M.RAPHAEL
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Keine Gottesfurcht mehr

Die meisten Menschen verstehen die Bibel heute nicht mehr. Sie denken grundsätzlich vom Menschen und seiner weltlichen Vernunft her. Mit dieser interpretieren sie die Bibel und verpassen gerade dadurch das innerste Wesen der Liebesgeschichte Gottes mit Seinen Menschen. Gerne überlesen sie deshalb 1 Kor 1,18-31. Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt? Alle, die unablässig behaupten, dass der Glaube und die weltliche Vernunft vollständig übereinstimmen, müssen sich fragen lassen, wie rational die Kreuzigung ist? Kann diese Vernunft die Wunder, das Berufungsgeschehen, die Zungenrede, letztlich die unvorstellbare Kraft der Liebe erklären? Wie rational sind biblische Bücher wie Ijob, Ezechiel, Daniel oder die Offenbarung? Schreibt Gott nicht auch auf krummen Zeilen gerade? Allerdings ist die himmlische Vernunft niemals irrational. Sie ist die absolute Vernunft der Liebe. Dagegen gehorcht die irdische Vernunft der Macht. Sie ist grundsätzlich instrumentell und damit hoffnungslos begrenzt (siehe die Arbeit von Horkheimer und Adorno).

Die Menschen wollen sich nicht auf die „Unkontrollierbarkeit“ der Bibel einlassen. Zu sehr erahnen sie die Notwendigkeit der Demut, der vollkommenen Hingabe und der Übernahme von Leid im Sinne der Kreuzesnachfolge. Gott verlangt nichts weniger. Hochmütige Menschen können deshalb die Bibel „einfach“ nicht verstehen, obwohl sie vielleicht jedes ihrer Worte auswendig kennen und oft als viel intelligenter erscheinen als die Frommen, die sich vorbehaltlos und im vollständigen Vertrauen der Liebe Gottes ausliefern. Niemals wird die leidvermeidende Selbsterhöhung einen Zugang zur Mystik oder der Kontemplation finden.

Die schlimme Folge dieses Hochmuts ist, dass sie sich nicht vorstellen können, dass eines Tages ihre Optionen zu Ende gehen werden, dass sich die Tür zum Leben vor ihnen gnaden- und hoffnungslos schließen wird. Weil sie ihren umfassenden Erfolg und ihr Heil in sich selbst vermeinen, sind sie davon überzeugt, dass sie nicht nur Herren über ihr irdisches Leben, sondern auch darüber hinaus sind. Aus der mystischen und sakramentalen Kirche wird für sie nur noch eine gemeinschaftliche humanistische Institution.

Einige dieser Menschen, die Hingabe und Demut verabscheuen, werden versuchen, die Kirche in ihrem Sinn zu verändern. Sie wollen ihr Gewalt antun, sie aggressiv an sich reißen (vgl. Mt 11,12ff). Andere, eher ängstliche Konzilskleriker werden sich einbilden, dass sie immer noch glauben wie früher, aber eigentlich nur noch Frieden und Anerkennung durch ein „unbewusstes“ Vergessen aller schwierigen Aspekte der katholischen Lehre suchen.

Das ist das Problem der Kirche in der Moderne. Gott wird nur noch als liebevoller Erfüllungsgehilfe für die eigene Selbstverwirklichung verstanden. Auf keinen Fall darf er etwas fordern und dadurch fremdbestimmen. Für Gott tut man nichts mehr. Er aber muß alles für die Erfüllung der eigenen Wünsche tun. Aus der Kirche der Selbstaufopferung wird eine Kirche der gemeinschaftlichen Absegnung von Unzucht. Die Kirche soll endlich die Sünde absegnen.

Kein Konzilskleriker wird sich später auf Gutgläubigkeit herausreden können. Wer nicht „knallhart“ vor der Hölle warnt, wer Abtreibung und Unzucht nicht eindeutig verurteilt, wird selbst zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. Ez 3,16-27).

Gott ist nicht lieb. Er ist nicht modern. Ich liebe Ihn sehr (unbeschreibbar), aber genau deshalb fürchte ich Ihn.

Es folgen zwei Links zu Videos, die durchaus mit Gott zu tun haben. Die sagen mehr über Ihn aus, als jede moderne theologische Abhandlung.

Als erstes ein chassidischer Tanz (Natürlich behaupte ich nicht, dass sie aus katholischer Sicht gerettet werden):

youtube.com/watch?v=8P0hzAYtlj8

Das nächste Video braucht keinen Kommentar. Wer das in der Realität erlebt, ist schon tot. Vielen wird es bei ihrem Tod ebenso gehen. Sie werden wissen, dass sie schon tot sind, bevor sie es sind. Sie werden keine Möglichkeit mehr haben, es noch irgend jemand zu erzählen oder zu warnen. Die Lebenden werden weiter lachen und sich freuen, bis sie an der Reihe sind.

youtube.com/watch?v=Rk5Y2biSpog
Sin Is No Love
Die Vernunft der Liebe.
Sehr schön gesagt. Erinnert mich an Bert Hellingers Vernunft der Treue. Beides gibt es. Und auch das Man sieht nur mit dem Herzen gut von Antoine de Saint-Exupérys kleinem Prinzen geht in diese Richtung.
Solimões
Was soll mit der chassidischen Hochzeit gezeigt werden ? ein Meer schwarzer Hüte.
Solimões
Gut geschrieben. Das Geheimnis ist nicht oberflächlich, sondern fordernd, wie in der Messe Kreuzfindung 3.5. dargestellt.