Esoteriker im Habit- Zum 75. Geburtstag des Bestsellerautors und Benediktiners Anselm Grün (die-tagespost.de)

Esoteriker im Habit
Zum 75. Geburtstag des Bestsellerautors und Benediktiners Anselm Grün.


Barbara Stühlmeyer

14. Januar 2020

Er ist Bestsellerautor, Vortragsredner, Betriebswirt, Benediktiner und sicher einer der bekanntesten Protagonisten des Katholizismus der letzten Jahrzehnte. Anselm Grün, der am 14. Januar seinen 75. Geburtstag feiert, hat ein Gespür für die Fragen der Zeit, für das, was die Menschen bewegt. Geboren in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs wuchs er als viertes Kind eines Kaufmanns in der Nähe von München auf. Neben der ökonomischen erhielt Wilhelm Grün von Anfang an auch eine geistliche Prägung, denn mehrere Geschwister seiner Eltern waren Ordenschristen. Einen von ihnen erlebte Grün von seinem 13. Lebensjahr an aus der Nähe, denn Pater Sturmius war Benediktiner in der Abtei Münsterschwarzach, deren Internat Wilhelm besuchte. Das Leben der Mönche faszinierte ihn. Und so trat er 1964, gleich nach seinem Abitur am Würzburger Riemenschneider Gymnasium als Novize in die Abtei ein. Sein Ordensname Anselm erinnert an den französisch-italienischen Benediktiner und Erzbischof von Canterbury zu dessen Kernsätzen „ich glaube, damit ich verstehe“ gehört und der in seiner Schrift „Cur deus homo“ Vernunftgründe dafür anführte, warum Gott Mensch wurde, um uns von der Erbsünde zu erlösen.

Das Vorbild seines Namenspatrons wirkte inspirierend

Offenbar wirkte das Vorbild seines Namenspatrons inspirierend, denn Grün promovierte nach seinem Studium der Philosophie und Theologie in St. Ottilien und Sant´ Anselmo in Rom über das Thema „Erlösung durch das Kreuz. Karl Rahners Beitrag zum heutigen Erlösungsverständnis. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Nürnberg vermittelte ihm die Grundlagen für seine spätere Tätigkeit als Cellerar von Münsterschwarzach. Von 1977 bis 2013 war er in dieser Funktion für die insgesamt 20 Betriebe der Abtei zuständig. Ein breites Spektrum, das vom Gymnasium über die Buchhandlung, Metzgerei, Bäckerei, Goldschmiede, Autowerkstatt bis zur Druckerei und dem Recollectio-Haus reichte.

Wie viele spirituell interessierte Menschen beschäftigte sich auch Anselm Grün von den 1970er Jahren an intensiv mit den Themen Meditation, Psychologie, Mystik und gruppendynamischen Prozessen. Die jungianische Psychologie wurde für ihn zum Interpretament der Theologie. Sein Axiom ist, dass nur derjenige Gott begegnen kann, der sich selbst begegnet. Die Mischung aus niedrigschwelligem psychotherapeutischem Handwerkszeug und Themen, die spirituell Suchende ansprechen wurde zum Erfolgsrezept des Benediktiners, dessen Bücher weltweit bislang über 14 Millionen Mal verkauft wurden. Was viele Menschen anzieht, ist der freundliche, stets verbindliche Grundton der Bücher. Grün ist niemals angriffig und das breite Spektrum der Themen von „Eucharistie und Selbstwerdung“ über „Lebensmitte als geistliche Aufgabe“ bis zu „50 Engel für das Jahr“ erweckt den Eindruck, dass hier für jeden das richtige Rezept zu finden ist.

Mischung psychotherapeutischer Methoden und christlicher Tradition

Schaut man sich die Inhalte näher an, wird jedoch deutlich, dass gerade die Mischung von psychotherapeutischen Methoden, christlicher Tradition und Elementen anderer Religionen problematisch ist. Denn hier wird oft unbewertet nebeneinandergestellt, was nicht zueinander gehört oder gar unvereinbar miteinander ist. Dabei wird nicht selten die Grenze zur Esoterik überschritten. In seinem Buch Mystik und Eros entfaltet Grün beispielsweise im zweiten Kapitel unter der Überschrift Mystik und transpersonale Psychologie die Ansätze von Ken Wilber und Roger Walsh. Mystische Erfahrungen werden hier „nicht nur als Weg zu Gott, sondern auch zur wahren Freiheit des Menschen“ beschrieben. Das klingt gut. Was sich aber dahinter verbirgt ist das Wilbersche Konzept der Mystik als therapeutischer „Weg der Dis-Identifikation“. Eine buddhistische Methode, die in Grüns Buch ebenso uneingeschränkt empfohlen wird wie Carl Gustav Jungs Konzept der Heilung durch Zugang zum Numinosen, durch den man „vom Fluch der Krankheit erlöst“ wird.

Das aber ist nichts anderes als Selbsterlösung und es wird nicht gelingen. Obwohl Grün sich als Ordenschrist präsentiert, ist daher angesichts der offenkundigen Unschärferelation seiner Bücher die Gabe der Unterscheidung gefragt.

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Wer kennt ihn nicht, den medialen Superstar des gegenwärtigen Wellness-Glaubens, der weichgespülten, anforderungsfreien „Fühl dich wohl, Gott liebt dich genauso, wie du bist!“-Theologie? Frauenpriestertum ist für ihn kein Problen, auch weder zur unbefleckten Empfängnis Mariens noch zur Heiligen Eucharistie vertritt er die katholische Lehre, wie vor einem Jahr Pater Bernward Deneke (FSSP) in der zweiwöchentlich erscheinende Zeitschrift „Schweizerisches Katholisches Sonntagsblatt“ klar feststellte.

Aber: erfolgreich ist er und dies beileibe nicht grundlos. Ist doch der jahrzehntelang schulisch und medial herangebildete Geschmack des Massenpublikums auf eine rein weltliche Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ausgerichtet, weder eine Ausrichtung an einen höheren Willen noch eine Verhaltensänderung aufgrund eigener Fehler werden in der Regel in Betracht gezogen. Wer auf dem knallharten Markt spiritueller Angebote neben dem (unvermeidlichen) Dalai Lama und Vertretern des „Positiven Denkens“ bestehen will, muß sich nach dem Willen der Käufer richten: „Ich will so bleiben, wie ich bin“ - gesucht wird nur die spirituelle Absegnung des eigenen Egos, die Bestätigung der eigenen Lebensweise und Ansichten. Kurz: eine Welt, welcher der katholischen Lehre unbestreitbar diametral entgegengesetzt ist. Wer hier Erfolg hat, kann nicht katholisches Gedankengut vertreten – wer es vertritt, wird keinen Massenerfolg haben.