Prof. Georg May: "Die wirklich guten Menschen nennt die Kirche Heilige"

"Die katholische Kirche zählt viele gute Menschen. Wir nennen sie die Heiligen. Durch Übung der Tugend und gottgefälligen Lebenswandel haben sie eine den Menschen mögliche übernatürliche Angleichung an die Heiligkeit Gottes erreicht: Freiheit von der schweren Sünde, gepaart mit Lauterkeit des sittlichen Lebens, Gleichung zwischen dem Willen und dem göttlichen Sittengesetz, Liebe zu Gott und zu den Menschen. Die Heiligen sind Menschen, denen die kirchliche Autorität unfehlbar bescheinigt, dass sie heroische Tugenden erworben und ausgeübt haben und dass sie das Ziel, nämlich die ewige Seligkeit, erlangt haben. Neben den kanonischen Heiligen gibt es eine unabsehbare Schar guter Menschen in unserer Kirche. Mit Entschiedenheit und Ernst suchen sie Gottes Willen nachzuleben, richten sich in der Öffentlichkeit und im privaten Leben nach den Lehren und Weisungen der Kirche, sie prüfen ihr Gewissen, sie bereuen ihre Verfehlungen, sie bekennen ihre Schuld. Denken Sie, um nur ein Beispiel zu erwähnen, an so lautere Persönlichkeiten wie den großen Symphoniker Anton Bruckner oder an den französischen Außenminister Robert Schuman. Beides heiligmäßige Menschen; dem letzteren hat es sogar Adenauer bescheinigt: „Des is en heiligmäßig Mann“, hat er gesagt. Robert Schuman.
Wie steht es nun um die getrennten Christen, unsere "evangelischen Brüder"?
Die Weltanschauung der evangelischen Christen unterscheidet sich wesentlich von der katholischen. Nach Luther ist die menschliche Wesenheit durch die Erbsünde total verdorben. Der Mensch ist unfähig zum Guten. Nur die Fähigkeit zum Bösen ist ihm geblieben. Die Vernunft hat ihre religiöse Befähigung, der Wille seine sittliche Freiheit völlig eingebüßt. Der Mensch ist und bleibt im Guten gänzlich passiv. Das ist die Lehre Martin Luthers. Er fügt hinzu: die Gebote Gottes, die Forderungen Gottes sind unerfüllbar. Sie dienen nur dazu, dem Menschen seine Unfähigkeit zum Guten vor Augen zu halten. Die Gesetze klagen den Menschen an, den schwachen, sündhaften Menschen. Sie sollen ihn zu Christus hintreiben und dort soll er dann durch Glauben, durch Vertrauensglauben gerechtfertigt werden. Aber diese Rechtfertigung ist nach lutherischer Ansicht nur eine Zudeckung der Sünden, keine Heiligung, nur eine Zudeckung der Sünden, eine forensische Rechtfertigung. Die Sünden sind also nach wie vor vorhanden. Der Gerechtfertigte ist nach Luther nicht innerlich geheiligt, sondern die Sünde ist bloß durch äußerliche Anrechnung der Verdienste Christi zugedeckt.
Seit Luther gibt es auch die Lehre von den Zwei Reichen, dem Reiche Gottes zur rechten und zur linken Hand. Im Reich Gottes zur Rechten herrscht Christus durch Wort und Sakrament. In diesem Reiche gilt das Gebot Christi, wird Gnade und Vergebung geübt, tut der Christ Gutes in freier Spontaneität, regiert Christus durch das Evangelium. Im Reich zur Linken dagegen herrscht nicht Christus, sondern die Staatsgewalt mit Gesetz und Strafe. Hier gilt nicht Gottes Offenbarung.
Ich wiederhole: Hier gilt nicht Gottes Offenbarung, sondern eine Ordnung der Vernunft, wie sie der Staat für angemessen hält. Zu diesem Reiche gehört nicht nur der Staat, auch die Ehe, die Familie, die Wirtschaft. Durch diese Lehre, meine lieben Freunde, wird der Zwiespalt in das Leben und in den Menschen hineingebracht. Was in der Kirche unzulässig ist, das ist im Staate möglich. Ein Beispiel: In der Kirche dürfen Unterschiede der Rasse nicht gelten. Der Staat kann sehr wohl eine Rassengesetzgebung erlassen. Deswegen haben viele, sehr viele Protestanten die Ausgrenzung und Vertreibung der Juden gebilligt. Es sind protestantische Autoren, welche die ‚Zwei-Reiche-Lehre‘ für die Ahnenreihe Luther – Bismarck – Hitler – verantwortlich machen. Die Lehre ist natürlich grundsätzlich verfehlt. Christus ist der Herr aller Welt. Es darf kein Bereich des Lebens aus seiner Herrschaft ausgenommen werden. Die protestantische Ethik unterscheidet sich stark von der katholischen Sittenlehre.
