Ursula Wegmann
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Syrien - ein glaubwürdiger Reisebericht

Pfarrer Michael Theurl aus Teltow (Brandenburg) hat vor kurzem eine Reise nach Syrien gewagt. Die Eindrücke, die er schildert, sind m.E. sehr beachtenswert und im Westen meist falsch dargestellt. Ich empfehle jedem, es zu lesen!!! Pfarrer Theurl hat nichts dagegen, wenn es auch publiziert wird.

Teil I)
Deinen Tod o Herr verkünden wir … ein Besuch bei den Christen in Syrien im Februar 2018
Syrien ist wohl zur Zeit das Land, das mit dem Kreuz Christi am tiefsten verbunden ist.
Mit zwei Priestern, die schon dreimal in Syrien waren, bin ich für zwei Wochen dorthin gefahren. Wir wollten ein bisschen unsere Solidarität mit den dortigen Christen bekunden, auch etwas materielle Hilfe bringen und vor allem die dortige Situation und das Glaubensleben kennenlernen.
Etwa 10 % der Bevölkerung sind Christen (ca. 2 Millionen). Von den Christen sind 60 % syrisch-orthodox, 40 % Katholiken. Es gibt 7 verschiedene katholische Kirchen, die alle einen anderen Ritus haben, aber mit Rom verbunden sind (die größte katholische Gruppe sind die Melkiten, griechisch-katholisch, 70 % - 80 %).
Dank der vielen Beziehungen meiner beiden Mitbrüder haben wir wohl zehn Bischöfe im ganzen Land besucht. Für mich war erstaunlich, dass sich alle persönlich gut kannten, dass es ein unkompliziertes ökumenisches Miteinander – ohne Vermischung der Glaubensunterschiede – gibt und dass sich alle einig sind in der Beurteilung der kirchlichen und der staatlichen und gesellschaftlichen Situation.

Wir haben alle diese Orte besucht, von denen wir hier immer in den Nach-richten hören: Damaskus, Homs, Aleppo, Maalula, Seydnaya ….
In Damaskus haben wir beim armenisch-katholischen Bischof gewohnt. Die Altstadt ist das Christenviertel. Der hl. Paulus schreibt viel darüber: vor Damaskus hat er seine Bekehrung erlebt (dort steht heute eine Kirche mit der Darstellung, wie er geblendet vom Pferd fällt); dann erwähnt er das Stadttor und die `Gerade Straße`, die heute noch so heißt. Er berichtet, dass er in das Haus des Hannanias gebracht wird, wo er im christlichen Glauben unterwiesen wird – dieses Haus haben heute die Franziskaner; es ist eine Kirche, wo das Aller-heiligste zur Ewigen Anbetung ausgesetzt ist. Dann erzählt der hl. Paulus, dass die Juden dort ihm nach dem Leben trachteten und er in einem Korb an der Stadtmauer herabgelassen wurde, um zu fliehen. An dieser Stelle ist heute ebenfalls eine Kirche und ein großes Kinderheim, das von Ordensschwestern geleitet wird. Die christliche Altstadt hat unwahrscheinlich viele Kirchen, über-all gibt es Bildstöcke, Kreuze, Bilder von der Muttergottes und anderen Heiligen, viele kleine Gässchen mit vollen Geschäften und Märkten – so wie man sich den Orient vorstellt. An das Christengebiet schließt sich das Schiiten-Viertel an; öfter gibt es Sicherheitskontrollen. In diesem Viertel steht die Omajaden-Moschee (früher eine altchristliche Basilika), in der das Grab des hl. Johannes des Täufers hochverehrt wird. Überall werden wir als katholische Priester erkannt und mit großer Freundlichkeit willkommen geheißen. So beten auch wir am Grab dieses großen Heiligen und besuchen noch mehrere andere Moscheen. Das Verhältnis mit den Muslimen ist ganz unkompliziert, wie uns später auch der Nuntius Kardinal Zenari erklärt – nirgendwo erregt es Anstoß, wenn er als Kardinal mit roter Kopfbedeckung und Brustkreuz Moscheen besucht. Jahrhundertelang konnten Christen und Moslems miteinander auskommen, bis sich vor einigen Jahren eine sogenannte Demokratiebewegung bildete, die plötzlich auch noch irgendwoher Waffen hatte.
Nachdem wir beim gastfreundlichen armenisch-katholischen Bischof Quartier bezogen haben, merken wir, dass wir ein bisschen in der Falle sitzen. Der Bischof hat Angst, dass auch uns etwas passieren könnte, denn im Moment sei die Lage sehr gefährlich, er traue sich schon nicht mehr aus dem Haus. Etwa
1 ½ km entfernt schießen die „Rebellen“ aus einem anderen Stadtviertel von Damaskus, das vom Militär abgeriegelt ist, Granaten in die Altstadt, Tag und Nacht, und oft sterben Menschen in den Straßen. Man hört die Einschläge, und einige Male werde ich nachts wach, weil sogar das Bett wackelt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite zeigt uns der Bischof ein neu eingebautes Fenster: in der Silvesternacht 4.30 Uhr schlug eine Granate ein und tötete den
40jährigen Mann im Bett. Teile der Granate schlugen zurück auf das Bischofs-haus, zerbrachen die Fensterscheiben, zerschlugen einige Fliesen auf dem Hof und spalteten die Eingangstür. Der Bischof hatte den Mann gekannt, der wohl schon eine Vorahnung fühlte und dem Bischof gesagt hatte: ich habe schon alles organisiert: zur Beichte gekommen, ein Grab gekauft, zwei Bäumchen gepflanzt, alles verschenkt.

