Joe Biden liess zu, dass sein Sohn Hunter in der ukrainischen Gasfirma Burisma ein Aufsichtsratsmandat annahm. (Bild: D. Acker / Bloomberg)

Joe Biden liess zu, dass sein Sohn Hunter in der ukrainischen Gasfirma Burisma ein Aufsichtsratsmandat annahm. (Bild: D. Acker / Bloomberg)

Am Bild der Bidens in der Ukraine-Affäre werden weitere Kratzer sichtbar

Die Rolle der Familie Biden in der Ukraine ist undurchsichtig. Die Firma, in der ein Sohn des früheren amerikanischen Vizepräsidenten im Aufsichtsrat sass, war tiefer in Strafuntersuchungen verwickelt, als bisher berichtet wurde.

Peter Winkler, Washington
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Die Ukraine-Affäre hat von Anfang an nicht nur ein schlechtes Licht auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump geworfen. Auch der demokratische Präsidentschaftsbewerber und frühere Vizepräsident Joe Biden sah in der Sache alles andere als gut aus, was schon 2015 zu kritischen Berichten geführt hatte. Schliesslich hatte Vater Biden 2014 zugelassen, dass sein Sohn Hunter in der grossen ukrainischen Gasfirma Burisma ein fürstlich bezahltes Aufsichtsratsmandat annahm, während er die Ukraine-Politik für die Regierung Obama verantwortete. Besser könnte man einen Interessenkonflikt kaum definieren.

Mehr als nur die Optik

Die Optik ist das eine; aber das Bild, das neuere Berichte von der Rolle der Bidens in der Ukraine zeichnen, geht über «schlechtes Aussehen» hinaus. Kernstück ist die Frage, ob die ukrainische Staatsanwaltschaft 2016 ihre Untersuchungen in Bezug auf die Firma Burisma bereits hatte einschlafen lassen oder ob sie erst mit der Entlassung des Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin abgewürgt wurde. Diese Entlassung, so brüstete sich Joe Biden später, war entscheidend mit seiner Drohung durchgesetzt worden, die dringend benötigte Kreditgarantie für eine Milliarde Dollar zugunsten der Ukraine zu blockieren.

In den Darstellungen aus jener Zeit sind meist folgende Elemente enthalten: Schokin war bekanntermassen korrupt, Burisma konnte trotz einer zwielichtigen Vergangenheit nichts vorgeworfen werden, weshalb die Untersuchungen lange vor Bidens Ultimatum eingeschlafen waren. Folglich konnte Schokins Entlassung im Frühling 2016 auch nichts mit Burisma zu tun gehabt haben.

Doch dem war offensichtlich nicht so. Mehrere Berichte sowohl in linken als auch rechten Medien legen nahe, dass Schokins Justizbehörde die Firma Burisma und deren Besitzer Mykola Slotschewski damals keineswegs aus den Augen verloren hatte. Im Gegenteil: Wie eine Meldung der Nachrichtenagentur Interfax vom 2. Februar 2016 beweist, liess Schokin an jenem Tag vier Immobilien und einen Rolls-Royce Slotschewskis beschlagnahmen.

Die übliche Korruption

Die Aktion war gerichtlich gedeckt und betraf den Vorwurf der illegalen Bereicherung. Slotschewski war unter den Präsidenten Kutschma und Janukowitsch Energieminister gewesen und hatte, so lauteten die Vorwürfe, Unternehmen in seinem Besitz Lizenzen zugeschanzt. Solche Praktiken waren in den postsowjetischen Ländern damals gang und gäbe.

Das heisst nicht, dass Schokin nicht korrupt gewesen wäre. Doch Bidens Erpressungsmanöver erfolgte ausgerechnet in einer Zeit, in der das Unternehmen mit seinem Sohn im Aufsichtsrat in Problemen steckte. Wie aus kürzlich freigegebenen Dokumenten auch ersichtlich wird, waren sich die zuständigen Stellen im Washingtoner Aussenministerium durchaus bewusst, dass Biden junior und ein amerikanischer Geschäftspartner von ihm im Burisma-Aufsichtsrat sassen.

E-Mails aus dem State Department, die sich der Journalist John Solomon mittels einer Klage beschaffte, legen nahe, dass Vertreter einer amerikanischen Lobbyfirma im Sold von Burisma in jener Zeit Kontakt mit Washington suchten, um die Korruptionsvorwürfe gegen Burisma zu erörtern – im Klartext: um das Image der Firma aufzupolieren. In den Botschaften, die in diesem Zusammenhang ausgetauscht wurden, wurde die Rede auch auf zwei «wichtige Amerikaner» gebracht, die mit der Firma verbandelt seien.

Die Kampagne der amerikanischen Regierung gegen den damaligen Generalstaatsanwalt hatte bereits früher begonnen, im Herbst 2015. Zuerst hatte der amerikanische Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, dann seine Vorgesetzte im Aussenministerium, Victoria Nuland, und schliesslich auch Biden selber während eines Besuchs in der Ukraine den Finger auf Schokins Rolle in der mangelhaften Korruptionsbekämpfung gelegt.

Plötzliche Hektik

In einer Rekapitulation der Kontakte Bidens mit Vertretern der ukrainischen Regierung kommt der Aktivist Williams Bowles zum Schluss, dass diese Kontakte im Februar 2016 plötzlich sehr intensiv wurden, während in Kiew ein eigentliches Schmierentheater um die Entlassung Schokins begann. Aus der Wissenschaft ist bekannt, dass Korrelation (Zusammenhang) nicht mit Kausalität (Ursache) verwechselt werden darf. Aber die Häufung der Kontakte Bidens, falls sie sich als zutreffend herausstellen sollte, in einem kritischen Zeitraum für Burisma ist augenfällig und verdiente mehr Aufmerksamkeit.

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