Die Organisation der Urkirche (Rom-Kurier)

Rom-Kurier

März - April 2020 Nr. 239

Die Organisation der Urkirche

Ein einziger Bischof für die Diözese ist dem monarchisch aufgebauten Episkopat des römischen Papstes untergeordnet.


„Die Tatsache, daß schon im zweiten Jahrhundert nach Christus die christlichen Gemeinden von einzelnen Bischöfen geleitet wurden, ist in der Geschichtswissenschaft unbestreitbar“ (A. Lang, Handbuch der Apologetik / Compendio di Apologetica, Casale Monferrato, Marietti, zweite Auflage, 1960, S. 346). Das bedeutet, jede Diözese hatte nur einen einzigen Bischof. Jedes Bischofsamt, d.h. der monarchisch strukturierte Episkopat jeder Diözese unterstand dem monarchisch geformten Episkopat des römischen Papstes (vgl. Die theologische Summe II / II, q. 39, a 3 des hl. Thomas von Aquin; A. Michiels, Der Ursprung des Bischofamtes / L’origine de l’Episcopat, Lovanio, 1900; E. Ruffini, Die Hierarchie der Kirche nach der Apostelgeschichte und den Briefen des hl. Paulus/La Gerarchia della Chiesa negli Atti degli Apostoli e nelle Lettere di San Paolo,Roma 1921; V. Cavalla, Die Bischöfe und Priester der Urkirche /Episcopi e presbiteri nella Chiesa primitiva, in La Scuola Cattolica, Nr. 64, 1936, S. 235-256; AVellico, Die nach der katholischen Lehre amtierenden Bischöfe / De episcopis iuxta doctrinam catholicam, Rom, 1937).

Der im Jahre 202 als Märtyrer gestorbene Bischof Irenäus von Lyon lehrte beständig den grundlegenden Wert der auf die Apostel zurückgehenden Überlieferung; damit wollte er genau bestimmen, woher die wahre apostolische Tradition komme; sie gründet nämlich auf der ununterbrochenen, bis auf die Apostel zurückgehenden Nachfolge der Bischöfe. Irenäus hielt schriftlich fest: „Wir sind in der Lage, alle Bischöfe der einzelnen Teilkirchen, oder von den Aposteln genannten Diözesen und deren Nachfolger bis auf unsere Zeit aufzuzählen und nachzuweisen“ (Hl. Irenäus, Traktat gegen die Häretiker Adv. Haer., III, 3,1). Diese Aussage beweist, daß zur Zeit des hl. Irenäus jede Teilkirche und Diözese jeweils nur einen Bischof besaß.

Der von 265 bis 339 lebende Eusebius von Cäsarea schrieb in seiner Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), daß gegen das Jahr 150 überall nur ein Bischof die Leitung der einzelnen Diözesen innehatte. Er berichtete, wie der montanistische Irrglaube die Tatsache leugnete, daß die kirchliche Hierarchie auf den Apostel Petrus, die übrigen Apostel und deren Nachfolger (den Papst und die Bischöfe) ruht.

Dieser mit asketischem Charakter auftretende Irrglaube entstand um das Jahr 170 nach Christus in Phrygien (Kleinasien); als ihr Gründer, ein gewisser Montanus sich zum Christentum bekehrte, behauptete er, der Heilige Geist habe ihn direkt dazu bewegt; er begann seltsame Verzückung zu haben und recht wunderliche charismatische Erscheinungen zu erleben. In seinen Predigten behauptete Montanus, das Weltende stehe unmittelbar bevor und predigte ein rigoristisch strenges Christentum. Im Jahre 213 wurde Tertullian Montanist und starb außerhalb der katholischen Religion. Der von 199 bis 217 regierende hl. Papst Zephyrinus verurteilte die Sekte des Montanismus.

Der wahren Kirche setzten diese Irrgläubigen die pseudoprophetische Kirche entgegen (diesen Irrtum nahmen der Chiliasmus und die protestantische Charismatik wieder auf). In ihren Diözesen und auf den provinzialen Konzilien bekämpften die einzelnen Bischöfe diesen Irrtum. Diese Tatsache beweist, daß es den von einem einzigen Bischof geleiteten Episkopat wirklich gab, ja noch mehr, daß seit den ersten Zeiten der Kirche diese Art der Amtsführung aktiv war (Hist. Eccles., V, 3,4 ff; VI, 12, 1 ff). Der im Jahre 110 verstorbene heilige Kirchenschriftsteller Ignatius von Antiochien hinterließ uns das wichtigste Zeugnis für die Tatsache, daß in den christlichen Diözesen der monarchische Episkopat der Bischöfe existierte (Ephes. 3,2). Schon zwischen dem Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Jahrhunderts gab es in den christlichen Gemeinden von Kleinasien hinsichtlich des kirchlichen Amtes die klare Unterscheidung in drei hierarchischen Graden, nämlich den nur von einem einzigen Bischof geleiteten Episkopat, das Amt des Priesters und des Diakons; überall übte in der Diözese der einzelne Bischof die volle Jurisdiktionsgewalt aus. „Der einzige Bischof (der Diözese) ist das Abbild des Vaters“ (Trall,3,1). Sehr interessant ist die Tatsache, daß der heilige Ignatius nicht erklärt und darlegt, woher der Ein-Mann-Episkopat stammt, ihn weder begründet noch rechtfertigt, denn er meint, dies seien feste, bereits genau bestimmte und zur Überlieferung gehörende Tatsachen. Die schlechten Bischöfe der Urkirche „In einer gewissen Christengemeinde Kleinasiens hatte Diotrephes die Stellung des monarchischen Bischofs inne, aber er regierte wie ein Despot. Bestimmte Priester, welche vor ihn hintreten wollten und dafür die Billigung ihrer früheren Bischöfe besaßen, wies er zurück, ja ging sogar soweit, sie mit dem Bann zu belegen und die Gläubigen seiner Diözese, welche diese Geistlichen aufnahmen, zurückzuweisen. Doch dürfen wir Diotrephes nicht als einen widerrechtlichen Machthaber aburteilen oder als einen geistlichen Tyrannen ansehen; er hätte ja so seine Autorität verloren. Obwohl der genannte Prälat schlecht regierte, hatte er das leitende Bischofsamt seiner Diözese inne“ (A. Lang, a.a.O. S. 349). Alle diese Umstände beweisen einerseits die dem Bischof geschuldete Verehrung, daß Gott ihn gesandt hat, seine Teilkirche zu leiten; andererseits wird auch die Tatsache klar, daß es schon in den frühesten Zeiten der Kirche schlechte Bischöfe gab. Obschon sie nicht immer für das allgemeine Wohl der Kirche wirkten, bleiben sie doch rechtmäßige Hirten ihrer Diözesen, damit diese nicht vakant wurden. Kurz zusammengefasst: Trotz schlechter Hirten „finden wir in der christlichen Urgemeinde von Anfang an die reguläre Hierarchie die von Gott gewollte Ordnung und das göttliche Kirchenrecht“ (A. Lang, a.a. O. S. 350).

