Copertino
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Prälat Dr. Robert Mäder (1875-1945): "Die Religion muss ein Herz haben!" Der Juni ist der Monat des Herzens. Und zwar des Herzens eines Menschen, der Gott ist. Weil Gott die Liebe ist (1. Joh. 4,16),…Mehr
Prälat Dr. Robert Mäder (1875-1945): "Die Religion muss ein Herz haben!"

Der Juni ist der Monat des Herzens. Und zwar des Herzens eines Menschen, der Gott ist. Weil Gott die Liebe ist (1. Joh. 4,16), ist Jesus die menschgewordene Liebe. Das grosse Unglück der Menschheit ist ihre Vergesslichkeit gegenüber dieser tröstlichsten aller Wahrheiten. Der Herz-Jesu-Monat predigt kein neues Evangelium. Er verkündet nur das Uralte und Ewige der Frohbotschaft Gottes in der anschaulichen und eindringlichen Sprache des Symbols. Die Sprache des Herzens ist nach dem Turmbau von Babel die einzige Sprache, die die Menschen aller Rassen und Völker ohne weiteres verstehen. Die christliche Beredsamkeit kann nichts Wichtigeres und Erfolgreicheres tun, als diese Sprache zu sprechen und zu lehren.

Die moderne Naturwissenschaft hat uns als Heilmittel gegen die aus der Erkenntnis von Millionen von Tatsachen hervorgehende Zersplitterung und Spezialisierung der Erkenntnis geschenkt, dass es im grossen Weltall nur ein Gesetz und nur eine Kraft gibt. Immer mehr erkennen wir, dass dieselben Naturgesetze überall walten in der Welt des unendlichen Grossen. Das gilt auch in der moralischen Welt. Alle Gesetze der sittlichen Ordnung, im Einzelwesen und in der Gesellschaft, in Kirche und Staat, können zurückgeführt werden auf das Gesetz der Anziehung oder der Liebe.

Es gibt auch ein Gesetz der Abstossung oder des Hasses in der moralischen Welt. Aber dieses Gesetz ist ein fremdes, erst nach dem Sündenfall der Engel und der Menschen in die Schöpfung hineingetragenes Gesetz. Das Gesetz der Hölle im Gegensatz zum Gesetz des Himmels, das Gesetz des Teufels im Gegensatz zum Gesetz der Gottheit.

Das Gesetz der Gottheit ist das Gesetz der Liebe. Deus caritas est. Gott ist die Liebe. Innergöttlich die Liebe des Vaters zum Sohn und die Liebe des Sohnes zum Vater im Hl. Geiste. Nach aussen die Liebe der Erschaffung und Erhaltung, die Liebe der Erlösung und die Liebe der Heiligung. Der Vater ist Liebe. Der Sohn ist Liebe. Der Hl. Geist ist Liebe. wir reden heute von Jesus. Wenn man Jesus in seiner göttlichen Liebe zu seiner Erde und zu seinen Brüdern und Schwestern, den Menschen, kennen lernen will, dann muss man das erste Kapitel vom Evangelium nach St. Johannes lesen. Hört:

"Alles ist durch Ihn geworden. Und nichts von dem, was geworden ist, ward ohne Ihn. In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen . . . Und das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in diese Welt. Er war in dieser Welt. Denn die Welt ist durch Ihn gemacht. Er kam in sein Eigentum. Allen, die Ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden. Allen denen, die an seinen Namen glauben. Er ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine herrliche Gestalt gesehen. Herrlich, wie die des Eingeborenen vom Vater. Voll Gnade und Wahrheit."

Was beweist das alles? Jesus caritas est. Jesus der Gottessohn und Menschensohn ist die Liebe. aus Liebe schuf er die Erde. aus Liebe schuf er den Menschen. aus Liebe wurde er einer von uns. Aus Liebe machte er aus uns etwas von Ihm. Menschlicher Bruder von uns geworden, wurden wir göttliche Brüder von Ihm, durch Ihn. Einem jeden von uns lief er nach. Dem Kranken. Dem Verirrten. Dem Kind. Und gab sein Leben hin für uns. Und wohnte in Hunderttausenden unserer Tabernakel. Und wurde uns eucharistische Speise. Jesus caritas est! Jesus ist die Liebe.

Daraus folgt: die Religion Jesu Christi ist die Religion der Liebe. Die Moral Jesu Christi ist die Moral der Liebe. Die Liebe ist das einzige Gesetz des Christentums. Die Kirche ist Liebe. "Der Katholizismus", sagt Donoso Cortés, "ist Liebe, weil Gott Liebe ist. Nur der, der liebt, ist katholisch. Nur der, der katholisch ist, versteht wahrhaft zu lieben, weil nur der, der katholisch ist, seine Wissenschaft an den übernatürlichen und göttlichen Quellen schöpft . . ."

