Greta Thunberg bei „Maischberger“: Energiesparen ist bei uns Kommunismus

Das Gespräch zwischen Sandra Maischberger und Klimaaktivistin Greta Thunberg wurde vor dem Mittwochs-Talk aufgezeichnet

Das Gespräch zwischen Sandra Maischberger und Klimaaktivistin Greta Thunberg wurde vor dem Mittwochs-Talk aufgezeichnet

Foto: Das Erste
Von: JOSEF NYARY

Bluffs, Märchen, Winkelzüge: Mit ihren Atom-Tricks erklimmen die Grünen die Spitzenposition der energiepolitischen Heuchelei.

Jetzt aber geht ihnen Klima-Greta von der Fahne. Außerdem talkt Sandra Maischberger über zwei, die dringend Hilfe brauchen: die Ukraine und die FDP.

Die Gäste

► Greta Thunberg (19). Die Klimaaktivistin schockt ihre deutschen Fans mit einem Knaller über Kernkraftwerke: „Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden!“

► Wolfgang Kubicki (70, FDP). Der Bundestagsvizepräsident droht auf WELT: „Wenn jetzt alle ihr eigenes Ding machen, dann macht auch die FDP ihr eigenes Ding!“

► Alexander Kissler (52). Der Journalist („Neue Zürcher Zeitung“) rät: „Die FDP sollte die Ampel verlassen!“

► Eva Schulz (32). Die Podcasterin („funk“) wettert über die Energiebeschlüsse: „Gießkannenlösung!“

► Theo Koll (64). Der ZDF-Moderator hofft, „dass am Ende dieses Krieges und der Krisen wir vielleicht alle davon profitieren, dass wir ein anderes Umweltbewusstsein haben.“ Jou!

Gäste mit Meinungskraft, Kritiker ohne Kompromisse: Heute steht auch das Zoff-o-Meter unter Strom!

Zerknirschteste Kapitulation

Der Greta-Knaller zur Laufzeitverlängerung weckt gemischte Gefühle. „Ich bin mein Leben lang gegen Atomkraftwerke gewesen“, outet sich ZDF-Koll, „aber ich stimme ihr zu.“ Seine Begründung für den Spurwechsel: „In dieser Krise erleben wir ja alle, dass wir Werte anders beurteilen…“

Podcasterin Schulz hilft sich mit einem neuen Greta-Zitat aus der Patsche: „Sie hat ja heute schon nachgelegt und sofort gesagt, wer jetzt mit ihren Aussagen Cherry Picking betreibt, wer sich nur einzelne Aussagen nimmt und in seine oder ihre politische Richtung packt, das kann's auch nicht sein.“ Uff!

Die Podcasterin Eva Schulz (32)

Die Podcasterin Eva Schulz (32)

Foto: Das Erste

Energischste Zustimmung

„NZZ“-Journalist Kissler geht auf Distanz: „Ich gehöre nicht zu denen, die im Greta-Thunberg-Fanclub sind“, bekennt er. „Ich halte sie weder für eine kindliche Kaiserin noch für ein Klima-Orakel mit unfehlbaren Wahrheiten. Ich sehe das nach wie vor kritisch, dieses Denken in Panik-Szenarien!“

Die Atomkraft-Aussage aber, so der Journalist weiter, „gibt mir Anlass zur Hoffnung, dass sie manchmal auch pragmatisch sein kann.“ Die Klima-Bilanz eines Akw sei deutlich besser als die zusätzlicher Kohlekraftwerke, und „wenn Frau Thunberg dazu beiträgt, diesen Irrsinn zu stoppen, müsste ich sagen: Danke, Greta.“ Heiterkeit in der Runde!

Dramatischste Prophezeiung

Ein ARD-Einspieler zitiert FDP-Chef Christian Lindner mit der verkappten Drohung: „Wir müssen schauen, dass wir die Rolle und Bedeutung der FDP in der Ampel besser herausarbeiten!“

Für Kissler ist das „ein letzter verzweifelter Versuch, so etwas wie ein liberales Restprofil in dieser linken Koalition zu retten.“

Denn, so der Journalist: „Der FDP sind 60 Prozent der Wähler in Niedersachsen von der Stange gegangen. Sie droht die regionale Verankerung zu verlieren. Eine gedemütigte FDP wird sich die Ampel nicht noch zweieinhalb Jahre antun. Diese Streitpunkte haben das Potential, die Ampel zu ihrem vorzeitigen Ende zu führen.“ Rumms!

