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Wo wollen diese Hirten hin?

Äußerungen deutscher Bischöfe auf dem Synodalen Weg werfen Fragen auf. Kurienkardinal Paul-Josef Cordes gibt einen Überblick.
Bischof Bätzings Schweigen irritiert.
Foto: dpa | Geweihte Hirten machen anscheinend die im Volk Gottes kursierenden religiösen Vorstellungen zu kognitiven Orten für christlichen Glauben und Leben.

Am 25. September 2018 stellte der Präsidenten der Bischofskonferenzen Kardinal Marx die von deutschen Universitäts-Instituten erstellte Untersuchung zum Pädophilie-Skandal in der katholischen Kirche Deutschlands vor (= „MDG-Studie“). Ihr Verständnisrahmen bleibt den Autoren gemäß innerweltlich-empirisch und schließt Glaubensaspekte aus. Solche Perspektive, die unsere Kirche auf deren äußerliches Erscheinungsbild in der Gesellschaft reduziert, markiert offenbar bis heute die Sicht vieler ihrer geweihten Hirten, wenn sie Wege zur Erneuerung der angeschlagenen Glaubensgemeinschaft suchen.

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Bischöfliche  Vorstöße:

  • Für Bischof Neymeyr gibt es „eine große Ungeduld und Unverständnis“ unter Frauen über ihre Rolle in der Kirche (17.5.2019). – „Die Diskussion (sc. von Frauen zum Weiheamt) ist durch ein Papier (sc. von Papst Johannes Paul II.) nicht zu ersticken“ (Erzbischof Heße, 20.08.2020). – „Im Gottesvolk werden die Argumente für das ,Nein‘ zur Frauenordination vielfach nicht mehr angenommen“ (Bischof Bätzing, 28. 5. 2020).  

  • Bischof Bätzing: „Christinnen und Christen können mit guten Argumenten und nach eigenem Gewissen entscheiden, an der Eucharistie- oder Abendmahlsfeier der je anderen Konfession teilzunehmen“ (28. 5. 2020).

  • Erzbischof Heße fordert einen offeneren kirchlichen Umgang mit der Sexualität (15.10.2018). – Bischof Dieser: „Der Knackpunkt ist, dass viele Menschen die katholische Auffassung von Sexualität an vielen Stellen als diskriminierend empfinden“; die Erkenntnisse – auch der Humanwissenschaften – seien mit dem Glauben ins Gespräch zu bringen (04.09.2020).

  • Bischof Bode: Die katholische Kirche müsse die heutigen Lebenswirklichkeiten von gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften und unterschiedlichen Beziehungsformen berücksichtigten (15. 5. 2019).

Geweihte Hirten machen anscheinend die im Volk Gottes kursierenden religiösen Vorstellungen zu kognitiven Orten für christlichen Glauben und Leben. Die Kirche hat sich Zeitströmungen zu öffnen. Man setzt darum die Hoffnung auf die in Gemeinden und Öffentlichkeit verbreiteten Theologieauffassungen und pastoralen Erwartungen. Einige von ihnen avancieren gar zu „Zeichen der Zeit“ (oder zu loci theologici). 

„Ich denke bisweilen:
Wer bestimmt eigentlich, was katholisch ist?“

Bischof Bätzing „Da haben Katholikinnen und Katholiken, die einen Querschnitt unserer Kirche abbilden, begonnen, sich untereinander zu vergewissern, was heute katholisch zu nennen ist. Wenn es darum geht, stehe ich ganz auf der Seite der Visionäre.“ (28.05.2020). „Ich denke bisweilen: Wer bestimmt eigentlich, was katholisch ist?“ Man tue immer noch so, als würde die Hierarchie das Katholische ausmachen und nur Bischöfe hätten das Recht auf dieses Label. „Falsch!“ (Bischof Wilmer, April 2019).

In ihrer Sorge um das Image verzichten Bischöfe offenbar auf die Jahrhunderte der Kirchen-Geschichte, ihr geistliches Gefüge, ja die Gottes-Offenbarung selbst. Darum hinterlassen sie die Frage nach der Hermeneutik von Glaubenserkenntnis. Mindestens für zwei Aspekte soll dieses komplexe Thema kurz bedacht werden.  

Neue  loci theologici?