Donos Cortés bemerkt dazu: "Wer das nicht weiss, oder wer es vergessen hat, - die Liebe als Beweggrund allen göttlichen Wirkens, der weiss überhaupt nichts von dem übernatürlichen und verborgenen Beweggrund aller natürlichen Ereignisse. Er weiss nichts von der unsichtbaren Ursache alles Unsichtbaren. Er weiss nichts vom Band, welches das Zeitliche an das Ewige knüpft. Weiss nichts von der geheimnisvollen Triebfeder der Regungen der Seele und vom Wirken der Hl. Geistes im Menschen. Weiss schliesslich nichts vom Walten der Vorsehung in der Gesellschaft und vom Schaffen Gottes in der Geschichte." Die Weltgeschichte und das Weltgeschehen ist christozentrisch, und darum fühlt man sich bei allem immer wieder, wenn man etwas von Geschichte versteht, den Pulsschlag des göttlichen Herzens Jesus. Jesus Caritas est. Christus der König hat ein Herz.

Wir haben das Christentum von der Gottessschau aus betrachtet. Wir haben gesehen: Unser Gott ist ein Gott, der ein Herz hat. Es genügt aber nicht, dass wir wissen, was Religion für Gott ist. Wir müssen auch wissen, was Religion und Christentum für den Menschen sein soll. Wenn Gott die Liebe ist und Jesus der Gott mit dem Herzen, dann kann und darf auch der Mensch nichts anderes sein als ein Wesen, das eine Seele und einen Leib und im Leib ein Herz hat. Ein Wesen, das denkt und will und liebt.

Die Liebe ist Lebensnotwendigkeit. Und zwar in doppeltem Sinn. Der Mensch muss naturnotwendig sich selber lieben, weil der Mensch naturnotwendig glücklich werden will. Das ist das Eine. Die andere Lebensnotwendigkeit besteht darin, dass der Mensch naturnotwendig etwas oder jemanden ausser sich lieben muss. Es gibt niemanden, der nicht liebt. Wer nichts und niemanden lieben könnte, wäre ein unglücklicher Mensch. Soweit geht das Naturgesetz. Sache der Sinne, der Vernunft und des Glaubens ist es dann, dem Menschen das vor Augen zu führen, was der Liebe wert ist. Die Sinne und die Vernunft können sich dabei täuschen. Tatsächlich ist die Liebe der meisten blinde und betrogene und darum unglückliche Liebe.

Hier setzt der Glaube ein. Der Glaube sagt dem Menschen: Du hast ein Herz. Du musst lieben. Liebe darum das, was liebenswürdig ist. Liebe das, was unvergänglich ist. Liebe das, was unendlich vollkommen, gut und schön ist. Liebe den, der mit der Liebe unaussprechlicher Zuneigung auf dich schaut. Liebe Gott, der dir Vater und Bruder und Freund sein will. Liebe ihn mit deinem ganzen Herzen. Liebe ihn mit deiner ganzen Seele. Liebe ihn aus allen deinen Kräften. Du kannst. Du darfst. Du sollst. Fast möchte ich sagen: du musst. Es ist dein Hauptgebot. Das Geschöpf muss den Schöpfer, der Diener den Herrn, das Kind den Vater, den Bruder den Bruder lieben. Die Liebe muss gelebt werden. Das Christentum, die Religion der Liebe Gottes zu den Menschen, muss auch die Religion der Liebe der Menschen zu Gott werden.

Hier liegt das Geheimnis unserer Stärke, aber auch das Geheimnis unserer Schwäche. Das moderne Christentum ist dekadent und degeneriert geworden, weil sein Herz degeneriert geworden ist. Wir sehen überall im Christentum nur harte Gesetze. wir lieben Jesus nicht mehr von ganzem Herzen. Die Temperatur der Religion ist gesunken. Wir müssen beten!

Quelle: Auszug aus einer Kleinschriftenreihe mit Texten von Robert Mäder: Katholisch Nr. 4: "Herz Jesu", erschienen im Robert Mäder Sekretariat, Berikon/CH (vergriffen)

Bild: Prälat Dr. Robert Mäder um 1930, vermutlich beim Besuch des Rigi-Klösterlis im Aufstieg zur Rigi. (Foto: Josef Haefely-Glutz)
Ursula Wegmann
Das Gesetz der Gottheit ist das Gesetz der Liebe.
Donos Cortés bemerkt dazu: "Wer das nicht weiss, oder wer es vergessen hat, - die Liebe als Beweggrund allen göttlichen Wirkens, der weiss überhaupt nichts von dem übernatürlichen und verborgenen Beweggrund aller natürlichen Ereignisse.
Hannes Eisen
Copertino
@Hans Eisen Danke für den Link. Dort sind sogar noch weitere Textausschnitte Mäders zur Herz-Jesu-Thematik zu finden.