Journalist Alexander Kissler (52)

Journalist Alexander Kissler (52)

Foto: Das Erste

Alarmierendstes Lagebild

„Die Lufthoheit über den Debattenbetten haben zurzeit die Grünen“, stellt Kissler umstandslos fest. „Sie verstehen es sehr geschickt, ihre Herzensthemen in den Vordergrund zu spielen. Die FDP ist in der Bremserposition, weil sie nach dem Finanzministerium gegriffen hat.“

„Der erste Satz von Lindner nach dem Koalitionsvertrag war: Wir haben einen neuen Olaf Scholz kennengelernt, der führen kann“, erinnert sich der Journalist. „Heute fällt er leider zurück in den alten Olaf Scholz.“

Entschlossenste Ankündigung

Kubicki grinst sich eins und gibt eine Runde Beruhigungspillen aus: „Kein verantwortlicher Politiker der FDP spielt mit dem Bruch der Ampel“, beteuert er. Aber: „Selbstverständlich denken alle jeden Tag über ihre Rolle in der Ampel nach.“

Eine Vielzahl seiner Wähler würde „mit dem Erscheinungsbild der FDP in dieser Koalition fremdeln“, klagt der Partei-Vize dann. „Wir müssen deutlich machen, dass wir einen wesentlichen Anteil an den Erfolgen haben!“

Sandra Maischberger diskutiert mit Wolfgang Kubicki (70, FDP)

Sandra Maischberger diskutiert mit Wolfgang Kubicki (70, FDP)

Foto: Das Erste

Spontanste Frechheit

„Ich erinnere daran, dass wir in der Frage der Waffenlieferungen bisher keine gemeinsame Position mit Olaf Scholz gefunden haben“, beschwert sich Kubicki danach. „Da gibt es auf offener Bühne Dissensen. Ähnlich wie jetzt bei der Laufzeit der Kernkraftwerke.“

Maischberger möchte nachfragen: „Ich hab‘ das noch nicht ganz verstanden“, setzt sie an.

„Da kann ich Ihnen jetzt auch nicht helfen“, kichert der FDP-Mann, kriegt sich aber gleich wieder ein: „Tschuldigung. Das war jetzt unverschämt. Ich nehme das zurück.“ Ächz!

Selbstsicherstes Versprechen

„Wir wollen, dass die drei am Netz befindlichen Kernkraftwerke mindestens bis Mitte 2024 weiterlaufen“, fordert Kubicki dann. „Es ist vorgesehen, dass dieses Problem in der nächsten Sitzung des Bundestages durch die Fraktionen, durch den Gesetzgeber gelöst wird.“

Seine klare Ansage: „Nach dem Parteitag der Grünen am Wochenende wird dieses Problem nächste Woche gelöst.“ Heidewitzka!

Gretchenfrage des Abends

Und wenn nicht? „Lassen Sie dann diesen Atomkompromiss platzen?“, will die Talkmasterin wissen.

Kubickis Miene schaltet von Heiter auf Wolkig: „Das Problem ist, dass es nicht um das Wohlbefinden der Grünen geht, sondern um das Wohlbefinden der Menschen“, grollt er. „Wir dürfen nicht in Kauf nehmen, dass wir in der Dunkelflaute nicht genügend Strom haben!“

Boshafteste Idee

„Ich könnte jetzt als wirklich guter Freund von Robert Habeck sagen: Robert, wenn du dich persönlich dafür verbürgst, dass, wenn das Emsland nicht am Netz bleibt, das Licht nicht ausgeht“, tönt Kubicki dann und lässt es wie ein seriöses Angebot klingen.

Dann aber fügt der FDP-Vize spöttisch hinzu: „Wenn das dann doch passiert, dann trittst du nicht nur zurück, sondern dann lösen sich die Grünen auf. Auf dieses Risiko würde ich mich einlassen. Vielleicht wäre es ein Vorteil für das Land, weil die Grünen dann nicht mehr politisch aktiv wären.“ Heiterkeit und Beifall!

Unerquicklichste Satire

„Raketen aus Kaliningrad brauchen zwei Minuten nach Berlin“, warnt Kubicki dann und lobt den Kanzler: „Mir ist jemand, der nachdenkt, bevor er etwas tut, lieber als jemand, der glaubt, weil er auf der richtigen Seite steht, ist alles erlaubt.“

Über die Waffenlieferungen sagt der FDP-Vize: „Leopard nicht, alles andere Ja. Ich war immer für Gepard und Marder. Jetzt wissen wir: Die Bundeswehr hat überhaupt nur für einen Tag Munition. Da beginnt die Begriff ‚Blitzkrieg‘ mit einer völlig neuen Bedeutung versehen zu werden!“

Spannendste Personalien

Über sein „freundschaftliches Verhältnis“ zu Gerhard Schröder urteilt Kubicki: „Ihn zum Paria der Gesellschaft zu machen halte ich für unverantwortlich. Der Mann hat viel für die Bundesrepublik geleistet. Aber er hat sich verirrt in der Beziehung zu Wladimir Putin und in seinen Aktivitäten für Russland.“

Die Bezeichnung „kleine Kanalratte“ für Erdogan nimmt der FDP-Vize nicht zurück, denn: „Beleidigungen sind ein Stilmittel, um Probleme deutlicher zu machen. Obwohl ich in meinem Sprach-und Kulturkreis ‚kleine Kanalratte‘ eher als anerkennend empfinde.“

Juristischster Kommentar

Sein Ernst? Lautes Gelächter im Studio. „Kanalratten sind kleine Tierchen, die ein bisschen verschlagen sind“, grient der renommierte Strafverteidiger.