Die armenisch-katholische Schule beim Bischofshaus hat 460 Schüler; aber am 29.01. kamen aus Angst nur 30 zur Schule. Der Priester und Schulleiter im Haus zeigte uns in seinem Glasschrank all die Granaten, die er auf dem Schulgelände eingesammelt hat. Auch in der Schule sind Kinder bei dem Granatenbeschuss gestorben. Viele schreckliche und traurige Schicksale haben wir gehört und gesehen.
In einem von den drei katholischen Krankenhäusern in Damaskus besuchten wir die 17jährige Christine, die bei dem Raketenbeschuss ein Bein verloren hatte. Die Eltern waren da, Verwandte, ein Arzt, eine Ordensschwester, und wir alle waren zu Tränen gerührt, als sie uns sagte: es ist schwer, aber ich bin Christ, ich verzeihe!
Überall, wo Leute in der Stadt durch die Granaten umgekommen sind, stellt man zum Gedenken Fotos auf, allein an einer Stelle bei der Stadtmauer mehr als 20. Wir konnten die Flugzeuge sehen, die die Stellungen der „Rebellen“ bombardierten, von wo aus die Granaten abgeschossen werden – aber sie hatten wohl wenig Erfolg. Morgens sahen wir immer vor dem Frühstück mit dem Bischof „Euronews“: ‚Assad bombardiert sein Volk!‘ Der Bischof fasste sich immer nur an den Kopf und sagte: Hollywood. Offensichtlich wird hier von den sogenannten freien Medien ein gewaltiger Propagandakrieg geführt.
Also, wir mussten unsere Angst überwinden, um auf die Straße zu gehen und Besuche zu machen.
Wahrscheinlich waren wir die einzigen Ausländer im Land; öfter wurden wir freundlich angesprochen von ganz einfachen Leuten auf der Straße, die uns als Helden bewunderten und sich bedankten, dass wir ein Zeichen setzen, dass sie nicht vergessen sind.
Ganz wichtig war der Besuch beim syrisch-orthodoxen Patriarchen; er hat ganz offen mit uns gesprochen und uns sehr geholfen, z.B. auch nach Maalula zu kommen, in gesperrte Gebiete. Er war so erfreut über unseren Besuch, dass wir am Abend unser Foto auf der Internetseite des Patriarchates sehen konnten: Delegation der Katholischen Kirche aus Deutschland beim Patriarchen.
Zusammenfassend könnte man die Lage so beschreiben – und alle Bischöfe sehen das genauso:
1. nur wenige von den westlichen Bischöfen kommen uns besuchen (das ist unsere große Frustration), auch nicht, als vor Jahren die Lage noch nicht so gefährlich war; niemand möchte gegen die ‚political correctness‘ verstoßen, die von den westlichen Mächten diktiert wird: Assad muss weg!
Der Patriarch sagte, dass er und viele andere Bischöfe mehrmals im Jahr im westlichen Ausland sind und Einladungen machen: kommt doch, geht auf die Straßen und sprecht mit den Leuten, den Christen usw. ihr müsst ja nicht mit Assad sprechen! – nein, sie kommen nicht;

2. man kann im Westen sagen, was man will, man hat keine Chance; der Patriarch zeigte uns ein Interview, das er in Berlin einer deutschen Zeitung gegeben hat – die Zeitung machte dann als Überschrift: Assads frommer Gesandter. Der chaldäisch-katholische Bischof in Aleppo sagte uns, dass er nach einem Interview im Westen gefragt wurde, wieviel Assad ihm dafür bezahlen würde. So auch viele andere Bischöfe.

3. öfter wurden wir gebeten, ob wir nicht unsere Bischöfe positiv beeinflussen könnten… und diese dann die Regierung … Es ist ganz offensichtlich, dass man sich nicht für die Realität in Syrien interessiert, sondern absichtlich die Öffentlichkeit manipuliert