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Christentum, Islam und Gewalt. von Prof. Ludger Schwienhorst-SchönbergerMehr
Christentum, Islam und Gewalt.

von Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger
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Da die Ansicht, Meister Eckhart sei als Häretiker verurteilt worden, auch in Theologenkreisen verbreitet ist, möchte ich dazu kurz einige Hinweise geben:
Meister Eckhart – ein treuer Sohn der Kirche
(1) Der Prozess um Eckhart ist in der Forschung inzwischen gründlich untersucht worden. Als Ergebnis hält der Philosophieprofessor Theo Kobusch fest: „Im ganzen ergibt somit die Untersuchung, dass …Mehr
Da die Ansicht, Meister Eckhart sei als Häretiker verurteilt worden, auch in Theologenkreisen verbreitet ist, möchte ich dazu kurz einige Hinweise geben:

Meister Eckhart – ein treuer Sohn der Kirche

(1) Der Prozess um Eckhart ist in der Forschung inzwischen gründlich untersucht worden. Als Ergebnis hält der Philosophieprofessor Theo Kobusch fest: „Im ganzen ergibt somit die Untersuchung, dass Meister Eckhart als rechtgläubiger Christ rehabilitiert ist und als ‚treuer Sohn’ der Kirche gilt“ (Die Philosophie des Hoch- und Spätmittelalters, München 2011, 368).

(2) Im Jahre 1980 entschloss sich die Englische Ordensprovinz der Dominikaner, eine Petition an das Generalkapitel des Ordens zu richten, die heilige Glaubenskongregation unter der damaligen Leitung von Kardinal Ratzinger solle die Möglichkeit untersuchen lassen, „eine offizielle Deklaration der Orthodoxie Meister Eckharts zu promulgieren und die Verurteilung einiger seiner Thesen, die die Bulle „In agro dominico“ vom 27. März 1329 enthält, zurückzunehmen.

Am 15. August 1992 ließ der Ordensgeneralobere Timothy Ratcliffe in seinem Schreiben an den Präsidenten der Eckhart Society Peter Talbot Wilcox mitteilen: „Ich bin nicht sicher, dass Sie davon informiert wurden, dass wir uns eingesetzt haben, um die Zensur Eckharts aufheben zu lassen und dass uns mitgeteilt wurde, dass dies in der Tat nicht vonnöten sei, da er niemals mit Namen verurteilt worden sei; lediglich einige Propositionen, von denen angenommen wurde, dass er sie vertreten habe, so dass wir vollkommen frei wären davon zu sprechen, dass er ein guter und orthodoxer Theologe sei.“

Der Eckhart-Fachmann Prof. Heinrich Stirnimann, der als Vorsitzender der Kommission mit dem an Kardinal Ratzinger gerichteten Antrag befasst war, fasst das Ergebnis in seinem Bericht so zusammen: „eine ‚Rehabilitierung’ Eckharts im juristischen Sinne erübrigt sich, da Eckhart ja nicht verurteilt wurde.“

Der Eckhart-Fachmann Prof. Georg Steer schreibt dazu: „Mit der Anerkennung von Eckharts Erbe als wesentlich für Religion und Mystik heute durch den Obersten Glaubenshüter und mit der Einschätzung Eckharts als „guter und orthodoxer Theologe“ wurde das Omen der ‚Häresie’ von seinem Namen genommen. Als vir doctus et sanctus weist Eckhart, und mit ihm Heinrich Seuse und Johannes Tauler, in die Zukunft.“

(3) In dem mit Peter Seewald erstellten Interview-Band „Salz der Erde“ sagt Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. zu Meister Eckhart: „Der Dialog mit den anderen Religionen ist im Gang. Wir sind, glaube ich, alle überzeugt, dass wir zum Beispiel von der Mystik Asiens etwas lernen können, und dass gerade die großen mystischen Traditionen auch Begegnungsmöglichkeiten eröffnen, die in der positiven Theologie nicht so deutlich sind. Insofern hat das Erbe eines Meister Eckhart, der ganzen mittelalterlichen Frauenmystik oder vor allem auch der großen spanischen Mystik heute im Religionsdialog eine wesentliche Bedeutung“ (Joseph Ratzinger / Benedikt XVI., Salz der Erde. Gott und die Welt. Gespräche mit Peter Seewald, Ausgabe 2006, S. 280f).

(4) Auf die Anfrage des ehemaligen Vorsitzenden der deutschen Meister-Eckhart-Gesellschaft Prof. Dr. Dietmar Mieth an Kardinal Ratzinger kam seinerzeit eine ähnlich positive und ermutigende Antwort.
Sie dürfen wir uns also guten Gewissens mit den Schriften dieses großen Dominikaners und Theologen befassen.