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Auf der Goldwaage lagen sie nicht

Auf der Goldwaage lagen sie nicht

- die neuen Papstworte zur Weltmission –

Von Walter Hoeres

Quandoque bonus Homerus dormitat. Auch der gute Homer schläft bisweilen. Horaz. Epistulae 2, 3

Je mehr der Glaube auf den Lehrstühlen, in den Seminaren für historisch – kritische Exegese und in der Verkündigung zum Verdunsten gebracht wird, um so mehr wird über seine Weitergabe geredet. Und in dem Maße, in dem die Gläubigen seit Konzilsende und der Einführung der neuen Eucharistiefeier den Kirchen fernbleiben, wird unverdrossen die Notwendigkeit der Neuevangelisierung beschworen. Je unklarer die Vorstellungen über das, was nach dem Tode von uns bleibt, [1] heute geworden sind, um so mehr wird die Freude am Glauben eingefordert, die freilich auch dadurch verstärkt werden soll, daß die häufigen Perikopen, in denen Christus von der Gefahr der ewigen Verwerfung spricht, ersatzlos gestrichen werden. Nichts ist ja heute so sehr verfemt wie die klassischen Höllenpredigten, die - recht verstanden - einst die Leute nicht erschrecken, sondern sie vielmehr daran erinnern sollten, in Gottesfurcht, aber auch in Hoffnung immer an ihr ewiges Heil zu denken.
Nun ist das Evangelium in der Tat eine Frohbotschaft, die uns Anlaß und immer wieder neuen Grund zu ungemessener Freude gibt, so daß wir Nietzsches Frage durchaus verstehen können, warum die Christen so wenig wie Erlöste aussehen. Dennoch ist es schon seltsam, wie uns heute in einem kirchengeschichtlichen Augenblick, in dem selbst Paul VI. von einer Epoche der Selbstzerstörung der Kirche sprach, in welcher der Exodus aus den Kirchen überhand nimmt, ein Priestermangel ohnegleichen herrscht und immer mehr Kirchen zur Umwidmung feilgeboten werden, ein Frohsinn und ein innerweltlicher Optimismus abverlangt werden, der weder etwas mit der realen Lage noch mit der zweiten göttlichen Tugend zu tun hat.

