Stephansdom: Wurm zieht Hochaltar Pullover an

Dem Wiener Stephansdom dürfte in den kommenden Wochen nicht kalt werden: Für das seit 2013 alljährlich künstlerisch gestaltete Fastentuch zeichnet heuer Erwin Wurm verantwortlich.

Wurm, einer der gegenwärtig bedeutendsten österreichischen Künstler, setzt in der Fastenzeit künstlerische Akzente im Wiener Stephansdom: Er bekleidet den barocken Hochaltar mit einem 80 Quadratmeter großen gestrickten violetten Pullover, „der an die Priorität wärmender Nächstenliebe in der Zeit der Vorbereitung auf Ostern erinnert“, heißt es in einer Ankündigung der Dompfarre.

Dazu kämen Wurms bekannte Skulptur „Big Mutter“ - eine überdimensionierte Wärmeflasche auf menschlichen Füßen - sowie weitere Skulpturengruppen im Zentrum des Domes, die „Verformungen unserer Lebenswelt kritisch in Szene“ setzen.

Stephansdom innen, Altar

ORF.at/Michael Baldauf

Der Altar im Stephansdom wird vom Künstler Erwin Wurm verhüllt

Das Fastentuch und die Skulpturen werden den Medien am kommenden Donnerstag von Erwin Wurm und Dompfarrer Toni Faber gemeinsam präsentiert. Ersteres verbleibt im Stephansdom bis zum Ende der Fastenzeit am Karsamstag, 11. April, die Skulpturen bis Samstag, 6. Juni, dem Tag nach der „Langen Nacht der Kirchen“ am 5. Juni.

„Wandelbare Projektionsfläche“

Seit 2013 bilde das Fastentuch im Stephansdom eine „wandelbare Projektionsfläche für die zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzung mit der österlichen Bußzeit“, teilte die Dompfarre St. Stephan mit. Heuer wurde dafür der 65-jährige gebürtige Steirer Erwin Wurm gewonnen, der 1984 mit dem Otto-Mauer-Preis der Erzdiözese Wien für herausragende Nachwuchskünstler und danach mit weiteren Auszeichnungen wie dem Großen Österreichischen Staatspreis (2015) geehrt wurde. Auch an Kunst wenig Interessierten sind sein Haus auf dem MUMOK oder seine „Fat“-Skulpturen, die kleinbürgerliche Statussymbole wie Autos oder Einfamilienhäuser in einem aufgeblähten Zustand zeigen, geläufig.

Im Wiener Stephansdom soll sein überdimensionaler Pullover in der in Bußzeiten verwendeten liturgischen Farbe violett in der vorösterlichen Fastenzeit an die „Priorität wärmender Nächstenliebe“ erinnern. Gleiches gilt für die augenzwinkernd „Big Mutter“ genannte Riesenwärmeflasche im Eingangsbereich des Domes. Weitere Skulpturen Wurms sollen im Dome ungewohnte Perspektiven auf das Menschsein eröffnen.

„Befreiung von Deformierungen“

In der Zeit um das höchste christliche Fest „wird das Arrangement der Skulpturen zum zeitgenössischen künstlerischen Rahmen für die Begegnung der Gläubigen mit Gott und dem Versprechen eines unverkürzten menschlichen Lebens im Gebet“, heißt es in der Aussendung. Es gehe um eine „Befreiung von Deformierungen“ auch der Umwelt. Fasten und Beten würden frei machen von der Dominanz des Konsums und ließen „Schieflagen“ im Leben erkennen.

Die Arbeiten Wurms gehen oft ins Skurrile und Satirische, auch wenn er - eher selten zwar - religiöse Themen aufgreift. Eine Hundehütte mit zwei versetzt gegenüberliegenden Eingängen, in die man den Kopf stecken soll, nannte er einmal „Beichtstuhl“ und erklärte 2016 in einem Interview dazu: „2.000 Jahre katholische Kirche, 700 Jahre Monarchie, die ja auch ein restriktives System war - zwischen diesen Machtblöcken ist das entstanden, was man die österreichische Seele nennt.“ Einen Geistlichen motivierte der Künstler einmal dazu, sich in seiner Kirche mit einem ganzen Apfel im Mund - Evas Apfel - fotografieren zu lassen.

Erwin Wurm und Dompfarrer Faber werden dazu bei der Eröffnungsfeier im Stephansdom am Donnerstagabend um 20 Uhr sprechen; im Anschluss an das musikalische Festprogramm findet eine Agape in der Unteren Sakristei statt.

religion.ORF.at/KAP/APA

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