„Ich empfehle allen die Lektüre meines Buches ‚Meinungsunfreiheit‘“, schlägt er dazu vor. Grund für seine Attacke in einer Wahlkampfrede sei Erdogans Flüchtlingspolitik gewesen, und „wenn es einen sachlichen Anlass gibt, ist Beleidigung von der Meinungsfreiheit gedeckt.“ Halleluja!

Tröstlichste Prognose

Auf Maischbergers Sorge um die Zukunft der Ampel klebt Kubicki ein dickes Pflaster: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in einer Zeit, in der wir eine Vielzahl von Krisen bewältigen müssen, dem Land eine Hängepartie zumuten wollen.“

Grund für seine Zuversicht: „Gestern Abend gab es eine gemeinsame Sitzung der Fraktionsvorstände der drei Koalitionsfraktionen“, berichtet der FDP-Vize. „Das war so herzlich bis Mitternacht, dass Sie davon ausgehen können, dass wir die Probleme, die wir miteinander haben, im Interesse des Landes wirklich auch lösen.“ Na denn Prost!

Verblüffendste Erklärung

Zum Schluss spielt die Talkmasterin ihr Interview mit Greta Thunberg ein. Die Aktivistin sitzt in Jogginghosen mit Blumendesign und roten Schuhen im Wohnzimmer und plaudert aus dem Nähkästchen: „Privat bin ich eigentlich niemals wütend. Ich spare mir das für diese Auftritte auf, um es da rauszulassen.“ Ui!

„Vor den Vereinten Nationen waren Sie sehr wütend und haben geschrien“, erinnert Maischberger. „Was denken Sie heute darüber?“

Thunberg prustet los. „Ich versuche nicht zu hart mit mir zu sein“, grient sie dann. „Ich war ja erst 15 oder 16. Aber was nutzt es, Dinge im Nachhinein zu bereuen!“

Greta Thunberg (19)

Greta Thunberg (19)

Foto: Das Erste

Ernüchterndstes Bekenntnis

„Ich hätte mich viel früher auf die humanitären Aspekte der Krise konzentrieren sollen“, gesteht die Aktivistin dann. „Auf Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit.“

„Am Anfang war das Narrativ: ‚Hört auf die Wissenschaft, wir Kinder werden davon betroffen sein‘“, erklärt Thunberg ihr Umschwenken. „Dann aber haben wir immer mehr verstanden, dass wir uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren müssen.“

Denn, so die 19-jährige: „Die Menschen, die die Krise JETZT betrifft, sollten Aufmerksamkeit bekommen!“ Heißt: ‚Future‘ war gestern, heute geht es um Gegenwart.

Entwaffnendste Antwort

„Es ist ja nicht länger nur eine Meinung, dass wir die Klimakrise nicht in unserem jetzigen System lösen können“, doziert Thunberg nach einem Schluck aus dem Wasserglas. „2030 werden wir doppelt so viele fossile Energien verbrauchen, wie mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre. Wenn wir darunter bleiben wollen, müssen wir wirtschaftliche Vorhaben auf Eis legen.“

„Um Ihre Ziele zu erreichen, müssten Staaten ihre Produktivität ziemlich weit zurückfahren“, gibt die Talkmasterin zu bedenken. „Was ist die Lösung?“

„Gute Frage“, seufzt Thunberg. „Ich wünschte, jemand hätte eine. Was wir jetzt am meisten brauchen, ist politisches Handeln.“

„Sie wollen Politikerin werden?“, fragt Maischberger.

Da muss die Aktivistin herzhaft lachen. „Niemals!“, antwortet sie. „NGOs der Zivilgesellschaft, da möchte ich arbeiten. Ich werde für den Rest meines Lebens Klimaaktivistin sein!“

Zitat des Abends

„Ich weiß, dass man in Deutschland darüber redet, Energie zu sparen. Hier in Schweden ist das total verpönt, weil die Menschen dann sagen: O nein, das ist Kommunismus!“ Greta Thunberg

Fazit

Inspiration und Irrtum zwischen Idealismus und Ideologie, überzeugende Einsichten und überraschende Bekenntnisse, aber Lösungen noch fern: Das war eine Talkshow der Kategorie „Kriselkompass“.

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