Polizei lässt Verdächtigen frei: Die Jagd nach dem Terror-Teufel

Bewaffneter Täter auf der Flucht ++ Keine heiße Spur ISIS bekennt sich ++ 12 Tote, 48 Verletzte, 14 Verletzte in Lebensgefahr ++ Alle Infos im Live-Ticker

Berlin – Hundertschaften und Spezialkräfte stehen bereit, Hunderte Polizisten fahnden in der Hauptstadt nach dem Terroristen! Noch ist völlig unklar, wer den Laster am Montagabend auf den Weihnachtsmarkt gelenkt, zwölf Menschen getötet und 48 Opfer teils schwer verletzt hat. Der Attentäter ist noch mit Waffe auf der Flucht!

Fest steht: Der verhaftete Flüchtling Naved B. (23) aus Pakistan ist nicht der Gesuchte.

DAS PROTOKOLL DER JAGD

► Montag, 20.05 Uhr: Nach dem Anschlag meldet sich ein Anrufer über den Notruf bei der Polizei: Er verfolge den Fahrer des Sattelzugs.

► 20.56 Uhr: Der Zeuge gibt Standortmeldungen durch, an der Siegessäule, rund zwei Kilometer vom Anschlagsort entfernt, überwältigen Streifenpolizisten den Terror-Verdächtigen.

► 21.50 Uhr: Berlins Regierender Bürgermeister ist auf dem Breitscheidplatz, verkündet: „Die Lage hier vor Ort ist unter Kontrolle.“

► 22.06 Uhr: Die Berliner Polizei gibt Entwarnung für den Tatort. Ein BKA-Mann zu BILD: „Die Fahndungsmaßnahmen wurden heruntergefahren, aber Schutz an gefährdeten Objekten verstärkt.“

► 23.35 Uhr: Polizeisprecher Thomas Neuendorf „Wir können nur zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass keine Gefahr mehr besteht.“

► Dienstag, 3.30 Uhr: 200 Beamte stürmen die Flüchtlingsunterkunft im Hangar am Flughafen Tempelhof, durchsuchen alles – vergeblich.

Ein fataler Irrtum!

► 13 Uhr: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Innensenator Andreas Geisel und Polizeipräsident Klaus Kandt geben eine Pressekonferenz. Kandt äußert erste Zweifel im Bezug auf die Festnahme: „Es ist nach meinem Stand unsicher, ob das wirklich der Fahrer war.“

► 13.15 Uhr: Die Polizei twittert: „Der festgenommene Tatverdächtige streitet derzeit die Tat am #Breitscheidplatz ab. Wir sind daher besonders wachsam.“

► 14.37 Uhr: Pressekonferenz mit BKA-Chef Holger Münch, Generalbundesanwalt Peter Frank und Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt. Laut Peter Frank müssen sich die Ermittler „mit dem Gedanken vertraut machen, dass der Festgenommene eventuell nicht der Täter war oder zur Tätergruppe gehörte.“

Denn nach BILD-Informationen taucht der bisher Verdächtige Naved B. in keiner Terror-Datenbank auf.

Er gibt an, als Passant am Weihnachtsmarkt gewesen und aus Angst weggelaufen zu sein. Im Lkw wurden Blutspuren und blutverschmierte Kleidung gefunden – keine gehört zu dem 23-Jährigen. Er ist bei der Festnahme unverletzt gewesen – bei der Beschädigung des Fahrzeugs schwer vorstellbar.

Der Zeuge, der den Verdächtigen verfolgt hatte, räumt später ein, nicht gesehen zu haben, wie Naved B. aus dem Laster stieg.

Auch Schmauchspuren können die Kriminal-Experten nicht an ihm finden. Der Täter hat den polnischen Fahrer des Lasters erschossen. Was im Führerhaus genau geschah - unklar.

BKA-Chef Holger Münch: „Wir haben keine Tatwaffe. All das führt dazu, dass wir hoch alarmiert sind und in alle Richtungen ermitteln.“ Die Großfahndung läuft wieder.

Verdächtiger Pakistani freigelassen

Er war als Besucher auf dem Weihnachtsmarkt – und geriet unter Terror-Verdacht.

Naved B. (23) wurde am 31.12.2015 als Flüchtling registriert, stammt aus dem Ort Turbat in Pakistan, kam über die Balkanroute nach Deutschland.

Er reiste in einer etwa 15-köpfigen Gruppe. Im Februar stellte er Asylantrag, das Verfahren ist nicht abgeschlossen. Er ist polizeibekannt, wurde im Juli wegen eines sexuellen Übergriffs und Beleidigungen erkennungsdienstlich behandelt.

