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Klima-Engineering: Grünes Licht für Tests von "Aerosol-Injektionen" in die Atmosphäre

Weltweit kämpfen Regierungen um selbstgesteckte Klimaziele. Wissenschaftler der US-Universität Harvard wollen zugleich durch "stratosphärische Aerosol-Injektionen" irdische Temperaturen senken. Das Projekt wird auch vom Microsoft-Gründer Bill Gates gefördert und startet im Juni in Schweden einen Testballon.
Klima-Engineering: Grünes Licht für Tests von "Aerosol-Injektionen" in die AtmosphäreQuelle: AFP © Alex Ogle

Für den einen oder anderen mag es klingen wie das Drehbuch eines dystopischen Science-Fiction-Films: Ein milliardenschwerer Software-Mogul stellt sich an die Spitze einer Schar von "Philanthropen", um die Geschicke der Menschheit in die eigenen Hände zu nehmen. Diesmal treiben sie die Entwicklung einer Technologie zur künstlichen Abschwächung der Sonneneinstrahlung voran. So soll das bisher durch die Atmosphäre dringende Sonnenlicht abgeschwächt auf die Erde treffen und dadurch dem Anstieg der globalen Temperaturen Einhalt geboten werden.

Geo-Engineering für das Klima

Doch wie so oft übertrifft auch in diesem Fall die Realität schon längst die Fantasie von Drehbuchautoren. Stratospheric Controlled Perturbation Experiment (SCoPEx) nennt sich das entsprechende und von Wissenschaftlern der Harvard University ins Leben gerufene Projekt. Dort widmet man sich der Vision, durch das Versprühen u. a. von sonnenlichtreflektierendem Kalziumkarbonat-(CaCO3)-Aerosol in die Erdatmosphäre die globale Erwärmung zu verlangsamen und deren Auswirkungen zu kompensieren.

SCoPEx sei ein Experiment im Rahmen einer "Art des Geoengineering, die als Solar Radiation Management (SRM) bekannt ist". Die SRM-Techniken zielten darauf ab, das "Sonnenlicht zu blockieren oder zu reflektieren, bevor es die Erdatmosphäre erreicht, was hypothetisch den globalen Temperaturanstieg verlangsamen würde".

"SCoPEx zielt darauf ab, eine Form von SRM zu entwickeln, die als stratosphärische Aerosol-Injektion bekannt ist."

Getragen wird dieser Eingriff in das globale Klimasystem von Ideen an der US-amerikanischen Harvard-Universität und ihrem Solar Geoengineering Research Program. Diese werden wiederum finanziert durch Microsoft-Gründer Bill Gates (offensichtlich nicht im Rahmen der Bill & Melinda Gates Stiftung), mehrere Risikokapitalanleger, diverse Hedgefonds-Größen, einen ehemaligen Vizepräsidenten des US-Technologiekonzerns Google, Stiftungen und Organisationen wie Reflective Earth und ein außenpolitisches Harvard-Forschungszentrum mit Verbindungen zum US-Militär.

Skeptiker befürchten unkalkulierbare Folgen

Die weitverbreitete Forschung zum solaren Geo-Engineering ist seit dem Aufkommen dieser Ideen umstritten. Kritiker befürchten, dass derlei Eingriffe in hochkomplexe natürliche Abläufe mit unvorhersehbaren Risiken einhergehen, wobei unkalkulierbare und potentiell extreme Veränderungen der globalen Wettermuster lediglich zu den offensichtlichsten zählen – so etwa einer Erwärmung der unteren tropischen Stratosphäre. Umweltschützer argumentieren, dass bei SCoPEx die Symptome, aber nicht die Ursachen der Erderwärmung in Form von Verbrauchs- und Produktionsstrukturen im Vordergrund stünden.

Befürworter des Geo-Engineerings verweisen auf die globale Abkühlung durch Vulkanausbrüche. So führte etwa die Freisetzung enormer Mengen von Schwefelasche durch den Ausbruch des Mount Tambora in Indonesien im Jahr 1815 zum sogenannten "Jahr ohne Sommer". Durch den Ausbruch des Mount Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991 wurde die globale Durchschnittstemperatur für einige Monate um 0,5 Grad Celsius gesenkt.

Derweil bemüht sich David Keith, Professor für angewandte Physik an der Harvard University, die "sehr vielen realen Bedenken" der Skeptiker zu zerstreuen. Es sei zutreffend, dass niemand wisse, was passiere, wenn CaCO3 in der Stratosphäre freigesetzt wird. Daher, so die Schlussfolgerung, müsse genau dies untersucht werden, um etwa festzustellen, ob die Ozonschicht tatsächlich Schaden nehmen könne, so Keith und andere SCoPEx-Wissenschaftler in einer Studie.

"Weitere Forschungen zu dieser und ähnlichen Methoden könnten zu einer Verringerung der Risiken und einer verbesserten Wirksamkeit von solaren Geo-Engineering-Methoden führen."

Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass ihre Forschung einen entscheidenden Beitrag zur Erfüllung der Klimaziele leisten könne.

"Die Kombination aus Emissionssenkungen und solarem Geo-Engineering könnte die Klimarisiken auf eine Weise reduzieren, die durch Emissionssenkungen allein nicht erreicht werden kann."

