Gerti Harzl
18382

War es gewollter Massenmord? Der Holodomor von 1932/33

Aufruf des Kardinals Erzbischofs von Wien, Dr. Theodor Innitzer (1875-1955). In einer Stunde, die mit ihrem tiefen Ernst das Verantwortungsbewußtsein der gesitteten Menschheit wachruft, erwächst die …More
Aufruf des Kardinals Erzbischofs von Wien, Dr. Theodor Innitzer (1875-1955). In einer Stunde, die mit ihrem tiefen Ernst das Verantwortungsbewußtsein der gesitteten Menschheit wachruft, erwächst die Pflicht, die Weltöffentlichkeit zu einem Hilfswerk aufzurufen. Keine Ableugnungsversuche können die Tatsache widerlegen, daß hunderttausende, ja Millionen von Menschen in den letzten Monaten in Sowjetrußland am Hunger zugrunde gegangen sind. Hunderte von ergreifenden Briefen aus den Hungergebieten der Sowjetunion, vor allem aus der Ukraine und dem Nordkaukasus, berichten darüber, desgleichen schildern Augenzeugen, über deren Kompetenz keine Zweifel bestehen, die erschütternden Einzelheiten der in Rußland vor sich gehenden Tragödie. Ich verweise hier auf den Appell des Fürstenmetropoliten von Galizien, Andreas Scheptyckyj, in welchem über die furchtbaren Leiden der Bevölkerung im ukrainischen Gebiete der Sowjetunion ergreifend berichtet wird. Auch der Engländer Garreth Jones bestätigt dies …More
Gerti Harzl
Dr. Ewald Ammende, Generalsekretär der Europäischen Nationalitäten-Kongresse, August 1933:
„Die Hungerkatastrophe in Rußland läßt sich nicht mehr verheimlichen. Die zivilisierte Welt wird vor die Frage gestellt: will sie es mit ansehen, wie im kommenden Winter, gleich wie im letzten Halbjahr, Millionen unschuldiger Menschen in der Sowjetunion – in der Ukraine, an der Wolga, im Nordkaukasus und …More
Dr. Ewald Ammende, Generalsekretär der Europäischen Nationalitäten-Kongresse, August 1933:

„Die Hungerkatastrophe in Rußland läßt sich nicht mehr verheimlichen. Die zivilisierte Welt wird vor die Frage gestellt: will sie es mit ansehen, wie im kommenden Winter, gleich wie im letzten Halbjahr, Millionen unschuldiger Menschen in der Sowjetunion – in der Ukraine, an der Wolga, im Nordkaukasus und Sibirien – verhungern werden, obwohl eine Hilfsaktion ohne Schwierigkeiten in die Wege geleitet werden könnte? Diese Frage muß jetzt klar beantwortet werden. Entscheidet man sich für die Hilfeleistung, so darf keine Stunde mehr zugewartet werden. Sonst könnte es leicht zu spät sein. …

Man wird vielleicht einzuwenden suchen, daß der Wahrheitsbeweis für die von uns dargelegte Lage in Rußland noch nicht in genügendem Maße gelungen ist. Dieser Einwand ist nicht stichhältig. Die Nachrichten über die russische Hungerkatastrophe sind von einer so erdrückenden Art, daß sie kaum noch abgeleugnet werden können. Sollte dennoch ein weiteres Dementi erfolgen, so wäre auf Grund der vorhandenen Unterlagen von sachverständiger Seite, insbesondere der in Frage kommenden landwirtschaftlichen Spezialisten, die Forderung zu stellen, daß eine internationale Kommission hervorragender Sachverständiger, die außerhalb aller politischen Bindungen steht, sofort die Möglichkeit erhielte, die tatsächliche Lage in den russischen Agrargebieten festzustellen und sie der Öffentlichkeit bekanntzugeben. ...

Die Katastrophe in Rußland hat jetzt einen Umfang erreicht, daß Einzelaktionen – gesonderte Hilfeleistungen für die eine oder die andere Kategorie der Notleidenden – nicht mehr in Betracht kommen können. Der Hunger und die Epidemien haben Katholiken, Lutheraner und Orthodoxe, Russen, Ukrainer, Deutsche, Juden, Finnen, Esten, Letten, d. h. alle Bewohner der in Frage kommenden Gebiete in gleichem Maße betroffen. Die Hilfe kann daher nur generell im Rahmen einer großangelegten und allgemeinen Hilfsaktion für alle Hilfsbedürftigen ohne Unterschied durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Gesamtaktion ist aber natürlich ein Sondervorgehen von einzelnen Gruppen, die ihren in Rußland lebenden Volks- und Glaubensgenossen helfen wollen, möglich. …

Wir leben in einer Zeit der Hartherzigkeit und stetig wachsender wirtschaftlicher Sorgen. Die Notwendigkeit, daß seitens der zivilisierten Völker Europas etwas zur Errettung der in Rußland massenweise zugrunde gehenden Menschen geschieht, bedeutet eine sittliche Pflicht, deren Ablehnung ein unabsehbar fürchterlicher Ergebnis haben müßte. ...

Aus dem hier Angeführten ergibt sich einerseits, daß die Tatsache der russischen Hungerkatastrophe wohl nicht mehr in Zweifel gesetzt werden kann, andererseits aber, daß seitens der Sowjetregierung systematische Bemühungen vorgenommen werden, um immer noch den Eindruck zu erwecken, daß im Lande nichts Außergewöhnliches vor sich geht. Daher ist nunmehr vor allem die Forderung nach einer vollen Klärung der Situation zu stellen. Die öffentliche Meinung der Welt kann und darf sich heute, wo die Kunde von der russischen Hungerkatastrophe von den verschiedensten zuverlässigen Zeugen bestätigt wird, nicht mehr stillschweigend über den Untergang von Hunderttausenden und Millionen von Menschen hinwegsetzen. Durch solch ein Urteil von sachverständiger Seite wäre der Sowjetregierung – wenn sie dieses ermöglichen würde – wohl die beste Gelegenheit zu einem Beweis, daß alle Behauptungen über den russischen Hunger auf 'unwahren Ausstreuungen' beruhen, gegeben.“