Die missionarische Begeisterung

Um so erfrischender ist die auf den ersten Blick ansteckende apostolische Begeisterung, mit der Papst Franziskus in seiner umfangreichen Enzyklika „Evangelii gaudium“ eine neue Ära der Weltmission einläuten will. In der Tat ist die nachdrückliche Erinnerung an die missionarische Sendung der Kirche dringender den je, da der einstmals so großartige, ja selbstverständliche missionarische Schwung durch die groteske Behauptung, daß der Heilige Geist auch in den anderen Religionen wirksam sei , weitgehend zum Erliegen gekommen und in einer seltsamen Mischung von Dialogfetischismus, religiös geprägter Entwicklungshilfe und der Angst, um Gottes Willen ja niemanden zu „vereinnahmen“ versandet ist.[2] In der Enzyklika finden sich herrliche Passagen etwa über die Notwendigkeit der eucharistischen Anbetung und des immerwährenden Gebetes. Doch ist gerade bei einem so wichtigen Lehrdokument ist immer der Grundsatz zu beachten: „bonum ex integra causa, malum ex quocumque defectu“: gut ist eine Sache, wenn sie dies im ganzen ist, schlecht aber auch nur durch einen einzigen Mangel. Vor allem die Widersprüche, in denen der Pontifex bestreitet, was er kurz zuvor erst gesagt hat, erwecken den Eindruck, daß er auch hier wieder zu schnell agiert hat ohne die unter Umständen katastrophalen Folgen zu bedenken, die solche allzu beflissene Redseligkeit haben kann, wenn ihr Autor kein Privatmann, sondern der Statthalter Christi ist !
Aufs äußerste irritierend ist, was der Papst über Weg und Ziel der Mission sagt. Weil eines ihrer schwersten Hindernisse die Spaltung der Christenheit in mehrere Konfessionen sei, müßten „wir uns auf die Überzeugungen konzentrieren, die uns verbinden und uns an das Prinzip der Hierarchie der Wahrheiten erinnern“. So würden wir dann „rasch auf gemeinsame Formen der Verkündigung, des Dienstes und des Zeugnisses zugehen können“. Man fragt sich, ob Franziskus sagen will, daß wir zumindest in den Missionen mit den Protestanten gemeinsame Sache machen und uns deshalb hier auf die Wahrheiten beschränken sollen, die auch sie anerkennen ? Das aber wäre nur auf Kosten der Wahrheit möglich, da die Protestanten in allen wesentlichen Punkten der Glaubens-, der Gnaden-, der Rechtfertigungslehre und auch der Anthropologie eine ganz andere, nominalistisch gefärbte Sicht der Dinge haben, was die sogenannte Augsburger gemeinsame Rechtfertigungserklärung geflissentlich verschwiegen hat.[3] Zudem erweckt die mißverständliche Rede von der Hierarchie der Wahrheiten wiederum den Eindruck, daß es sich beim katholischen Glauben um eine Addition oder Ansammlung von Wahrheiten handele und es daher möglich sei, einige von ihnen wegzulassen, ohne dadurch Existenz oder Bedeutung der anderen zu gefährden.[4] Tatsächlich aber gleicht der Glaube - darin der Kirche, die der mystische Leib Christi ist, analog –einem Organismus, aus dem man kein Glied herausbrechen kann, ohne das Ganze zu zerstören. Deshalb ist es von vorneherein verfehlt, in der missionarischen Verkündigung angeblich Wesentliches von weniger Wesentlichem zu unterscheiden.
Ganz im Gegenteil zeigen alle gelungenen Bekehrungen, daß der Konvertit ohne weiteres bereit war, alles und ohne Abstriche zu glauben, was ihm die hl. Kirche als zu glauben vorgestellt hat. Beruhen doch gerade Schönheit und Glanz des Glaubens, um die uns auch die Außenstehenden beneiden, gerade darauf, daß sich hier die Glieder harmonisch zur unteilbaren Einheit verbinden und zu jenem Ganzen, von dem schon Aristoteles wußte, daß es mehr ist, als die Summe seiner Teile ! Insofern berührt es schon sehr merkwürdig, wenn sich der Papst im Interview mit Pater Spadaro zu der Bemerkung hinreißen läßt: „Eine missionarische Seelsorge ist nicht davon besessen, ohne Unterscheidung eine Menge von Lehren aufzudrängen. Eine missionarische Verkündigung konzentriert sich auf das Wesentliche, auf das Nötige.“[5]
Indessen scheint der Hl. Vater selbst die Anstößigkeit der Forderung zu empfinden, sich in der Weitergabe des Glaubens nur auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich damit ungewollt auch zum Richter darüber aufzuspielen, was an der göttlichen Offenbarung wesentlich sein soll und was nicht. Denn an anderer Stelle der Enzyklika versichert er uns im Widerspruch zu dem eben Gesagten: „Man darf die Vollständigkeit der Botschaft des Evangeliums nicht verstümmeln. Außerdem versteht man jede Wahrheit besser, wenn man sie in Beziehung zu der harmonischen Ganzheit der christlichen Botschaft setzt und in diesem Zusammenhang haben alle Wahrheiten ihre Bedeutung und erhellen sich gegenseitig“. Äußerst mißverständlich ist in diesem Zusammenhang aber auch die Forderung, „die ewigen Wahrheiten in einer Sprache auszudrücken, die deren ständige Neuheit durchscheinen läßt“. Denn „die Erneuerung der Ausdrucksformen erweist sich als notwendig, um die Botschaft vom Evangelium in ihrer unwandelbaren Bedeutung an den heutigen Menschen weiterzugeben“. Man fragt sich hier, ob dem Pontifex nicht bekannt ist, daß genau diese Forderung der Neuformulierung des Glaubens eine der entscheidenden Ursachen für die Glaubenskrise der Gegenwart und die Entmythologisierung der frohen Botschaft gewesen ist. Denn sie beruht auf einem zweifachen, in der genannten Auswirkung katastrophalen Irrtum: einmal der Auffassung, daß sich Inhalt und Form einer Aussage beliebig verändern lassen und sodann auf der Philosophie der Geschichtlichkeit des Menschen und der Wahrheit, die davon ausgeht, daß sich das Wesen des Menschen und damit sein Welt- und Gottesbezug von Epoche zu Epoche radikal wandelt.

