Copertino
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Vorsicht beim Weiterverbreiten von "frommen" Wundergeschichten! - Beispiel "Rosenkranzwunder von Garnek"

Auf verschiedenen Plattformen findet man die Geschichte über den angeblich einzigen polnischen Ort, der im Zweiten Weltkrieg völlig verschont geblieben sein soll, weil dort täglich vor dem ausgesetzten Allerheiligsten der Rosenkranz gebetet wurde. Man findet diese Geschichte etwa hier:
durchmaria.com/rosenkranzwunder-in-polen.html

Es ist angebracht, solche Berichte möglichst zuerst zu verifizieren, bevor man sie vielleicht in einer Aufwallung frommer Gefühle unbesehen kolportiert und auf sozialen Medien weiterverbreitet. Sollten sie nämlich auf tönernen Füssen stehen, so würde man Menschen, die man für die Wahrheit der christlichen Offenbarung gewinnen möchte, höchstens zeigen, dass Gläubige unkritische Zeitgenossen sind, die alles nachbeten, was man ihnen an frommen Geschichten vorsetzt.

Dabei tragen gerade Priester eine erhöhte Verantwortung. Es kann geschehen, dass sie als Illustration für die Wirkung des Rosenkranzgebetes in eine Predigt eine Geschichte einflechten, und gerade diese Wundergeschichte aus Polen eignet sich dazu exemplarisch.

Die christliche Botschaft gründet in einer historisch glaubwürdigen Überlieferung, was schon die Evangelisten an verschiedenen Stellen bezeugt hatten. Dasselbe gilt auch für Wunder, die sich immer wieder im Laufe der Kirchengeschichte zugetragen haben. Deshalb legt die Kirche auch Wert darauf, im Falle von Wundern an Erscheinungsorten und von Heiligen genaue Recherchen anzustellen.

Natürlich wollte ich als Rosenkranzbeter mehr wissen über dieses einmalige polnische Wunder des Gebetes und habe heute einige Zeit damit verbracht, möglichst historisch Glaubhaftes über den Ort und seine Geschichte zu erfahren. Zuerst suchte ich also den polnischen Ort Garnek auf der Karte zu lokalisieren. Ich fand eine entsprechende Ortsbezeichnung etwa 20 km östlich von Tschenstochau. Was die Geschichte selbst anbelangt, so gelangte ich auf Google auf immer dieselbe Geschichte auf Deutsch, und meistens im selben Wortlaut, aber jeweils ohne weiteren historischen Bezug. Um dann via Google auf polnischen Seiten weitersuchen zu können, musste ich auf google.pl wechseln und habe dort "Różaniec Garnek" eingegeben, also auf polnisch "Rosenkranz Garnek".

So bin ich auf eine Seite gestossen, wo jemand berichtet, selber dieser Wundergeschichte nachgegangen zu sein: wyborcza.pl/7,95891,22465332,cud-rozancowy-w-garnku.html

Hier die Übersetzung:

Es war emotional, als ich im Blog Prawda-nieujawiona.blog.onet.pl den Text "Polnisches Rosenkranzwunder während des Zweiten Weltkriegs" las. Praktisch dieselbe Veröffentlichung wurde von anderen Internetportalen wie Pompejanska.rosemaria.pl, Fronda.pl, Rozaniec.maryjni.pl, Polskaniepodlegla.pl wiederholt. Es stelle sich heraus, dass es in Polen nur eine Gemeinde gebe, deren Einwohner die Unglücke und Tragödien des Zweiten Weltkriegs nicht erlebt hätten. Niemand aus dieser Gemeinde sei während des Krieges verstorben. Diese Gemeinde heisse Garnek, liege im Zentrum Polens, etwa 70 km von Warschau entfernt, und hätte im Jahre1939 7.000 Einwohner gehabt.

Der Autor des Blogs schreibt: „Während des ganzen Krieges hat kein Deutscher die Grenze dieser Gemeinde überschritten! ES IST EIN WUNDER! Wie kam diese Gemeinde zu diesem Wunder?“

Dann erklärt er, wie es war, und es habe am Tag des Kriegsausbruchs begonnen: „Der Pfarrer sagte dann folgende Worte zu den in der Kirche versammelten Menschen: Heute hat Deutschland, geführt von Hitler, Polen angegriffen. Hitler wird Polen und ganz Europa schrecklichen Schaden zufügen. Millionen Menschen werden sterben, Europa wird stark zerstört. Gibt es eine Rettung? Können wir den Tod vermeiden, unsere Häuser, Bauernhöfe und Arbeitsplätze retten? Ja, es gibt eine Rettung! Dieses Heil ist der Rosenkranz vor dem Allerheiligsten in der Monstranz! Von heute an bis zum Ende des Krieges (wir wissen nicht, wie lange dieser Krieg dauern wird) werden wir jeden Tag in unserer Kirche den Rosenkranz vor dem Allerheiligsten beten“. Auf wundersame Weise hat die Gemeinde Garnek den Zweiten Weltkrieg umgangen.