Auf diese Weise könnte dazu beigetragen werden, die "in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Marke" zu halten. Die entsprechende Forschung sei jedoch in der Tat "mit vielen Risiken verbunden".

In Schweden beginnt praktische Testphase

Und nun geht es einen entscheidenden Schritt weiter in Richtung eines ersten Reality-Checks. In der Nähe der schwedischen Stadt Kiruna soll im Juni ein propellerbetriebener Ballon mit 600 Kilogramm wissenschaftlicher Ausrüstung in etwa 20 Kilometer Höhe aufsteigen. Geleitet wird das Vorhaben vor Ort von der Schwedischen Raumfahrtgesellschaft. Nach offiziellen Angaben sei es jedoch noch nicht vorgesehen, Aerosole freizusetzen:

"Der Start wird keine stratosphärischen Aerosole freisetzen. Vielmehr dient er als Test, um den Ballon zu manövrieren und die Kommunikations- und Steuerungssysteme zu prüfen."

Bei Erfolg könnte dies jedoch ein Schritt in Richtung einer "zweiten Versuchsstufe sein, die eine kleine Menge CaCO3-Staub in die Atmosphäre freisetzen würde". Sobald eine sichere experimentelle Menge an CaCO3 freigesetzt worden sei, solle der Ballon anhand von integrierten Sensoren und Messgeräten die Reaktionen der Atmosphäre erfassen.

Zu diesem Zweck werde dann "eine kleine Menge Aerosol (weniger als ein Kilogramm) in etwa 20 Kilometern Höhe injiziert", so Frank Keutsch, Atmosphärenchemiker und Leiter des SCoPEx-Projekts. Die dadurch entstehende Wolke werde etwa einen Kilometer lang sein und einen Durchmesser von einigen hundert Metern besitzen.

"Der angetriebene Ballon wird dann durch die [Aerosol-] Wolke zurückgeflogen, um die zeitliche Entwicklung der aus der Wolke resultierenden Beeinflussung zu messen und zu untersuchen, wie sich das Aerosol in der Wolke entwickelt."

Es geht also um die Suche nach der optimalen Mischung, dem optimalen Aerosol, um die Erdatmosphäre zu "impfen" und die Gefahr potentieller Kollateralschäden zu minimieren. Keutsch ist überzeugt, dass im Falle des Erfolgs die fragile Chemie der Stratosphäre nicht unmittelbar beeinflusst würde.

"Es würde lediglich die maximale Sonneneinstrahlung abhalten und damit den Planeten abkühlen."

Profite und Klimarettung zum Schnäppchenpreis

Und die Profite der Projekt-Geldgeber maximieren, ist zumindest der Geoengineering Monitor überzeugt, denn die politischen Effekte des Projekts lägen auf der Hand. Weltweit befinden sich die Regierungen im Kampf um die Klimaziele. Damit hätten die Geo-Ingenieure gute Argumente für weitere und größere Experimente zur Hand. Allerdings handele es sich "dabei nicht um objektive Wissenschaftler, sondern um Unternehmer, die von Risikokapitalanlegern unterstützt werden, die märchenhaft reich werden könnten, wenn sich die Regierungen in Zukunft für ein SRM-Projekt entscheiden sollten".

Diese Entscheidung könnte auch durch einen attraktiven, weil günstigen Preis beeinflusst werden. Nach Angaben des Weltklimarats könnte das SCoPEx-Verfahren zu einer Senkung der globalen Temperaturen um 1,5 Grad Celsius beitragen – und das für nicht mehr als ein bis zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Derweil verweist David Keith auf das enorme Potenzial des vorangetriebenen Projekts:

"Es gibt ein echtes Potenzial, vielleicht ein erhebliches Potenzial, um die Risiken des Klimawandels in diesem Jahrhundert zu reduzieren – und zwar um einiges."

Keith ist kein Unbekannter, wenn es um entsprechende Experimente geht. Im Jahr 2012 planten Keith und Harvard-Ingenieur James Anderson das erste Outdoor-Experiment im Bereich des Solar Geo-Engineering. Geplant war die Freisetzung von Partikeln über einem Gebiet des US-Bundesstaats New Mexiko. Das Ziel der beiden Wissenschaftler war es zu beobachten, wie sich die Freisetzung von Sulfat in der Stratosphäre auf die Chemie der Ozonschicht auswirken würde.

Doch das Timing war ungünstig, denn kurz vorher war nach internationalen Protesten ein Feldversuch eines von der britischen Regierung finanzierten Projekts abgesagt worden. Es handelte sich um das sogenannte SPICE-Projekt (Stratospheric Particle Injection for Climate Engineering). Dazu erklärte Keith:

"Diejenigen, die gegen solche Experimente sind, werden es als Sieg ansehen und versuchen, auch andere Experimente zu stoppen."

Doch nachdem Keiths eigenes Projekt an die Öffentlichkeit gedrungen war, musste auch dieses eingestellt werden. Anfang des Jahres 2017 war er dann Mitinitiator des Solar Geo-Engineering Research Program an der Harvard University. Dort verfügt man jetzt über ein "externes Beratungsgremium", um Bedenken von Wissenschaftlern und Umweltschützern zu überprüfen.

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