Das Gebot der Stunde

Immer wieder erwecken die Äußerungen von Papst Franziskus den Eindruck, daß hier Falsches zur falschen Zeit gesagt oder gefordert wird. Obwohl es schon seit Jahrzehnten keine, aber buchstäblich keine Glaubenswahrheit gibt, die nicht auf den theologischen Lehrkanzeln, in den Lehrbüchern und im Religionsunterricht umgedeutet, verwässert, ja bis zur Unkenntlichkeit verfälscht wird,[6] hält er es ausgerechnet jetzt für richtig, davor zu warnen „in übertriebener Weise die Sicherheit der Lehre zu suchen“.[7] Und gerade heute hält es der Papst für notwendig, sein eigenes Amt als Papst zur Diskussion zu stellen und schon dadurch radikal zu schwächen, ja zu neutralisieren. Obwohl noch das Konzil keinen Zweifel an der absoluten Primatgewalt des Papstes gelassen hat, die er jederzeit frei ausüben könne, ist diese Autorität seit Konzilsende gerade in den deutschsprachigen Ländern, aber auch in Frankreich – von Holland ganz zu schweigen ! -in immer neuen Absetzbewegungen in Frage gestellt worden. Das begann bei uns schon bei der Würzburger Synode und der Königsteiner Erklärung, setzte sich fort in dem hinhaltenden Widerstand gegen die Aufforderung des Papstes, aus der Scheinberatung auszusteigen und erreicht jetzt einen neuen Höhepunkt mit der Kritik der Bischöfe Marx und Ackermann an der Erklärung des Präfekten der Glaubenskongregation über die Geschiedenenpastoral. Und in dieser Situation geht der Papst hin und stellt sein eignes Amt zur Disposition. Dieser Ausdruck ist sicher nicht übertrieben, wenn man an die massiven zentrifugalen Tendenzen denkt, die in unseren „Nationalkirchen“ immer mehr an Gewalt zunehmen und von denen wir hier nur einige rhapsodische Beispiele geben konnten. „Es ist“, so versichert uns Franziskus in der neuen Enzyklika, „nicht angebracht, daß der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen“. Und dann kommt sie, die entscheidende Aussage, die unsere Romkritiker, unsere Basisdemokraten, unsere Memorandisten unter dem Beifall der Medien mit Begeisterung aufnehmen und sich zu eigen machen werden: „In diesem Sinne spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen ‚Dezentraliserung’ voranzuschreiten.“