Bei seinem Asylverfahren kamen mehrere Anhörungen nicht zustande, weil er zu Terminen nicht erschien. Er gab an, nur Belutschi zu sprechen, wofür es keinen Dolmetscher gab. Er lebt im Flüchtlingsheim am ehemaligen Flughafen Tempelhof. Er wurde gestern Abend wieder auf freien Fuß gesetzt.

Live-Ticker

  • Amri hatte auch Kontakte nach Spanien

    Auch die Behörden in Spanien untersuchen Kontakte eines ihrer Staatsangehörigen zu Amri. Ob es zu Festnahmen komme, müssten die weiteren Ermittlungen ergeben, sagte Innenminister Juan Ignacio Zoido dem Hörfunksender COPE.

  • Sieben Deutsche unter den Toten des Anschlags

    Unter den zwölf Todesopfern des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin sind sieben Deutsche. Das teilte eine Sprecherin des Bundeskriminalamts in Wiesbaden am Samstag mit. Aus Polen, Italien, Israel, Tschechien und der Ukraine stammt demnach jeweils einer der Toten des Anschlags. Weitere Angaben zu Geschlecht und Alter der Opfer wollte die BKA-Sprecherin nicht machen.

  • Der verletzte Polizist kann das Krankenhaus verlassen

    Nach dem Schusswechsel bei Mailand mit dem mutmaßlichen Attentäter von Berlin darf der dabei verletzte italienische Polizist das Krankenhaus wieder verlassen. Christian Movio gehe es sehr gut, sagte der Direktor des Krankenhauses in Monza am Samstag laut Nachrichtenagentur Ansa. Am Nachmittag werde er entlassen. Er könne bald wieder arbeiten. Dem Polizisten wurde ein Projektil aus der Schulter operiert.

    Christian Movio

    Christian Movio wurde an der Schulter getroffen, im Krankenhaus operiert

    Foto: dpa Picture-Alliance
  • Berliner Moschee-Besucher meldet sich

    Nach dem Terror-Anschlag in Berlin am Breitscheidplatz veröffentlichte der rbb Fotos, auf denen angeblich Attentäter Anis Amri vor der Moschee in der Perlenberger Strasse zu sehen war.

    Mittlerweile steht eindeutig fest, dass es sich nicht um den Tunesier Anis Amri handelt: Der abgebildete Mann hat sich bei der Polizei gemeldet.

     

  • Drei Festnahmen

    Im Zusammenhang mit dem Berlin-Attentäter Anis Amri (24) sind in Tunesien drei Verdächtige festgenommen worden. Einer davon sei ein Neffe des Mörders. Der war in der Nacht zu Freitag von der italienischen Polizei bei Mailand erschossen worden. Das erklärte das Innenministerium in Tunis.

    Die drei am Freitag gefassten Verdächtigen seien Mitglieder einer „Terrorzelle“, die in Verbindung zu Amri gestanden habe.

  • Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert bessere Polizei-Vernetzung

    Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert eine bessere Vernetzung der deutschen Polizei. „Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland im Grunde genommen die Zustände vor 1812, Kleinstaaterei in der Technik und in der Polizei“, sagte BDK-Vize Ulf Küch am Samstag im Interview mit „NDR Info“.

    So könnte etwa ein Polizeibeamter in Bayern nicht feststellen, ob jemand wie Amri vielleicht am Vortag in Hamburg auffällig gewesen sei. „Das ist technisch nicht möglich, weil wir nicht miteinander verbunden sind.“ Die Netzwerke der Verfassungsschutzämter und Ausländerämter sein ebenfalls unterschiedlich.

  • Weihnachtsmessen: Französische Polizei in Alarmbereitschaft

    Nach dem Anschlag in Berlin will die französische Polizei einige Weihnachtsmessen mit einem großen Sicherheitsaufgebot schützen. Das Attentat auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche habe die französischen Behörden daran erinnert, „dass neue Überprüfungen durchgeführt werden müssen, überprüft werden muss, dass alle Weihnachtsmärkte und alle Mitternachtsmessen gut geschützt sind“, sagte der Generaldirektor der Nationalen Polizei, Jean-Marc Falcone, laut Vorabveröffentlichungen vom Samstag der Zeitung „Journal du Dimanche“.

    Bei den am stärksten besuchten Weihnachtsmessen in einigen französischen Großstädten gebe es dieses Jahr „nicht nur eine Polizeipräsenz, sondern Kapazitäten für einen praktisch sofortigen Gegenschlag“, kündigte Falcone an.

    In der nordfranzösischen Stadt Saint-Etienne-du-Rouvray hatten am 26. Juli zwei 19-Jährige, die sich zur Terrormiliz IIS bekannten, während der Morgenmesse eine Kirche gestürmt. Sie ermordeten den 85-jährigen Pater Jacques Hamel vor den Augen mehrerer Gottesdienstbesucher und verletzten einen 87-Jährigen schwer. Die Polizei erschoss die beiden Täter. 

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