507Welche Demut meiner heiligen Mutter Maria! - Ihr werdet sie nicht beim Einzug in Jerusalem finden, noch – mit Ausnahme von Kana – zur Stun- de der großen Wunder. Aber sie flieht nicht vor der Verachtung auf Golgotha, sie steht da, „iuxta crucem Iesu“, unter dem Kreuze Jesu, seine Mutter.
Quelle: Josemaría Escrivá, Der Weg.
Betrachtung
Das ist wirklich eine bemerkenswerte, weil eher unbekannte Aussage über die Muttergottes, eine Haltung, die ihre Demut zeigt. In den schönen Jubelstunden hält sie sich zurück, am Kreuz steht sie in der Öffentlichkeit. Woran anders könnte das liegen als dass sie die Jubelstunden Christus alleine gönnen wollte, sodass die Blicke der Menschen keine Sekunde von Jesus abgezogen werden, sondern alle Ehre ihrem Erlöser-Sohne gelten sollte. Auf Golgotha, wo Jesus am Kreuz für alle sichtbar erhöht war, steht auch sie zu sei- nen Füßen. Dass sie Ihn dort angebetet und ge- tröstet hat, stand ihrem Sohn keinesfalls im Wege, denn so konnte sie in ihrer Passionsanteilnahme das vollkommene Vorbild für alle Menschen sein. Jeder Blick war auf den Gekreuzigten gerichtet und durch ihre Anwesenheit noch mehr, weil je- der von ihr ablesen kann, wie man sich zum ge- kreuzigten Erlöser verhalten soll: Anbetung, Mitleiden, Seelen dem Gekreuzigten darbringen und seine Gnaden für die Menschen dankbar empfangen.
Das ist der Unterschied zu den Gutmenschen, die eine umgekehrte Demut, die keine ist, pflegen: Wenn ihnen der Jubel zufliegen könnte, öffent- lichkeitswirksam Spenden verteilen, wenn der gute Ruf gefährdet sein könnte, schnell zurück- ziehen und nicht mehr zu seiner guten Tat stehen. Untersuchen wir mal in dieser Vorfastenzeit, ob und wo nicht auch in uns der Gutmensch sich ver- birgt.
Die Muttergottes tat alles aus Gottesfurcht, die Gutmenschen aus Menschenfurcht.
Anfang der Weisheit ist die Gottesfurcht. (Jesus Sirach 1,16)
Die Liebe zu Gott ist die ehrenwürdige Weisheit. (Jesus Sirach 1,14)