Die Unzahl der Gremien

In diesem Zusammenhang plädiert Franziskus dafür, endlich die regionalen Bischofskonferenzen in gebührender Weise zu institutionalisieren und damit mehr als bisher zu einer festen Größe im Leben der Kirche zu machen. „Denn es ist noch nicht deutlich genug eine Satzung der Bischofskonferenzen formuliert worden, die sie als Subjekte mit konkreten Kompetenzbereichen versteht, auch einschließlich einer gewissen authentischen Lehrautorität“. Denn, so wird uns wiederum versichert und dies im Widerspruch zu sämtlichen leidvollen Erfahrungen der Kirchengeschichte, „eine übertriebe Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik anstatt ihr zu helfen“. Man ist geneigt, an die Bischofssynoden der orthodoxen Kirchen zu denken, die hier bis zu einem gewissen Grad den fehlenden Primat ersetzen. Aber der Vergleich geht aus zwei Gründen daneben ! Einmal sind diese Kirchen bekanntlich in ihrer Entwicklung bei den ersten Jahrhunderten stehengeblieben. Das mag man bedauern, aber eine wirkliche Glaubenskrise gibt es hier nicht und von einer Neuinterpretation oder gar Entmythologisierung der göttlichen Offenbarung kann nun wirklich hier keine Rede sein. Das ist der Grund, warum diesen Consilien trotz aller unausbleiblichen Fragen der Machtausübung und Priorität eine ganz natürliche Autorität in Glaubensfragen zukommt. Davon aber kann bei unseren Bischofskonferenzen nun wirklich keine Rede sein. Der tiefe Spalt, der die Kirche nun schon so lange in Altgläubige und Modernisten scheidet, hat leider auch vor den Bischofskonferenzen nicht halt gemacht. Von Bischöfen, die sich erst auf bohrende Nachfrage zum Sühnopfercharakter des Kreuzestodes Jesu bekennen, fühlen wir uns nicht in der rechten Weise vertreten. Zudem geben die Mammutorganisationen, zu denen die Bischofskonferenzen heute geworden sind, den einzelnen Bischöfen immer wieder Gelegenheit, im Zweifelsfalle – und was in der Kirche ist heute nicht zweifelhaft – sich hinter ihren Kommissionen und Ausschüssen zu verstecken, während doch der Bischof selber , wie Franziskus auch an anderer Stelle sagt, der berufene Hirt und Lehrer seiner Diözese ist und bleibt. Rebus sic stantibus kann und wird eine weitere Stärkung der Bischofskonferenzen zu einer Entmachtung des Bischofs als Nachfolger der Apostel und zu einer Stückelung und Anonymisierung seiner apostolischen Verantwortung führen, die schon jetzt erschreckende Ausmaße erreicht hat.
Die Geschichte Roms zeigt uns zudem, daß es unmöglich ist, eine so riesenhafte Gemeinschaft, wie es das römische Imperium schließlich geworden ist, durch eine Senats- oder Kollegialverfassung zu führen. Cäsar mag vom Ehrgeiz getrieben worden sein. Aber er hat richtig erkannt, daß das Imperium Romanum einer obersten und unumschränkten Zentralgewalt bedürfe, um überleben zu können. In diesem Sinne hat sich ja auch gezeigt, wie undurchführbar die Idee ist, eine Kirche, die mehr als eine Milliarde Gläubige umfaßt, durch Bischofssynoden angemessen zu repräsentieren. Die Überzahl von Synodalen, die hier zusammen kommen, ist schon rein technisch zu wirklichen Disputen und Kontroversen kaum in der Lage und es bleibt, wie das die bisherigen Beispiele zeigen, bei allgemeinen Akklamationen, denen die riesenhaften Gremien a priori zustimmen können. Doch auch wenn man diesen eher technischen Erwägungen nicht zustimmen mag, so bleibt doch bestehen, daß in der heutigen Kirchen- und Glaubenskrise, welche die ganze westliche Welt ergriffen hat, eine oberste zentrale und apostolische Autorität mehr denn je am Platz ist.
Um so schmerzlicher müssen wir die Verständnislosigkeit registrieren, mit der Franziskus der tridentinischen Messe gegenübersteht. Er lobt zwar die Entscheidung von Benedikt XVI. , diese wieder freizugeben, doch ganz offensichtlich ist dieses Lob vergiftet. Seine Bemerkung, daß diese Entscheidung klug abwägend Hilfe für einige Personen gewesen sei, „die diese besondere Sensibilität haben“,[8] erweckt erneut den Eindruck, es habe sich da um einige ältere Semester, künstlerische oder nostalgische Seelen gehandelt, denen Benedikt entgegengekommen sei. Seine Bemerkung, er finde das Risiko einer Ideologisierung des Vetus Ordo sehr gefährlich, zeigt, daß er den Unterschied zwischen dem hl. Meßopfer und seiner Verwässerung in der modernen Eucharistiefeier – salva reverentia sei es gesagt – offenbar nicht zu realisieren vermag. Ausgerechnet im Blick auf die Liturgie findet er die Früchte der Erneuerung die das Konzil gebracht habe, enorm,[9] ohne auf die Unzahl der lästerlichen bis blasphemischen Meßfestivals, Karnevalsmessen usw. einzugehen, die uns diese Erneuerung fortzeugend am laufenden Bande beschert. „Die Eucharistie“, so heißt es in der neuen Enzyklika, sei nicht „eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen“. Muß nicht diese Bemerkung, so fragen wir, gerade heute, da nahezu alle in der Eucharistiefeier – verheiratet oder nicht - ohne Beichte zur Kommunion gehen, geradezu als Aufforderung verstanden werden, es ihnen gleichzutun und im getrosten Bewußtsein der eigenen Schwäche allzu getrost zum Tisch des Herrn zu gehen ?