Ich wollte diese wunderbare Pfarrei besser kennenlernen. Auf dem Geoportal habe ich 5 Orte namens Garnek gefunden. Ein See im Kreis Poznań, ein Berg bei Ogrodzieniec, ein Feld im Kreis Giżycko und zwei Dörfer. Die Pfarrei muss in einer von ihnen sein. Allerdings stimmt hier etwas nicht. Garnek, ein Dorf in der Gemeinde Ceranów, Kreis Sokołów, Woiwodschaft Masowien, liegt etwa 123 km von Warschau entfernt und hat 19 Einwohner. Das Dorf liegt inmitten von Wäldern, und während des Krieges haben die Deutschen es vielleicht nicht besucht. Aber dass es so entvölkert würde? Umso mehr, weil es zur Gemeinde Ceranów gehört. Ich bezweifle, dass es in diesem Garnek jemals eine Gemeinde mit 7.000 Einwohnern geben wird. Es kann nicht dieser Pot sein.

Das zweite Garnek ist ein Dorf in der Gemeinde Kłomnice, Kreis Częstochowa, Woiwodschaft Schlesien, 233 km von Warschau entfernt. 824 Menschen leben dort. Möglicherweise gibt es dort eine Pfarrei, die vor dem Krieg 7.000 Einwohner hatte. Vielleicht hatte der Autor nur die Entfernung von Warschau falsch angegeben. Es muss ein wunderbarer Ort sein.

Und dieses Mal ist das Internet unbezahlbar. Auf der Website Niedziela.pl finde ich einen Artikel mit dem Titel „100 Jahre Gemeinde Garnek“. Neugierig lese ich: „Die Pfarrei der Unbefleckten Empfängnis Mariens in Garnek feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Sie liegt in der Nähe von Gidel und St. Anna. Durch seine Gegend verläuft einer der meistbesuchten Pilgerwege nach Jasna Góra. Das Jubiläum der Pfarrei in Garnek ist eine tolle Gelegenheit, ihre Geschichte besser kennenzulernen“.

Ja, ich möchte mehr über seine Geschichte erfahren und lese mit gerötetem Gesicht weiter: „Am Dreikönigstag – 6. Januar 1944 – umzingelten im Morgengrauen Gendarmen und SS-Männer Garnek mit einem Kordon. Der Schulleiter Jan Szadkowski mit seiner Frau Kazimierz Jackowski, einer Lehrerin, und P. Znamirowski arbeiteten alle im Untergrund und standen auf der Liste im Besitz der Deutschen. Während der Besetzung jagten die Deutschen 60 Männer, die unter den Gläubigen auf dem Weg zur Kirche ausgewählt wurden, zum Schulgebäude. 33 Personen wurden deportiert und der Rest freigelassen. Eine ähnliche Aktion wurde am nächsten Tag wiederholt. Weitere 17 Personen wurden festgenommen. Menschen, die auf der von den Deutschen geführten Liste standen, wurden ins Konzentrationslager gebracht. Pater Kazimierz Znamirowski starb am 1. November 1944 in Nordhausen.

Liebe Leute, verd*** noch mal, ich habe nichts dagegen, den Rosenkranz zu beten. Aber indem Ihr solche Dummheiten schreibt, beleidigt Ihr diejenigen, die ernsthaft beteten, aber von den schrecklichen Ereignissen des Krieges nicht verschont wurden. Glaubt Ihr etwa, dass diejenigen, die durch Nazi-Kugeln, Bandera-Messer und -Gabeln starben, keine guten Katholiken waren?


Soweit der übersetzte Text. Vielleicht ist diese Recherche nicht der Weisheit allerletzter Schluss, und es wurde doch noch ein anderer Ort gleichen Namens "übersehen". Das ist aber allein schon wegen der Grösse doch sehr unwahrscheinlich. Also aufgepasst mit solchen nicht verifizierten Geschichten, die letztlich mehr Schaden anrichten als Menschen zum Glauben führen! Es gibt ausreichend gut belegte Wunder, welche von der Macht des Gebetes zeugen, und von denen man auch berichten kann, darf und soll.

wyborcza.pl/7,95891,22465332,cud-rozancowy-w-garnku.html