Nazareth. Er setzte wiederholt an, um ihn dem Hass der religiösen Führer der Juden und der fanatisierten Masse zu entreißen. Pilatus appellierte an ihr Mitleid. Deswegen zeigte er ihnen den gegeißelten und dornengekrönten Jesus. Es war vergeblich. Sie ließen sich nicht umstimmen und schrien nur noch lauter: „Hinweg! Hinweg! Ans Kreuz mit ihm!“ Pilatus knickte ein, als die Menge ihm unverhüllt mit Anzeige droht: „Wenn du diesen freilässt, bist du kein Freund des Kaisers.“ Die Geneigtheit des Kaisers mag er nicht verlieren. „Da übergab er ihnen Jesus zur Kreuzigung.“ Heute steht die Masse nicht mehr vor dem irdischen Jesus. Heute steht sie vor dem in seiner Kirche fortlebenden Christus. Und sie ruft wieder (wie es bei Johannes heißt): „Hinweg! Hinweg!“ Dieser Ruf gilt zuerst dem gekreuzigten Nazarener, der in leiblicher Gestalt ans Kreuz geheftet ist. Viele Menschen, auch viele einst christliche Menschen wollen nicht den Gekreuzigten als Führer und Lehrer. Ihre Vorbilder sind Leistungssportler im Fußball, im Tennis und im Autofahren. Sie ersetzen den hingerichteten Galiläer durch Buddha, Mohamed und die vielversprechenden Götter der Hindus. Im letzten Weltkrieg kam ein verwundeter Mann der Waffen-SS in ein katholisches Krankenhaus. An der Wand seines Zimmers hing ein Kreuz mit dem gekreuzigten Christus. Der Verwundete fing an zu schimpfen und zu toben: „Hängt den Kerl ab! Hängt den Kerl ab!“ Hinweg, hinweg mit ihm! Der Ruf gilt in zweiter Linie den Kreuzbalken, dem Holze, an dem der Nazarener hängt. Es erinnert an einen zum Tode Verurteilten. Das amüsiert und erheitert nicht. Das Kreuz stört das Vergnügen. Darum der Ruf: Heraus mit dem Kreuz aus den Amtsgebäuden. Heraus mit dem Kreuz aus den Gerichtssälen. Heraus mit dem Kreuz aus den Schulen. Hinweg auch mit den Kreuzen an der Straße und auf den Feldern. Die Masse vertraut auf die Düngemittel und die Erntemaschinen, nicht auf den Segen, der vom Kreuze kommt. An dritter Stelle steht das Kreuz für eine Lehre, für die christliche Lehre, für die christliche Religion, für die christliche Kirche. Auch ihr gilt der erbarmungslose Ruf: Hinweg, hinweg! Nicht nur das Zeichen unseres Heiles soll entfernt werden, sondern die gesamte Lehre des Gekreuzigten. Sie ist unbequem, anspruchsvoll, beschwerlich. Sie stört die Masse in ihren Vergnügungen. Wir antworten den Feinden des Kreuzes: Die Lehre (das Zeichen) des Kreuzes ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die zur Seligkeit bestimmt sind, ist es Gottes Kraft (1 Kor 1,18). Auf dem Glaubenssatz von Christi Kreuzestod ruht des Christen Glaube wie auf seinem Fundament. Für das Kreuz, für den Gekreuzigten, für die Kreuzesreligion kündigen wir jede Freundschaft. Schlagen wir jede Schlacht. Sei gegrüßt, heiliges Kreuz, unsere einzige Hoffnung!
Amen.

Predigt Professor May

Dr. Georg May, em. Professor für Kirchenrecht

Dr. Georg May, em. Professor für Kirchenrecht, kirchliche Rechtsgeschichte und Staatskirchenrecht, ist seit 1951 Priester. Kompromisslos in der reinen Lehre, und doch leicht verständlich, verkündet und erläutert er in seinen Predigten den katholischen Glauben. Sonntag für Sonntag fesselt er seine Zuhörer, die er in der Treue zum Glauben und in der Liebe zur Lehre der Kirche zu festigen versteht.

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www.glaubenswahrheit.org

Professor May (Album)

Predigt Professor May

Dr. Georg May, em. Professor für Kirchenrecht

Dr. Georg May, em. Professor für Kirchenrecht, kirchliche Rechtsgeschichte und Staatskirchenrecht, ist seit 1951 Priester. Kompromisslos in der reinen Lehre, und doch leicht verständlich, verkündet und erläutert er in seinen Predigten den katholischen Glauben. Sonntag für Sonntag fesselt er seine Zuhörer, die er in der Treue zum Glauben und in der Liebe zur Lehre der Kirche zu festigen versteht.

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