Das goldene Kalb

Bekanntlich hat sich die Kirche in den letzten Jahrzehnten immer schwer damit getan, ein klares Verhältnis zur Wirtschaft zu finden und die Gründe legen ganz sicher auch in der „Unfaßlichkeit des Ganzen“, die schon Karl Jaspers in der Weimarer Zeit beklagt hat. Zwar hat die katholische Soziallehre insofern immer einen klaren Kurs gesteuert, als sie sich sowohl vom entfesselten Kapitalismus, für den die Akkumulation des Kapitals der oberste Sinn des Daseins ist wie auch vom Sozialismus distanziert hat, der abgesehen von seinem verqueren und kollektivistischen Menschenbild „umverteilen“ will, ohne an das zu denken, was erst eine solche Umverteilung möglich macht. Aber vom Kapitalismus, den der Heilige Vater in seiner Enzyklika so erbittert bekämpft, kann bei uns und in den großen Industrienationen der westlichen Welt nun wirklich keine Rede sein. Die Kosten für die soziale Daseinsfürsorge steigen immer weiter an, so daß der durchschnittliche Arbeitnehmer bei uns nahezu die Hälfte seines Einkommens für Sozialabgaben und Steuern abgeben muß, die ihrerseits wieder zum großen Teil dem Sozialetat zugute kommen. Viele vor allem mittelständische Unternehmer kämpfen mit dem Rücken an der Wand, um mit den Kosten zurecht zu kommen und Arbeitsplätze zu erhalten. Von ihnen ist in den zahlreichen kirchlichen Ermahnungen zu sozialen Fragen kaum die Rede: auch nicht von der Binsenweisheit, daß man erst umverteilen kann, was man vorher erwirtschaftet hat ! Liest man die vielen Attacken von Theologen gegen unsere angeblich so kapitalistische Wirtschaft, bei denen sie in schönster ökumenischer Eintracht nur von ihren evangelischen Kollegen übertroffen werden, dann kann man nur wünschen, daß auf den Gymnasien und auch in den Priesterseminaren die Volkswirtschaftslehre zum Pflichtfach erhoben wird. Sind es doch nach dem englischen Premier William Pitt zwei Dinge, die den Menschen um den Verstand bringen können: das Nachdenken über das Wesen der Liebe und über das Wesen des Geldes !
Jedenfalls stehen wir der Philippika des Heiligen Vaters gegen die heutige kapitalistische Weltwirtschaft, die er als Wiederholung der Anbetung des antiken goldenen Kalbes apostrophiert, einigermaßen verständnislos gegenüber. „Auch jenseits aller Deutungsfragen“, so schreibt die FAZ in ihren Wirtschaftsteil, „ist zu prüfen, ob sich die Thesen des Papstes empirisch überhaupt halten lassen. Seine Behauptung etwa, ‚während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit’, greift zu kurz. Anders als es der Papst nahelegt, ist die Zahl der sehr armen Menschen einer aktuellen Studie der Weltbank zufolge in den vergangenen Jahrzehnten um mehr als 700 Millionen auf 1.2. Milliarden gesunken. ‚Wir sind Zeugen eines historischen Moments, in dem sich die Menschen selbst aus der Armut befreien’, sagte Weltbank –Präsident Jim Yong Kim. Das Milleniumsziel, die Zahl der Menschen, die von weniger als 1. 25 Dollar am Tag leben müssen, bis 2015 zu halbieren, sei fünf Jahre früher erreicht worden. Verantwortlich dafür sind allen Zahlen zufolge vor allem China und Indien – Länder, die seit den siebziger Jahren zunehmend markwirtschaftliche Prinzipien einführten und so die Zahl der Hungertoten drastisch reduzierten.“[10] Gewiß ist deren Zahl immer noch viel zu groß, aber um sie zu reduzieren, bedarf es nicht nur des christlichen und humanitären Enthusiasmus, sondern ganz sicher auch des wirtschaftlichen Sachverstandes. Ihn ließen Staatspräsident Peron und seine als Engel der Armen so sehr gefeierte Ehefrau Evita vermissen, als sie in im Heimatland des Papstes mit vollen Händen ihre milden Gaben an die Armen verteilten und so ihr Land in eine beispiellose wirtschaftliche Katastrophe und Inflation stürzten, die letzten Endes immer die Armen auszubaden haben.

