Der andere Blick

Genderdeutsch, Erotik und Umverteilung: Auf dem deutschen Katholikentag lässt sich die Implosion der Kirche beobachten

Die Grossveranstaltungen der christlichen Laien in Deutschland hatten immer schon eine politische Schlagseite. So stramm links wie in diesem Jahr ging es aber selten zu.

Alexander Kissler, Berlin 147 Kommentare
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Am Mittwoch begann in Stuttgart der Katholikentag. Er steht unter dem klein geschriebenen Motto «leben teilen» und dauert bis Sonntag.

Am Mittwoch begann in Stuttgart der Katholikentag. Er steht unter dem klein geschriebenen Motto «leben teilen» und dauert bis Sonntag.

Arnulf Hettrich / Imago
Alexander Kissler ist politischer Redaktor der NZZ in Deutschland.

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NZZ

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Aus Christi Himmelfahrt wurde längst der Vater- oder Herrentag. Nur eine Minderheit der Getauften vermag den Inhalt des Festes zu erklären, und nur eine Minderheit dieser Minderheit begeht es mit einem Gottesdienst. Wen weder der Bollerwagen ins Freie noch Christi nachösterliche Auffahrt in eine Kirche lockt, der kann sich auf dem 102. deutschen Katholikentag in Stuttgart gemeinsam mit «Zehntausenden Katholik:innen und Gläubigen aller Konfessionen» von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier «Klimakrise, Pandemie und Krieg» erklären lassen. Oder SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert lauschen, wenn er die Frage beantwortet «Wer braucht noch die Kirche»? Auch Kanzler Olaf Scholz hat sein Kommen angekündigt. An Prominenz, Politik und Parolen herrscht kein Mangel, an Gläubigen und Glaubenswissen desto mehr.

Katholikentage werden veranstaltet vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und erlauben insofern einen konzentrierten Blick in eine verbandskatholische Parallelgesellschaft. Gekennzeichnet ist diese durch eine satte Zweidrittelmehrheit für linke politische Projekte und Parteien. Die Farben des Katholikentages sind passenderweise nicht das Blau des Himmels oder gar das Weiss und Gelb des Vatikans. Stattdessen dominieren Grün, Rot und Dunkelrot.

Sprechen wir doch über Sex

Von Bündnis 90/Die Grünen kommen die Parteivorsitzende Ricarda Lang, die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger, Bundestags- und EU-Abgeordnete, der Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und mit Winfried Kretschmann der gastgebende Ministerpräsident. Er deutet die Apostelgeschichte und diskutiert über sein Amtsverständnis.

Die SPD schickt neben dem Generalsekretär unter anderem ihren religionspolitischen Sprecher, ihre gesundheitspolitische Sprecherin und ihren Fraktionsvorsitzenden aus dem Bundestag. Dazu kommen die Staatsministerin der Ampel-Regierung für Integration, mit Andrea Nahles eine ehemalige Bundesministerin und mit Marie Luise Dreyer eine gegenwärtige Ministerpräsidentin.

Abgesandte von FDP und CDU muss man mit der Lupe suchen, die AfD ist im Gegensatz zur Linkspartei überhaupt nicht vertreten, wohl aber das Robert-Koch-Institut. Dessen Präsident Lothar Wieler steuert eine «digital vorproduzierte» Bibelarbeit bei.

Die Titel der Veranstaltungen wechseln, die Themen bleiben sich mehr oder minder gleich: Klimaschutz, Klimakrise, Klimakollaps einerseits, Transformation, Integration, Migration andererseits. Auch der Krieg in der Ukraine wird behandelt. Es spricht eine «Fachpromoterin für Empowerment und interkulturelle Öffnung» über Kolonialismus, und eine Theologiestudentin ermuntert zum «Sprechen über Zärtlichkeit, Erotik und Sex».

Immer dieselben Gassenhauer

Der Distinktionsgewinn für die Politiker liegt auf der Hand: Man ist weltanschaulich unter sich, erscheint als nachdenklich, reiht sich in die postmaterialistische Elite ein und bekommt Applaus. Was versprechen sich aber die Veranstalter, was die katholischen Christen vom ideologischen Unterhaken?