Die Protestanten mögen dieselben Gebote wie wir haben, aber sie legen sie anders aus. Der fundamentale Unterschied zwischen katholischer Moral und protestantischer Ethik ist in Folgendem gelegen: Die sittlichen Gebote werden im Protestantismus zumeist nicht als objektive Normen der Vernunft, sondern als subjektive Forderungen des Gefühls angesehen. Das subjektive Element, also die Motivierung, wird so stark betont, dass das Gesetz mit seinem Inhalt in den Hintergrund tritt. Das Wesen der sittlichen Handlung wird ausschließlich oder überwiegend in die Gesinnung verlegt. Dadurch wird der sittliche Charakter der Handlung abgeschwächt oder völlig verkannt. Aus Gesetzen, die immer verbindlich sind, werden Regeln, die Ausnahmen zulassen. Ja, die Gebote werden vielfach als ideale Forderungen behandelt. Man soll sich nach ihnen richten, aber man muss es nicht. Es gibt nach katholischer Lehre Handlungen, die innerlich böse sind, die also nie, unter keinen Umständen und bei keiner Motivierung, gut werden. Zum Beispiel der Ehebruch – ist immer und ohne Ausnahme nach katholischem Gesetz verboten. Nach protestantischer Ansicht können Handlungen, die an sich verboten sind, zulässig werden.
Denken Sie an unseren jetzigen Bundespräsidenten. Er ist evangelischer Pfarrer. Er lebt getrennt von der ihm angetrauten Frau. Er lebt in freier Gemeinschaft mit einer anderen Frau. Nach katholischen Grundsätzen würde man sein Verhalten als ‚Dauerdelikt des Ehebruchs‘ bezeichnen. Ich bin überzeugt, dass Herr Gauck seine Verbindung guten Gewissens aufrecht erhält. Die protestantische Ethik gestattet ihm das. Auch nach protestantischer Ansicht soll man sich nicht scheiden lassen. Aber wenn es erforderlich ist, kann man es doch, darf man es, ja man muss es unter Umständen. Ich habe das bei protestantischen Autoren nachgelesen. Ich mache Ihnen nichts vor, meine lieben Freunde. Denken Sie an die vielen evangelischen Pfarrer, die geschieden und wiederverheiratet sind.
Man soll, auch nach protestantischer Ethik, keine Abtreibung vornehmen. Aber wenn es Gründe dafür gibt, darf man es doch. Die Synode der evangelischen Kirche in Deutschland, das oberste Verfassungsorgan der evangelischen Christen in Deutschland, hat erklärt, man könne sich auch schuldig machen, wenn man eine Abtreibung verweigert. Ich habe mich nicht versprochen: Man könne sich auch schuldig machen, wenn man eine Abtreibung nicht vornimmt.
Wer sich von der Kirche Christi löst, ist nach allen Erfahrungen der Geschichte nicht imstande, Gottes Gesetz zu bewahren. Sogleich nach der Abwendung von der Kirche setzen Bestrebungen ein, das Sittengesetz zu modeln, zu verbilligen, zu erleichtern.
Im Protestantismus wird offen zugegeben, dass das Sittengesetz wandelbar sei und dass die protestantischen Religionsverbände diese Wandlung vornehmen. Das jüngste Beispiel ist die Unbedenklichkeitserklärung homosexueller Betätigung.