Die richtige Belehrung gab der hl. Ignatius von Antiochien, wenn er feststellte, daß „die Autorität des Bischofs weder von der eigenen Person, noch von seinen Fähigkeiten, noch von der Gemeinde abhängt“ (Ephes.VI,1). Um die Frage zu lösen, ist der Brief des heiligen Clemens an die Korinther sehr wichtig. In Korinth übten gewisse Leute an den leitenden Häuptern der Ortskirche (nämlich am Bischof, den Priestern und den Diakonen) schwere Kritik; aber der hl. Clemens kümmerte sich nicht um die Motive der Beschwerden, sondern ging an die Frage der kirchlichen Autorität grundsätzlich heran: „Die Organisation der Kirche und ihrer Bischöfe sind die Einrichtung Gottes. Durch Christus und die Apostel hat Gott den Bischöfen die (kirchliche) Macht übertragen“ (Brief an die Korinther 42,1-4). „Die Häupter (der Gemeinde) haben ihr Amt nicht von der Gemeinde erhalten, daher kann diese ihnen die Gewalt auch nicht entziehen“ (Ebd. 42, 1-4). Jede Gewalt kommt von (Gott-)Vater. Er hat sie dem menschgewordenen Wort verliehen; Christus wiederum hat sie an die Apostel weitergegeben, und die Apostel sollten sie ihren Nachfolgern überliefern. Der Auftrag, die Mission und die Autorität, alles kommt in der Kirche Christi von oben; in der Kirche gibt es keine demokratische Gewalt, die Gewalt ist nur hierarchisch. Wie sie also allein von Gott kommt, so kann kein Mensch sie dem Papst nehmen, denn der Papst ist auf dieser Erde die höchste Autorität. Kein Mensch darf ihn juristisch irrgläubig und abgefallen nennen. Der (richtige) Papst kann dem Bischof das Amt nehmen, weil dieser die von Gott stammende Jurisdiktion durch die Vermittlung des höchsten Pontifex erhalten hat. Die Kirche ist keine Evolution; ihre Autorität hat sich nicht auf der charismatischen und demokratischen Basis aus den ursprünglichen und spontan gebildeten Gemeinden entwickelt. Sie geht auf die von Jesus Christus stammende göttliche Institution zurück. Die ursprüngliche Kirche (Urkirche) und die ursprüngliche Gemeinde ruhen nicht auf einer von unten oder von der gläubigen Gemeinde stammenden Gewalt; die Gewalt der Kirche kommt von oben. Von Anfang an besitzt die Kirche die von der göttlichen Autorität und Monarchie geprägte Natur (R. Sohm, Kirchenrecht, Leipzig, 1892, Band 1, S. 54). Alle Gewalten, Gnaden und Wahrheiten der Kirche stammen von Christus. Er ist die Quelle, die Apostel sind gleichsam die Kanäle. Aufgrund der Anordnung (Institution) Gottes, durch die Vermittlung der Päpste und Bischöfe ist die Sukzession (der Gewalten, der Gnade und Wahrheiten) ununterbrochen. Die auf die Apostel und Petrus zurückgehende Sukzession ist für die katholische Kirche wesentlich. (Tertullian, De praescr. Haeret., 32, 1; hl. Hippolyt, Phylosophische Abhandlungen /Philosophumena,I, Vorwort; Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte/ Historia EcclesiaeVI, 43, 8-9).

Zum Schluß

Das Studium der Organisation der Urkirche auf der Grundlage von Tradition, Heiliger Schrift und Kirchengeschichte lässt uns nicht nur ihren monarchischen Ursprung, die Unterordnung des Episkopats unter das Papsttum verstehen, sondern ist auch heute noch sehr aktuell, weil es die als Gewissheit gegebenen Hypothesen auflöst, den Papst absetzen zu können, dessen Ketzerei oder objektiver Wille nicht dem Wohl der Kirche dient.

Pacificus sì sì no no30.4.2018