Von der Hingabe seiner selbst an Gott (Nr. 34)

Von der Hingabe seiner selbst an Gott

Pater Jean-Nicolas Grou SJ

Kennzeichen der wahren Frömmigkeit.

Unter den Eigenschaften der Andacht ist die erste der Geist des Gebetes, die beständige Neigung und das Bestreben der Seele, sich zu Gott zu erheben und sich mit Ihm zu vereinigen. Wer diesen Geist nicht hat, hat noch nicht die wahre Andacht, ob er auch noch so viel betet, aber bloß aus Pflicht, aus Notwendigkeit, aus eigener Bedrängnis, wo es ihm Überwindung, Anstrengung kostet, wo er aus Langeweile das Ende wünscht und Gott so bezahlt, wie ein schlechter Schuldner seinen Gläubiger, dem er am liebsten möglichst wenig schulden und geben will. Das innerliche Gebet ist die Hauptsache; aber man darf doch das mündliche weder vernachlässigen, noch übertreiben. Manche haben all ihre Andacht in den Büchern, keine im Herzen; täglich sprechen sie Gott Gebetsformeln vor, bis sie den Atem verlieren, wodurch sie freilich nicht das Herz erwärmen, sondern nur die Brust austrocknen. Andere behalten alle Formeln bei und setzen immer neue dazu, weshalb sie in Überschleuderung, Zerstreuung, Mißmut, Vernachlässigung ihrer Standespflichten geraten und während der Arbeit immer beten müssen. Bei der Arbeit beten ist allerdings gut; allein es müssen nicht lange zusammenhängende Gebete sein, sonst wird weder die Arbeit, noch das Gebet gut verrichtet. Die Gebete bei der Arbeit sollen kurz sein und vielmehr mit dem Herzen als mit dem Munde verrichtet werden. Durch die große Mannigfaltigkeit der Gebetsarten und Formeln wird nicht das Herz, sondern nur die Einbildungskraft vorübergehend beschäftigt. Die besseren dieser Beter müssen endlich vom Beichtvater erlöst werden von der Überladung; die Eigensinnigen aber wollen von keiner Formel lassen und quälen sich fort ohne Nutzen zum großen Hindernis der wahren Andacht.