«Der andere Blick»: Geht die Werteunion den Weg der AfD? (nzz.ch)

Thema der Woche: Nach Max Ottes Wahl müssen sich die Mitglieder der Werteunion entscheiden, ob sie den Weg in die Radikalisierung mitgehen

Max Otte, hier in einer Talkshow im Mai 2017.
Imago

3. Juni 2021
Der andere Blick von Hansjörg Friedrich Müller,
Korrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» in Berlin

Als sie noch in voller Blüte standen, waren die deutschen Volksparteien Integrationsmaschinen: Unter den Bannern von Christlichdemokraten, Christlichsozialen und Sozialdemokraten fanden Angehörige unterschiedlicher Milieus zusammen. Das politische Spektrum, das diese Parteien abdeckten, war entsprechend gross. Für die Demokratie erfüllten die Volksparteien eine wichtige Funktion, verhinderten sie doch in vielen Fällen, dass sich diejenigen, die an ihren Rändern standen, radikalisierten. So übten CDU, CSU und SPD auf manche ihrer Mitglieder eine disziplinierende Wirkung aus. Dies scheint heute immer weniger der Fall zu sein: Letztes Wochenende wählte die Werteunion, eine Vereinigung konservativer oder auch rechter CDU- und CSU-Mitglieder, den Ökonomen Max Otte zu ihrem neuen Vorsitzenden. Otte fiel unter anderem dadurch auf, dass er vor der Bundestagswahl 2017 ankündigte, für die AfD zu stimmen. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie ist er auf mehreren Kundgebungen der «Querdenker» aufgetreten, die vom deutschen Inlandgeheimdienst beobachtet werden. Bis zum Januar war Otte zudem Mitglied im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Laschet versucht, das Problem auszusitzen
Für den CDU-Chef Armin Laschet ist Ottes Wahl äusserst unangenehm. Dessen Stellvertreter Klaus Dageförde, der ebenfalls am Wochenende neu gewählt wurde, musste dieser Tage sogar einräumen, in den 1980er Jahren in der rechtsextremen Szene mitgemischt zu haben. Lebensläufe wie jenen Dagefördes kennt man für gewöhnlich eher von AfD-Mitgliedern. Laschet scheint das Problem vorerst aussitzen zu wollen: Wer Mitglied der Werteunion sei, organisiere sich «ausserhalb der CDU, wie man sich möglicherweise auch beim 1. FC Magdeburg oder sonst wo organisiert», sagte er nach Ottes Wahl. Die Werteunion habe mit der CDU nichts zu tun. Formell betrachtet hat Laschet recht: Anders als etwa die Junge Union, die Frauen-Union oder die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft wird die Werteunion von der CDU nicht als Parteiorganisation anerkannt. Laut eigenen Angaben hat die Werteunion 4000 Mitglieder; gemessen an 400 000 deutschen Christlichdemokraten und 140 000 bayrischen Christlichsozialen ist das nicht viel.

Radikalisierung in der Echokammer
Es ist auch gar nicht sicher, wie viele Mitglieder der Werteunion tatsächlich der CDU oder der CSU angehören. Einiges spräche dafür, Otte und seine Mitstreiter einfach zu ignorieren, nur steht diese Möglichkeit Laschet und der CDU nicht zu Gebote: Der politische Gegner wird von nun an bei jeder Wahnsinnsäusserung aus der Werteunion mit dem Finger auf die CDU zeigen, und man wird ihm dies gar nicht verübeln können, denn so sind nun einmal die Mechanismen des politischen Wettbewerbs. Politisch interessierte Bürger radikalisieren sich oft in Echokammern, in denen sektenähnliche Verhältnisse herrschen. Die AfD, die einmal von wirtschaftsliberalen Ökonomen gegründet wurde, heute aber in weiten Teilen rechtsradikal unterwegs ist, ist dafür das beste Beispiel. Dass CDU und CSU die Werteunion schnitten, begünstigte deren Marsch in die Schmuddelecke. Seit dem Aufkommen der AfD ist die Union sehr darauf bedacht, sich nach rechts abzugrenzen. Das ist grundsätzlich richtig, doch paradoxerweise hat sie damit einer Radikalisierung mancher ihrer Mitglieder Vorschub geleistet, nämlich indem sie zu wenig zwischen konservativen oder rechten Demokraten und rechten Radikalen differenzierte.

Eine zweite Chance für die Union
Womöglich ist Ottes Wahl für die Christlichdemokraten eine Chance, ebendies nachzuholen: Einige vom konservativen Flügel der Union distanzieren sich nun von der Werteunion, etwa der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maassen, der für die CDU in den Bundestag will, oder Alexander Mitsch, der vor Otte Chef der Vereinigung war. Beide haben angekündigt, ihre Mitgliedschaft vorerst ruhen zu lassen. So könnte die Wahl Max Ottes eine längst fällige Klärung einleiten, in deren Verlauf sich enttäuschte Konservative und Radikale, die ohnehin auf dem Weg zur AfD sind, voneinander trennen. Sollte sich die Werteunion weiter auf dem Otte-Kurs bewegen, wäre es klug, wenn CDU und CSU den Forderungen nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss nachkämen, der es ihren Mitgliedern verböte, gleichzeitig Mitglied der Werteunion zu sein. Die Union müsste aber auch signalisieren, dass Konservative, die von Angela Merkels Kanzlerschaft enttäuscht sind, in ihren Reihen weiterhin (oder wieder) willkommen sind. So viel Meinungsvielfalt sollte eine Volkspartei aushalten.

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Radikalisierung? Professor Otte kündigte eine Stimmabgabe für die AfD an und besitzt auch noch die Unverschämtheit, an regierungskritischen Kundgebungen aufzutreten? Macht also rücksichtslos von demokratischen Grundrechten Gebrauch, sehr verdächtig. Und Stiftungsmitglied war er auch noch – aber in der falschen und nicht wie Thüringens Verfassungsschutzchef bei der linksradikalen AAS. Ansonsten erfährt man nicht fiel, was den Begriff der Radikalisierung rechtfertigen könnte: die (geistig größtenteils noch in den Kohl-Jahren verbliebenen) betulichen WU-Mitglieder bilden weder Kampftrupps noch richten sie Waffenlager her. Das Gedankengut ist weitgehend identisch mit der bisherigen CDU-DNA, so what?

Auch wie eine „Wahnsinnsäusserung aus der Werteunion“ aussehen mag, behält der Autor für sich, bisherige Beispiele werden bezeichnenderweise nicht aufgeführt (allerdings fallen einem innerparteiliche Anwürfe gegen die WU in Masse ein, „Krebsgeschwür“ etc.). Auch auf eine Erläuterung des Zusammenhanges besagter „Echokammern, in denen sektenähnliche Verhältnisse herrschen“ mit der WU wartet der Leser vergeblich, ebenso läßt ihn der Ausdruck „Radikalisierung mancher ihrer Mitglieder“ ratlos zurück.
Stelzer
Werteunion !!! der sinnloseste unnötige Verein, trägt alles seit Jahrzehnten mit, macht ab und an Talks und Versammlungen und wird dermaßen eindeutig von Frau Merkel verachtet. Man kann sich nur wundern wie sich doch intelligente Menschen dämlich verhalten können und irgendwas muß am Masochismus schön sein