Papst Franziskus : »Vor Jahren habe ich ein Kreuz gestohlen

Es ist ein kleines Kruzifix • Es gehörte seinem toten Beichtvater • Er trägt es noch immer bei sich

Von: Von ALBERT LINK

Ein Kreuz in der Tasche unter seiner weißen Soutane erinnert Papst Franziskus (77) jeden Tag daran, dass auch er ein Sünder ist – oder zumindest war, an einem Ostersonntag vor vielen Jahren. Denn wie lautet das siebte Gebot des Herrn: Du sollst nicht stehlen...

Ungewöhnliche „Beichtstunde“ in der Audienzhalle des Vatikan: Vor Tausenden Priestern seiner Erzdiözese erzählte der Bischof von Rom in freier Rede, wie er ausgerechnet in einer Kirche seiner Heimatstadt Buenos Aires einmal lange Finger gemacht hat.

„Radio Vatikan“ zitiert den Papst mit den Worten, er habe als Generalvikar an einem Ostermorgen vom Tod eines Geistlichen erfahren, der bereits weit über 90 Jahre alt gewesen sei. Er habe sich von ihm oft die Beichte abnehmen lassen – wie „fast der gesamte Klerus“ der Hauptstadt Argentiniens.

Die Trauerfreier habe er wegen einer anderen Verpflichtung verpasst. Doch zum Abschied nehmen sei er noch rechtzeitig in die Kirche gekommen, erzählte Franziskus: „Es war eine große Kirche, sehr groß, mit einer wunderschönen Krypta. Ich bin in die Krypta hinabgestiegen und dort war die Bahre, nur zwei alte Menschen waren da und haben gebetet. Es gab keine Blumen.

Da habe ich mir gedacht: Aber dieser Mann hat die Sünden des gesamten Klerus von Buenos Aires vergeben, auch mir, und hier sind noch nicht einmal Blumen?“

Er sei deshalb schnell Rosen kaufen gegangen, bei einem Straßenhändler, und habe die Bahre mit diesen Blumen geschmückt.

DER KLEINE DIEB, DER IN UNS ALLEN STECKT

Der Papst gestand in der Audienzhalle: „Ich habe den Rosenkranz gesehen, den er in den Händen hatte. Da ist in mir der kleine Dieb wachgeworden, der ja in uns allen steckt, oder? Und während ich dort die Blumen verteilte, habe ich das Kreuz vom Rosenkranz abgenommen.“

In diesem Moment habe er den Verstorbenen angesehen und gesagt: „Gib mir die Hälfte deiner Barmherzigkeit!“ Und habe „eine Kraft gespürt, die mich das hat machen lassen. (...) Dann habe ich das Kreuz in die Tasche gesteckt.“

„BLITZABLEITER“ FÜR NEGATIVE GEDANKEN

Bis heute trage er das Kruzifix immer bei sich, wenn er unter Menschen geht: „Wenn mir ein böser Gedanke gegen einen anderen kommt, dann geht meine Hand sofort dahin, immer. Und ich spüre die Gnade, nicht wahr? Das tut mir gut“, sagte der Papst mit einem Lächeln zu seinen verblüfften Priestern.

Der Papst, den in seiner Zeit als Erzbischof Jorge Mario Bergoglio selbst im Vatikan kaum jemand kannte, ist in Italien, in Südamerika und auch in den USA zum ersten Jahrestag seiner Wahl (13. März) auf dem Gipfel seiner Popularität.

Erst am Vortag hatte der Heilige Vater die Weltöffentlichkeit mit dem Geständnis überrascht, im Priesterseminar habe ihm ein Mädchen „eine Woche lang den Kopf verdreht“.

Im selben Interview hatte er betont, dass ihm der Rummel um seine Person, ein gewisser Papst-Franziskus-Mythos, langsam zu viel wird: Den Papst als eine Art Superman zu zeichnen, eine Art Star, scheint mir beleidigend. Der Papst ist ein Mensch, der lacht, weint, ruhig schläft und Freunde hat wie alle. Ein normaler Mensch.

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