57.
St. Patrick und die Druiden.

[121] Der König hatte am Bealteine1-Abend seine vornehmsten Ritter in Tara versammelt und der Hauptpriester der Druiden stand bereit, das heilige Feuer anzuzünden, als der König ein anderes Feuer auf einem östlichen Hügel bemerkte.

»Wer erlaubt sich,« rief er wüthend aus, »sein Feuer anzuzünden, ohne daß wir mit dem unsrigen zuerst das Zeichen dazu gegeben haben?«

»König,« erwiderte der Druide, »wenn dies Feuer nicht augenblicklich ausgelöscht wird, so wird es unsere heiligen Gebräuche zerstören und der Verwegene wird Irland bis an's Ende der Zeit regieren.«

»Löscht sein Feuer aus und laßt ihn herbringen!«

»Ich werde mit einigen Leuten gehen,« antwortete der Druide; »aber diejenigen, welche zurückbleiben, müssen dem unerlaubten Feuer den Rücken kehren. Auch müssen sie inzwischen unsern heiligen Scheiterhaufen anzünden, damit sich ganz Erin an seinem Lichte erfreue. Niemand darf dem Fremden bei seiner Ankunft Ehre erzeigen!«

Darnach ging der Druide mit einigen Priestern und Rittern fort.[121]

»Was sollen diese Beschwörungen?« fragte er barsch, als er bei den Fremden war und ihre zahlreichen Bücher und eigentümliche Kleidung bemerkte; »löscht das verderbliche Feuer augenblicklich aus und begleitet mich zum Könige!«

Als sie beim Könige ankamen, stand Niemand außer dem alten Druiden Dubhthach und dem jungen Dichter Fiech auf, sie zu begrüßen, was ihnen indeß übel bemerkt wurde.

Der König sah die Fremden mürrisch an und sagte: »Kennt ihr nicht das Gesetz dieses Landes, daß Niemand am Bealteine das Feuer anzünden darf, ehe er den Scheiterhaufen von Tara leuchten sieht? Wißt ihr auch nicht, daß jeder Zuwiderhandelnde sein Leben verwirkt?«

Darauf fing Patrick an, von der Dreieinigkeit Gottes, vom Sündenfall, der Erlösung und dem ungesetzlichen Götzendienst zu predigen und bat die Anwesenden, die neue Religion anzunehmen und sich der ewigen Seligkeit zu versichern. Und er predigte nicht ganz tauben Ohren; der König ließ ihm und seinen Gefährten Nachtherberge anweisen und ersuchte die Druiden, am nächsten Morgen mit ihm zu disputiren.

Am folgenden Morgen erschienen Tausende von Neugierigen, um dem wichtigen Wortgefechte zu lauschen.

»Wenn der Sohn Gottes,« fing der Oberpriester der Druiden an, »die Welt erlöst und er dich zu uns geschickt hat, so wäre es gut, wenn du die Wahrheit deiner Aussage durch ein Wunder bewiesest!«

»Ich mag die Vorsehung nicht herausfordern, um eure Neugierde zu befriedigen,« erwiderte der Heilige bescheiden.

»Nun, dann werde ich dir etwas zeigen, was du mir nicht nachmachst.«

Darauf beschrieb er mit seinem Zauberstabe einen Kreis in der Luft, murmelte einige Beschwörungsformeln dazu und alsbald fiel ein mehrere Fuß hoher Schnee und es ward so kalt, daß den Leuten die Zähne klapperten.

»Du hast deinen Anhängern keinen lobenswerthen Dienst erwiesen,« sagte St. Patrick; »laß lieber die warme Sonne scheinen und banne Eis und Schnee weg!«

»Das kann ich nicht vor morgen früh,« erwiderte er.[122]

»Du hast also nur die Gabe, Böses zu thun; dein Meister hat es sicherlich nicht gut mit dir gemeint.« Nun machte er das Zeichen des Kreuzes und der Schnee sank in den Boden, was ihm den einstimmigen Beifall der Anwesenden einbrachte.

»Seht her, was ich jetzt thun werde!« rief der Druide ärgerlich, und gleich umgab Alle dichte Finsterniß. Auf das Gebet des Heiligen verschwand sie jedoch bald wieder.

Der König wünschte noch andere Beweise und sprach zu Beiden: »Ein Jeder werfe sein Buch in's Wasser und das, welches unbenäßt bleibt, enthält die reine Wahrheit!«

»Damit bin ich nicht einverstanden,« entgegnete der Druide; »mein Feind beherrscht das Wasser!«

»Dann werft eure Bücher in's Feuer!«

»Er hat auch das Feuer in seiner Macht!«

»Jetzt habe ich aber genug der Widerrede! Ein Jeder von euch setze sich in eine Hütte aus dürren Zweigen, die darnach angezündet werden sollen!«

»Nein,« fiel St. Patrick ein, »laßt eine aus grünen Zweigen bauen; diese werde ich meinem Widersacher überlassen.«

Darauf bat der junge St. Benin, ein Begleiter St. Patrick's, sich in die dritte Hütte setzen zu dürfen, was ihm auch gewährt wurde.

Ehe er hineinging, wechselte er mit dem Druiden den Mantel und dann wurden beide Hütten zu gleicher Zeit angezündet.

In einem Augenblicke war die grüne Hütte mit dem Druiden in einen Haufen Asche verwandelt; nur der Mantel des jungen Priesters blieb unversehrt. Die Hütte St. Benin's verbrannte auch mit dem Mantel des Druiden; dem Apostel aber wurde dabei kein Haar versengt.

Darauf erklärten sich Alle für den Glauben St. Patrick's.

1

Ostersonntag. Das betreffende Fest wurde jedoch stets am 1. Mai gefeiert.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 121-123.
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