[1] Vgl. dazu unsere Ausführungen: Der Aufstand gegen die Ewigkeit. 2. Aufl. Stein am Rhein 1987 sowie: Angepaßte Eschatologie. In: Theologische Blütenlese. Werke der anderen Theologie (Respondeo 12) Siegburg 2001 S. 13 ff.
[2] Vgl. . Medard Kehl SJ: Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie. Würzburg 1992 S. 101 und hier die Versicherung, wir wollten in den Missionen niemand vereinnahmen. „Im Gegenteil, wir laden alle ein, auf ihre Weise das allen mögliche Tun der Liebe und die daraus entspringende ‚Einheit in der Liebe’ zu deuten und sie mit den ihnen spezifischen Optionen von Heil zu verbinden.“
[3] Vgl., dazu Paul Hacker. Das Ich im Glauben bei Martin Luther. Graz-Wien-Köln 1966 sowie die zahlreichen kritischen Stellungnahmen von Kardinal Scheffczyk zur Augsburger Erklärung in der Zeitschrift „Theologisches“
[4] Vgl. dazu dieser additiven Sicht des Glaubens Wolfgang Schüler: Pfarrer Hans Milch. Eine große Stimme des katholischen Glaubens. Mit einer Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil. Actio Spes Unica 2005
[5] Antonio Spadaro SJ: Das Interview mit Papst Franziskus. Freiburg-Basel-Wien 1913 S. 51
[6] Vgl. dazu Georg May: Der Glaube in der nachkonziliaren Kirche. In: Una Voce Korrespondenz 13 Jg. Heft Januar-April 1983 sowie unsere jahrzehntelangen Aufstellungen in der Zeitschrift “Theologisches”, von denen eine Anzahl zusammengefaßt sind in „Theologische Blütenlese“ a.a.O. und „Zwischen Diagnose und Therapie“ (Respondeo 14) Siegburg 2001
[7] Spadaro a.a.O.S.62
[8] Spadaro S. 57
[9] A.a.O.
[10] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. 11. 2013
mphcev
Total genial, dieser Professor Hoeres.
Inhaltlich nicht weiter präzisierbar oder widerlegbar, formal nicht zu überbieten in schelmischer Liebenswürdigkeit, jugendlich und altersweise zugleich.