Für Katholiken artikuliert sich Glaube in der Offenbarung und in der Lehre der Kirche; beide gelten als „Erste Wahrheit“ – wie Thomas von Aquin formuliert hat (Summa Theologica II, II, q.5 a.3). In ihnen hat Gott seinen Heilswillen vollständig und definitiv kundgemacht. „Die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und ewige Bund, ist unüberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesu Christus in Herrlichkeit“ (Konstitution „Über die Göttliche Offenbarung“, 4). 

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Gottes Heilswort kennt also  keine Nachträge, die von Menschen aufgrund neuer Lebenserfahrungen zufügbar wären. Es bleibt auf die einmal gegebene Heilige Schrift, von der kirchlichen Lehre gedeutet, beschränkt, aus der allein sich der katholische Glaube speist: „Dem offenbarenden Gott ist der ,Gehorsam des Glaubens‘ (Röm 16,26) zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft‘ und seiner Offenbarung völlig zustimmt.“ 

Gott lässt der Kirche demnach nicht mit Hilfe von geschichtlichen Ereignissen oder kirchlichen Problemen neue theologische Mitteilungen zukommen. Gewiss beobachtet der Christ das Weltgeschehen und erforscht die „Zeichen der Zeit“. 

Heilswahrheit ohne  Hüter?

Sie sollen aber lediglich die einmal ergangene Lehre aktualisieren. Die Geschichte als solche kann nicht zur Mittlerin von Offenbarung oder Heil werden. „Ob Profan- oder Kirchengeschichte: Aus sich heraus bringen uns ihre Ereignisse keinerlei Zuwachs zur übernatürlichen Offenbarung; sie bleibe stets ,zweideutig‘ und wie ,in Erwartung‘, und sie selber müssen für uns durch das Licht, das vom Evangelium kommt, erhellt werden“ (Anm. H. de Lubac, Die göttliche Offenbarung, Einsiedeln 2001, 147f.). 

Nach katholischer Überzeugung gilt: lex orandi – lex credendi. So ist die Feier der Bischofsweihe Hirten wie Gemeinden eine fundamentale Glaubensstütze. Etwa die Worte über die Kandidaten in der Ansprache des Konsekrators: „Ihnen ist das Zeugnis für das wahre Evangelium anvertraut, der Dienst im Geist und in Gerechtigkeit zum ewigen Leben. Beherzigt, was Christus zu den Aposteln gesagt hat: ,Wer euch hört, der hört mich; wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.‘“ Oder die an diese gerichteten Fragen, die sie gewiss in tiefster Seele berühren: „Bist du bereit, das Evangelium Christi treu und unermüdlich zu verkünden?“ – „Bist du bereit, das Glaubensgut rein und unverkürzt zu hüten, wie es von den Aposteln überliefert und in der Kirche immer und überall bewahrt wurde?“ – „Bist du bereit, am Aufbau der Kirche Christi, seines Leibes, zu arbeiten und in ihrer Einheit zu verharren, zusammen mit dem Bischofskollegium unter dem Nachfolger des heiligen Petrus?“

Die genannte Obhut und Verantwortung macht geweihte Hirten für die Glaubenden keineswegs zu „Herren eures Glaubens“ (2 Kor 1,24). Andererseits bleibt ihr Versprechen das bestimmende Erbe der ganzen Kirche und eine fortdauernde heilige Verpflichtung. 

Die Alternative:  Papst Benedikt

Es war Benedikt XVI., der schon im März 2019 die Katholiken in Deutschland mit einer anspruchsvollen Botschaft eine Glaubens-Antwort auf die Misere gab. Er hinterfragte die geistesgeschichtlichen und theologischen Ursachen und versagte sich, lediglich Symptome des Niedergangs kurieren zu wollen. Dank seiner gediegenen Theologie und seines wachen situativen Blicks auf die Gesellschaft benennt er heilsame Warnungen und weist pastorale Auswege. Und schließlich bringt er  all seine differenzierten Überlegungen auf einen ganz einfachen Punkt, der heute nicht laut genug zu betonen ist: „Nur der Gehorsam und die Liebe zu unserm Herrn Jesus Christus kann den rechten Weg weisen… Unser Nichterlöstsein beruht auf der Unfähigkeit, Gott zu lieben. Gott lieben zu lernen, ist also der Weg der Erlösung des Menschen.“   

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Bodo Windolf

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