Elista
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Ein Kirchenbrand, dessen Flammen bis in die Politik reichen

Die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul in Nantes: Der Brand konnte vergleichsweise schnell unter Kontrolle gebracht werden.
(Foto: AP)

Nach Notre-Dame brennt wieder eine Kathedrale in Frankreich. Die Aufregung im Land ist groß. Es geht um Vandalismus, anti-christliche Verbrechen - und das Befinden der Republik.
Von Nadia Pantel, Paris

Der Präsident höchstpersönlich stellte den Zusammenhang her. "Nach Notre-Dame steht die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul im Herzen von Nantes in Flammen", schrieb Emmanuel Macron am Samstagvormittag auf Twitter und es klang ein wenig, als gäbe es eine Verbindung zwischen den beiden Bränden, die darüber hinausgeht, dass es sich um zwei (teils) gotische Gotteshäuser handelt.

Einerseits sind das Feuer, das im April 2019 den Dachstuhl von Frankreichs wichtigster Kathedrale, Notre-Dame de Paris, zerstörte und der Brand von Nantes schwer vergleichbar. Als Notre-Dame brannte, war lange nicht klar, ob die alten Mauern halten würden, oder ob Feuer und Löschwasser ihnen zu stark zugesetzt hatten. In Nantes war an diesem Samstag innerhalb von drei Stunden klar, dass zwar die große Orgel zerstört wurde, die Gesamtheit des Gebäudes jedoch nicht bedroht war. In Paris gilt ein Unfall im Zusammenhang mit Renovierungsarbeiten als Ursache des Feuers. In Nantes wird wegen des Verdachts auf Brandstiftung ermittelt, in der Kathedrale wurden am frühen Samstagmorgen an drei verschiedenen Stellen Flammen bemerkt.
Andererseits lösen die Bilder aus Nantes und die Bilder aus Notre-Dame ähnliche Assoziationen aus. Zunächst einmal sind da die Gefühle der Anwohner, aber auch die der Besucher aus der ganzen Welt. Die Kathedrale von Nantes ist kein so großer Magnet wie Notre-Dame, doch auch hier sammelten sich Gläubige ebenso wie Touristen. Saint-Pierre-et-Saint-Paul überragt ebenso wie Notre-Dame alle umliegenden Häuser und wirkt wie ein vertrauter Anker in der Stadt. So waren es zunächst schlicht Trauer und Erschrecken, mit denen auf der Straße und in den sozialen Netzwerken auf den Brand reagiert wurde. Stundenlang sendeten die Fernsehsender Live-Bilder vom Vorplatz der Kathedrale und zeigten, wie Hunderte Feuerwehrleute den Brand eindämmten und wie aus Flammen Rauch wurde.

Vandalismus in Kirchen ist ein großes Thema
Doch schnell wurde diese direkte Anteilnahme politisch. Macron reagierte auf Twitter, der Premierminister Jean Castex reiste gemeinsam mit Innenminister Gérald Darmanin und Kulturministerin Roselyne Bachelot-Narquin wenige Stunden nach Ausbruch des Feuers nach Nantes. Eine brennende Kathedrale: In Frankreich wird daraus schnell eine Frage nach dem Befinden der Republik. Zwar verliert die katholische Kirche Jahr um Jahr mehr Mitglieder, Anfang der Achtzigerjahre bezeichneten sich noch 70 Prozent der Bevölkerung als katholisch, heute gehen die optimistischsten Befragungen von 48 Prozent aus. Doch die große Mehrheit der Franzosen ist mit christlichen Feiertagen, mit allgegenwärtigen Kirchen in jeder Stadt und mit religiöser Erziehung aufgewachsen. In der Nacht, als Notre-Dame brannte, sammelten sich nicht nur Schaulustige, in den Straßen entlang der Sicherheitsabsperrung wurde gebetet und gesungen. Über Stunden wurde die Stadt zu einer großen Freiluftmesse. In den zahllosen Talkshows am Tag nach der Katastrophe konnte man zusehen, wie Frankreich sich selbst überrascht hatte. War und ist die Republik, die so streng auf Trennung von Staat und Kirche pocht, religiöser, als sie selbst glaubte? Sicher, Notre-Dame ist kein rein christlicher Ort, sondern tatsächlich, wie Macron es im Namen der Franzosen formulierte, "ein Teil von uns", unabhängig von der Religion. Und doch: Wenn ein Geräusch bleibt von dieser Brandnacht, dann sind es nicht die Sirenen der Feuerwehr, sondern dann ist es das Ave Maria, das bis in die Morgenstunden von Tausenden gesungen wurde.
Dass der Brand von Nantes am Samstag Frankreichs Debatten dominierte, liegt auch daran, dass die Flammen nicht auf einen Unfall, sondern auf bösen Willen zurückzuführen sein könnten. Bereits vor dem Brand von Notre-Dame war Vandalismus in Kirchen zu einem großen Thema geworden. Im Februar 2019, zwei Monate vor dem Feuer, waren innerhalb einer Woche fünf wichtige Kirchen des Landes beschädigt worden. Der damalige Premierminister Édouard Philippe äußerte sich schockiert, Mitglieder der konservativen Republikaner forderten eine parlamentarische Untersuchung zu anti-christlichen Verbrechen, und als schließlich aus Notre-Dame die Flammen schlugen, glaubten viele sofort an einen Anschlag. Nach wie vor werden in den sozialen Netzwerken "Beweise" geteilt, die das Ergebnis der Ermittlungen widerlegen sollen: Schuld am Brand sei kein Unfall, sondern Brandstiftung.