Der Publikumszuspruch weist ebenso nach unten wie die Mitgliederentwicklung der grossen Kirchen. Die vorangegangenen Katholikentage hatten zwischen 40 000 und 90 000 Besucher; nun wäre man mit deren 30 000 und damit mit rund 1,3 Promille der Kirchenmitglieder zufrieden. Wenn die ewiggleichen Gassenhauer – innerkirchlich sind das: Zölibat, Weihe der Frau, Synodalität – ohne sichtbaren Erkenntnisgewinn oder irgendeine Bewegung in der Sache wieder und wieder vorgetragen werden, erlahmt das Interesse bei allen Beteiligten.

Wer als deutscher Katholik Überlieferungstreue und Spiritualität erwartet, wird von seiner Kirche ebenso wenig bedient wie all jene, die auf synodalen und sonstigen Wegen immer neue Reformwünsche formulieren. Daran wird ein Katholikentag, der so tut, als gäbe es nur die progressistische Sicht der Dinge, nichts ändern.

Ein Papst, der sich die deutsche Reformagenda zu eigen machte, morgen die Bischofswahl demokratisierte und übermorgen Frauen zu Priestern weihte, wäre bald kein Papst mehr. Die Abspaltung mehrerer Ortskirchen wäre unvermeidlich. So bleibt die katholische Kirche in Deutschland gefangen zwischen einer Zukunft, die sie ängstigt, und einer Vergangenheit, die sie ablehnt. Folgerichtig wird sie in der Gegenwart zerrieben.

Die Missbrauchskrise ist längst nicht aufgearbeitet

Zum gordischen Knoten aus politischem Aktivismus und theologischem Desinteresse, den die Kirche täglich fester zieht, kommt das selbstverschuldete Drama der Missbrauchskrise. Weder wurden bisher alle Opfer angemessen entschädigt noch alle Täter hinreichend bestraft. Was aus dem Rücktrittsangebot des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki wird, ist ebenso unklar wie die Konsequenz aus dem Verhalten von Reinhard Kardinal Marx während seiner Münchner und Trierer Zeit. Erst gegen Ende dieses Jahres will die «unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich der Diözese Trier» ihren Bericht vorlegen.

Der derzeitige Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, muss sich vorhalten lassen, einen wegen der Belästigung zweier Frauen ermahnten Priester noch zum Bezirksdekan befördert zu haben. Auf dem Katholikentag soll Bätzing, der sich selbst als Reformer begreift und seinen Amtskollegen gerne Ratschläge erteilt, gleich drei Programmpunkte bestreiten.

Ob die katholische Kirche in Deutschland mittelfristig verschwindet, wird die Zukunft weisen. Dass und wie sie implodiert, lässt sich auf dem Katholikentag sehen.

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Roland Dr. Mock

Schon die Gästeliste dieses „Katholikentages“ ist zum Gruseln: Kühnert, Dreyer, Nahles, Lang… Alles erklärte Marxisten, die nicht einen Tag auslassen, zum Klassenkampf und zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft aufzurufen. Die fühlen sich unter dem Dach ihrer bischöflichen Glaubensbrüder natürlich pudelwohl. „Antikapitslismus“ (selbst im Vatikan gepredigt), „Klima“, „ Kampf gegen Rechts“: Es wird nicht das Evangelium, es wird linker Zeitgeist verbreitet. Eine „Kirche“, die Parteizentrale der Vereinigten Linken statt Gotteshaus ist, verdient diesen Namen nicht. Also bleiben wirklich nur zwei Möglichkeiten; Entweder - wie Herr Kissler vermutet- sie implodiert. Oder irgendjemand nimmt diesen sozialistisch Agitatoren im Priestergewand endlich den Schlüssel zu den Gotteshäusern ab.

Matthias Schäfer

Eine Gemeinschaft die sich bei aller Klarheit der biblischen Botschaft derart dem vermeintlichen Zeitgeist hingibt und sich vor aller möglichen Diversität bis zur Unkenntlichkeit verbiegt muss sich nicht wundern wenn sie im Leben der normalen Bürger keine Bedeutung mehr hat. Da ist der Islam in Deutschland scheins besser positioniert.  Unsere Glocken werden durch Minarette ersetzt. Für solch Ergebnis brauche ich keinen Kirchentag.