Selbstverständlich gibt es im Protestantismus viele Menschen, die Gutes tun und sicher auch gute Menschen. Sie versuchen, das, was sie im Unterricht und in der Erziehung an sittlichen Weisungen empfangen haben, in ihrem Leben umzusetzen. Ich denke etwa an einen Mann, den ich auch verehre: An Friedrich Bodelschwingh. Das war ein solcher guter Mensch. Ihm starben innerhalb von vierzehn Tagen vier Kinder. Er beugte sich unter die Hand Gottes und fühlte sich zum Dienst an der Barmherzigkeit berufen. Er richtete Anstalten für Epileptiker und Gemütskranke ein. Er nahm sich der Brüder von der Landstraße an. Sie kennen alle die Anstalten in Bethel bei Bielefeld. Bodelschwingh nahm auch den kränksten Menschen auf. Und er nahm ihn ernst. Er gab auch dem verachtetsten Menschen die Ehre des Bruders. Bodelschwingh war, wenn ich so sagen kann, ein evangelischer "Heiliger".
Aber wie steht es um den Gründer dieser Religion namens Martin Luther, der die Päpste als Statthalter des Teufels, Feinde Gottes, Widersacher Christi, Mörder der Könige und Hurenböcke bezeichnete? Er empfahl, dem Papst und den Kardinälen die Zunge hinten am Halse herauszureißen und sie an den Galgen anzunageln. Ich kann nicht finden, dass ein Mann, der solches von sich gibt, ein guter Mensch gewesen ist.
Man darf nicht anerkannte Größe mit Güte verwechseln. Wir wurden ja als Kinder in der Schule in der Verehrung Bismarcks erzogen. Er wurde uns als ein großer und genialer Mann vorgestellt. In unzähligen Gemeinden gibt es Bismarckplätze und Bismarckstraßen und Bismarcktürme. War Bismarck ein guter Mensch? In seiner Jugend war er ungläubig und unmoralisch. Später nahm er eine bescheidene, religiöse Praxis wieder auf. Am Gottesdienst nahm er höchst selten teil. Im ‚Kulturkampf‘ stritt er nicht nur gegen die katholische Kirche, sondern auch gegen das Christentum, und das haben evangelische Christen ihm vorgehalten. Die Arbeiterschaft verstand er nicht. Den Arbeitern stand er verständnislos gegenüber. Seine Politik war von Rücksichtlosigkeit und Verschlagenheit geprägt. Er erklärte einmal: „Für die Liebe habe ich meine Frau; für den Hass, den Windthorst“, den Führer der katholischen Partei. Für den Hass den Windthorst, den Führer der katholischen Partei. Kann ein solcher Mann ein guter Mensch gewesen sein?
Angeblich große Theologen sind noch lange nicht gute Menschen. Ein früherer Pfarrer hat an das Altarbild der Budenheimer Kirche Martin Luther King malen lassen, der zweite von links. Martin Luther King thront in unserer Kirche auf dem Altarbild, neben der Mutter Teresa und dem heiligen Maximilian Kolbe. War Martin Luther King ein guter Mensch? Er war ein Plagiator, das heißt, er hat von anderen abgeschrieben, ohne die Herkunft seiner Quelle anzugeben. Er war ein offenkundiger Ehebrecher. Kann man sagen, er sei ein guter Mensch gewesen?
In dem katholischen ‚Lexikon für Theologie und Kirche‘ ist ein Artikel dem evangelischen Theologen Paul Tillich gewidmet, ein angeblich großer Gelehrter, ja der führende protestantische Theologe Amerikas. Die Wahrheit sieht anders aus. Paul Tillich war ein von Sexualität Besessener. Er, der Theologieprofessor. Seine Frau beschreibt ihn als unersättlichen Schürzenjäger. Seine eigene Frau. Er sammelte heimlich Pornos und gab sich ganz dem Trieb hin. Kann ein solcher Theologe ein guter Mensch gewesen sein?
Wer ist ein guter Mensch, meine lieben Freunde? Woher bezieht man die Erkenntnis, was gut ist? Welches ist der Maßstab, wonach geurteilt wird, was gut ist? Wir können nur sagen, wir wissen aus Gottes Offenbarung, was gut ist und wer ein guter Mensch ist. Lassen wir uns nicht irre machen. Lassen Sie uns vielmehr, meine lieben Freunde, danach streben, Gutes zu tun und gut zu sein. Befleißigen wir uns des Guten nicht nur vor Gott, sondern auch vor den Menschen. Machen wir unsere Berufung gewiss durch gute Werke. Der dritte Brief des Apostels Johannes umfasst nur wenige Zeilen. Aber darin steht das Zeugnis: „Wer Gutes tut, der ist aus Gott.“
Volltext: www.glaubenswahrheit.org/…/20120701