Tatsächlich zählte das Innenministerium 2018 mehr als 1000 anti-christliche Verbrechen, dabei handelt es sich in erster Linie um Vandalismus und Diebstähle in Kirchen und auf Friedhöfen. Die Zahl dieser Verbrechen wird seit 2008 erfasst, seitdem hat sie sich verdreifacht. Die Täter handeln nur äußerst selten aus ideologischen Gründen oder aus Überzeugung. Meist sind es Jugendliche, oft ist Alkohol im Spiel. Steht doch eine Überzeugung hinter der Gewalt gegen die Kirche, kommt diese meist aus dem extremen linken oder dem extremen rechten Umfeld. Das Innenministerium zählte 2018 30 satanistisch motivierte Angriffe auf Kirchen, 15 anarchistisch motivierte und sieben an Wände geschmierte Hakenkreuze. Synagogen und Moscheen werden deutlich häufiger angegriffen als katholische Kirchen (2018 kam es zu Zerstörungen in neun Prozent der Synagogen, in 4,5 Prozent der Moscheen und in zwei Prozent der Kirchen). Mit dem Blick auf die Gesamtzahl der Straftaten ist die katholische Kirche jedoch mit Abstand am stärksten betroffen, was sich aus der schieren Anzahl an Gotteshäusern erklärt. 45 000 Kirchen stehen in Frankreich, laut Innenministerium werden jeden Tag zwei von ihnen gewaltsam beschädigt. Auch deshalb, weil viele der Kirchen renovierungsbedürftig, kaum besucht und nicht geschützt sind. Selbst die nach dem Brand mit Spenden überhäufte Kathedrale Notre-Dame de Paris hatte ein Sicherheitsproblem: Am Wachpersonal war gespart worden.

Durch ein vorheriges Unglück gerettet
Die Kathedrale von Nantes wurde am Samstag letztlich durch ein vorheriges Unglück gerettet. Der hölzerne Dachstuhl war bereits 1972 komplett niedergebrannt. Damals hatte ein Bauarbeiter versehentlich ein Feuer ausgelöst. Es dauerte 13 Jahre, bis in der Kirche wieder Gottesdienste abgehalten werden konnten. Der zerstörte Dachstuhl wurde nicht originalgetreu wiederhergestellt, sondern durch Beton ersetzt. Der Brand am Samstag wurde auch deshalb vergleichsweise schnell unter Kontrolle gebracht, da in der Kathedrale, anders als in Notre-Dame, kein jahrhundertealtes Holz mehr übrig war, dass hätte Feuer fangen können.

www.sueddeutsche.de
Katholik25
@Mk 16,16 find ich auch. Sogar Moscheen haben Videokameras
Tina 13
😭😭😭😭
Mk 16,16
Solche Kathedralen müßten doch wenigstens mit Videokameras gesichert werden wenn man schon zu geizig ist um für Wachpersonal zu bezahlen.
Sunamis 49
die augen gottes sind überall
Johannes Chrysostomus
Die Kirche Saint-Nicolas-du-Chardonnet der Piusbruderschaft in Paris ist videoüberwacht. Habe ich selbst gesehen.