Bibelverständnis (1) - Der "erlaubte Hass" um der großen Schuhe willen. (???)
Bibelverständnis (1)
Der "erlaubte Hass" um der großen Schuhe willen. (???)
Lk 14,26 "Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben hasst, dann kann er nicht mein Jünger sein."
(In der Hl. Vulgata steht hier: "odit" = hasst)
Neuere Übersetzungen haben nicht mehr "hassen", sondern "gering achten", vielleicht weil sie einem Missverständnis vorbeugen wollen, aber in der Hl. Vulgata steht "hassen", was in der ewig gültigen und festgelegten Hl. Trid. Opfermesse n. Pius V. auch so gebetet wird. Wie kann man das verstehen ?
Nun, Jesus spricht von der Nachfolge - "wenn jemand zu mir kommt" - und die Nachfolge bedeutet anfangs, dass man das alte Leben mit all seinen alten Vorstellungen und Beziehungen verlassen muss. Ansonsten kann man nicht Jesu Jünger sein.
Hmmm, sind das nicht zu große Schuhe, die hier angezogen werden müssen ???
Ist denn das wirklich so streng ? Ja sicher. Wer Priester werden will, muss die Welt verlassen, seine Sachen packen und ins Priesterseminar bzw. dorthin, wo er ausgebildet wird. Er muss seine weltlichen Gepflo- genheiten und Meinungen zugunsten der Lehre Jesu aufgeben. Man wird auch das Elternhaus und bisherige Freunde verlassen müssen, meist örtlich, aber auch in geistiger Hinsicht, d.h. man kann nicht sagen, mein Freund hat die und die Meinung und die gefällt mir eigentlich ganz gut, also bin ich in dem Punkt nicht derselben Meinung wie Jesus. Oder: meine Eltern sagen aber anders und wir praktizieren das in der Verwandtschaft schon immer so, warum sollte ich mich in dem Punkt ändern. Oder: ich muss am Wochenende unbedingt immer heimfahren, um die Tradition meines Elternhauses einzuhalten, damit ich in meiner Verwandtschaft nicht komisch angesehen werde. Denkt man, dass so eine Einstellung sich mit der Ganzhingabe an Jesus verträgt ? Das sind doch alles Ausreden, Ausflüchte und Kompromisse.
Darum sagt Jesus, dass man so sein Jünger nicht sein kann. Aber Er formuliert es noch deutlicher: .... wer sein Leben nicht hasst ... Hmmm, warum ist denn das so streng, bzw. kann das denn überhaupt sein, dass man sein Leben "hassen" muss. Ist denn Hass nicht eine Sünde, wenn man andere Bibelstellen bedenkt?
Man muss die Stelle noch einmal tiefer betrachten. Fangen wir nochmal an. Wer zu Jesus kommen will, d.h. wer die Richtung der engeren Nachfolge der Jüngerschaft einschlagen will, muss dieses "Hassen" aufweisen. Wie kann man es verstehen ?
Hass ist das Gegenteil von Liebe. Die Richtung der Nachfolge ist von Jesus vorgegeben. Es ist die rechte Liebe, der rechte Weg zu Ihm hin. Der Jünger befindet sich im Kommen zu Jesus. Falls er nun zurückschauen würde, würde er zu seiner Familie und seinem vergangenen Leben mit all seinen Gepflogenheiten zurückblicken. Der Blick zurück wäre aber Liebe in die genau entgegengesetzte Richtung. Wer Jesus ganz lieben möchte im Sinne der Nachfolge Jesu und Jüngerschaft, kann nicht gleichzeitig nach rechts zu Jesus hin lieben und nach links (bzw. zurückgerichtet) in die ent- gegengesetzte Richtung lieben. Das ist unmöglich.
Wenn er nach rechts liebt, wo die ganze Liebe hingerichtet sein soll, kann er nicht gleichzeitig nach links bzw. zurücklieben, denn das geht nicht. Die ganze Liebe wäre immer behindert durch das entgegengesetzte Lieben. Daher heißt es auch, man kann sein Herz nicht gleichzeitig an weltliche Dinge hängen und Jesus ganz nachfolgen. Das geht nicht. Eine halbe Liebe ist keine ganze Liebe, logisch.
Nun könnte einer kommen und sagen, ja aber müssen wir denn nicht unsere Nächsten und v.a. unsere Familie lieben ? Das wider- spricht doch dem Evangelium nicht.
Es geht hier um den genauen Kontext der Nachfolge und was man dabei aufgeben muss ("wenn jemand zu mir kommt"). Man muss die anhängliche Liebe an Altes völlig aufgeben, weil es eine Minderung der Liebe zu Jesus bedeuten würde. Falsche Anhänglichkeiten würden bedeuten, dass man sie nicht loslassen kann, dass man Zeit damit verschwendet, dass man auf Ratschläge von Freunden hört, die nicht im Sinne Jesus sind, dass man evtl. ganz schädliche Gewohnheiten nicht aufgeben kann, usw.. In diesem Sinne muss man seine Liebe an Vergangenes aufgeben.
Der Hass, von dem hier die Rede ist, bezieht sich also auf ein notwendiges völliges Abziehen der Liebe von Vergangenem zugunsten der vollen Liebeshingabe an Jesus. Somit wird das Alte vergleichsweise "gehasst", denn ein gänzlicher Mangel an Liebe ist Hass. Hier ist es der notwendige totale Mangel zugunsten einer Totalhingabe. Man hasst also nicht aktiv in Richtung der Eltern, sondern man liebt sie so, dass der Liebe zu Jesus keinerlei Hindernis entgegensteht, das im Vergleich zu Jesus hassenswert wäre.
Wenn man diese Totalhingabe verstanden und getätigt hat, kann (und muss) man seine Eltern, Freunde und Bekannten natürlich im Sinne der wahren und gebotenen Eltern- u. Nächsten- liebe lieben, weil man dann weiß, dass man sie nicht so lieben darf, dass man sich durch diese Liebe wieder falschen Anhänglichkeiten hingibt.
Man liebe die Familie also ohne falsche Anhänglichkeit, wie es geboten ist (4. Gebot), sodass man der vollen Liebe zu Jesus nichts abzieht.
Kurz: Man liebe so, dass sich die wahre Liebe verdoppelt, nicht vermindert, sonst werden einem die Schuhe der Jüngerschaft zu groß.