Brief von Matthias Claudius an seinen Sohn Johannes, 1799

Gold und Silber habe ich nicht; was ich aber habe, gebe ich dir!
Lieber Johannes!
... Niemand ist weise von Mutterleibe an; Zeit und Erfahrung lehren hier und fegen die Tenne. Ich habe die Welt länger gesehen als du. Es ist nicht alles Gold, lieber Sohn, was glänzt, und ich habe manchen Stern vorn Himmel fallen und manchen Stab, auf den man sich verließ, brechen sehen. Darum will ich dir einigen Rat geben und dir sagen, was ich gefunden habe und was die Zeit mich gelehrt hat.
Es ist nichts groß, was nicht gut ist; und nichts wahr, was nicht besteht.
Der Mensch ist hier nicht zu Hause, und er geht hier nicht von ungefähr in dem schlechten Rock umher... Diese Welt ist für ihn zu wenig, und die unsichtbare sieht er nicht und kennt sie nicht. Hänge dein Herz an kein vergänglich Ding.
Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern wir müssen uns nach ihr richten. Was du sehen kannst, das siehe, und brauche deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte dich an Gottes Wort.
Denke oft an heilige Dinge und sei gewiss, dass es nicht ohne Vorteil für dich abgehe und der Sauerteig den ganzen Teig durchsäuere... Lehre nicht andre, bis du selbst gelehrt bist.
Nimm dich der Wahrheit an, wenn du kannst und lass dich gerne ihretwegen hassen; doch wisse, dass deine Sache nicht die Sache der Wahrheit ist, und hüte, dass sie nicht ineinander fließen, sonst hast du deinen Lohn dahin. Tue das Gute vor dich hin, und bekümmre dich nicht, was daraus werden wird.
Wolle nur einerlei, und das wolle von Herzen.
Sorge für Deinen. Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre.
Sei rechtschaffen gegen jedermann, doch vertraue dich schwerlich.
Mische dich nicht in fremde Dinge, aber die deinigen tue mit Fleiß.
Schmeichle niemand, und lass dir nicht schmeicheln... Habe immer etwas Gutes im Sinn.
Wenn ich gestorben bin, so drücke mir die Augen zu und beweine mich nicht. Stehe deiner Mutter bei und ehre sie so lange sie lebt und begrabe sie neben mir. Und sinne täglich nach über Tod und Leben, ob du es finden möchtest, und habe einen freudigen Mut; und gehe nicht aus der Welt, ohne deine Liebe und Ehrfurcht für den Stifter des Christentums durch irgendetwas öffentlich bezeugt zu haben. Dein treuer Vater
Werte teilt das
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Wolle nur einerlei, und das wolle von Herzen.
Sorge für Deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre.
Sei rechtschaffen gegen jedermann, doch vertraue dich schwerlich.
Mische dich nicht in fremde Dinge, aber die deinigen tue mit Fleiß.
Schmeichle niemand, und lass dir nicht schmeicheln... Habe immer etwas Gutes im Sinn.
Katja Metzger
"Hänge dein Herz an kein vergänglich Ding.
Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern wir müssen uns nach ihr richten."