Elista
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Die Almer Wallfahrt nach St. Bartholomä in einem Gedenkjahr

Das vielbesuchte St. Bartholomä am Königsee (Fotos: Manfred Angerer)

Schönau am Königssee – Wenn auch in diesem Jahr nach einer jahrhundertealten Tradition am Samstag nach dem Bartholomäustag (24. August) wieder eine große Wallfahrerschar von Alm bei Saalfelden über das Steinerne Meer nach St. Bartholomä am Königssee unterwegs ist, werden die Motive der Teilnehmer recht unterschiedlich sein. Ursprünglich soll es sich bei dieser traditionellen Hochgebirgswallfahrt um ein Gelübde gehandelt haben, als im benachbarten Salzburger Land, also auch im Pinzgau, die Pest wütete.

Im Jahre 1635 ist der Entschluss gefasst worden, zur Abwendung der Seuche in den Folgejahren diesen zweifellos anstrengenden zehnstündigen Pilgerweg auf sich zu nehmen. Man stelle sich nur vor, welche Ausrüstung damals den Teilnehmern zur Verfügung stand. Da konnte man wahrlich von einem Opfer sprechen.

Heute mögen die Motive zur Teilnahme vielfältig sein: Die einen bringen dazu immer noch religiöse Motive mit, haben ein persönliches Anliegen beziehungsweise halten die Tradition hoch, andere gedenken der verunglückten Wallfahrer früherer Zeiten, wieder andere sehen darin mehr ein sportliches Event, einen konditionellen Selbsttest. Doch jedem Teilnehmer werden beim morgendlichen Gottesdienst am Riemannhaus beziehungsweise auf dem langen Weg Gedanken über den Sinn des Lebens kommen oder wie es überhaupt zu dieser Wallfahrt gekommen ist.

Kreuzigungsdarstellung des hl. Bartholomäus in der Wei-ßenfelder Kirche (Gemeinde Vaterstetten).

Das Ziel der Wallfahrer, die vor 888 Jahren am 25. August des Jahres 1134 vom Bischof Roman von Gurk geweihte »Basilica Chunigesse« war anfangs der Heiligen Dreifaltigkeit und der hl. Jungfrau Maria geweiht. Wann der Patroziniumswechsel zum hl. Bartholomäus vollzogen wurde, lässt sich zeitlich nicht genau einordnen. Lediglich aus einem römischen Ablassbrief von 1522 lässt sich schließen, dass zu diesem Zeitpunkt das Kirchlein wohl schon dem heiligen Apostel und Märtyrer geweiht war. Obwohl als sogenannter Pestheiliger allgemein der hl. Rochus gilt (sein Gedenktag ist der 16. August), könnte die Art und Weise des Martyriums des hl. Bartholomäus ein Beweggrund der Pinzgauer gewesen sein, ausgerechnet übers Gebirge auf beschwerlichen Pfaden nach St. Bartholomä am Königssee zu pilgern. Der Legende nach wurde Bartholomäus im 1. Jahrhundert n. Chr. bei lebendigem Leibe die Haut vom Körper gezogen. Sein vorher leidenschaftliches Verkünden der Botschaft Jesu Christi hatte im damaligen Armenien den heidnischen Herrscher und seine Familie derart erzürnt, dass er diese Folter anordnete. Das Hochaltarbild in der Wallfahrtskirche zeigt diese Szene auf grausame Weise. Danach soll er sogar kopfunter gekreuzigt worden sein.

Die Bartholomäus-Kirchen in Weißenfeld, Gemeinde Vaterstetten, sowie in Roßholzen am Samerberg zeigen auf Tafelbildern der Orgelempore dieses Martyrium äußerst eindrucksvoll. Dagegen hat Albrecht Dürer auf einem Doppelgemälde in der Alten Pinakothek in München den Heiligen und Apostel mit drei weiteren Aposteln als bedeutenden und leidenschaftlichen Prediger dargestellt. So sind einerseits das Buch, aber auch das Schindmesser, mit dem man ihm zu Leibe rückte, zu seinen Attributen geworden.
Aber auch bei den Protestanten – obwohl nach Martin Luthers Lehre keine Heiligenverehrer – ist dieser Heilige durch ein zutiefst tragisches Ereignis der Geschichte ins Bewusstsein gerückt. In der »Bartholomäusnacht« vom 23. auf den 24. August des Jahres 1572, also vor 450 Jahren, kam es in Frankreich zu einem der grausamsten Geschehen der Kirchengeschichte, ausgelöst durch einen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Anlässlich der Hochzeit zwischen der Katholikin Margarete von Valois, einer Tochter Katharina von Medicis, und dem protestantischen Adeligen Heinrich von Navarra, kam es in besagter Nacht in Paris zu einem unvorstellbar grausamen Massaker an den protestantischen calvinistischen Hugenotten.

Das Hochaltarbild in der Wallfahrtskirche St. Bartholomä.

Eigentlich wollte man mit der Heirat die beiden Parteien miteinander versöhnen, doch es kam anders. Allein in Paris sollen diesen Gräueltaten an die 3 000 Frauen, Männer und Kinder, im ganzen Land noch weit mehr, zum Opfer gefallen sein. Das Morden dauerte beinahe ein halbes Jahr. Etwa jeder Vierte der rund 800 000 Hugenotten floh aus Frankreich in die Nachbarländer Deutschland, Schweiz, Niederlande und England. Papst Gregor VIII. (1502 bis 1585) wollte diese Gräueltaten weder verhindern noch verurteilen, im Gegenteil – er ließ in Rom sogar noch eine Siegesmedaille mit der Aufschrift »Niedermetzelung der Hugenotten« prägen.

Im Gedenken an den hl. Bartholomäus wird somit eigentlich nur Trauriges in Erinnerung gerufen; Das gilt für beide Konfessionen. So könnte der Festtag des Heiligen und die Wallfahrt nach St. Bartholomä auch in friedlichem, ökumenischem Miteinander begangen werden. Auseinandersetzungen oder gar Glaubenskriege sollten geächtet sein und ein für alle Mal der Vergangenheit angehören. Unsere Vorfahren, hüben wie drüben, haben es – wenngleich unter anderen Vorzeichen – am eigenen Leibe leidvoll erfahren müssen.
Manfred Angerer

Die Almer Wallfahrt nach St. Bartholomä in einem Gedenkjahr