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Welchen Weg die Priesterbruderschaft St. Pius X. gehen muss, um ganz in der Kirche anzukommen

ALS EINZELPERSONEN WIEDER IN DER KIRCHE

Welchen Weg die Priesterbruderschaft St. Pius X. gehen muss, um ganz in der Kirche anzukommen.

von Gero P. Weishaupt

Rheinischer Merkur: Was bedeutet die Rücknahme der Exkommunikation der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. durch den Papst konkret für diese Kleriker?

Gero P. Weishaupt: Die Rücknahme der Exkommunikation der vier Bischöfe bedeutet, dass sie als Einzelpersonen wieder in der Kirche sind. Nicht mehr und nicht weniger. Da die vier Bischöfe kein Amt innehaben, dürfen sie keine Akte der Weihegewalt, wie die Spendung von Sakramenten, ausüben. Zudem verfügen sie nicht über Leitungsgewalt in der Kirche. Darum können sie etwa einem Priester der Piusbruderschaft nicht gültig Beichtvollmacht erteilen oder ein kirchliches Amt übertragen.

RM: Sie sprechen die Sakramente an. Die Taufen sind doch sicher gültig, aber wie sieht es etwa bei den Priesterweihen und Trauungen aus?

Weishaupt: Taufen und Krankensalbung werden von den Priestern und Bischöfen gültig gespendet. Außer bei Taufe und Krankensalbung in der unmittelbaren Gefahr des Todes ist dies aber unerlaubt. Die Bischöfe der Piusbruderschaft spenden gültig, aber unerlaubt Priesterweihen. Die vor ihren Priestern geschlossenen Ehen sind allesamt ungültig geschlossen und müssten nun von der zuständigen kirchlichen Obrigkeit saniert werden.

RM: Was heißt das? Müssen jetzt Tausende von Paaren sich die Gültigkeit ihrer Ehe bestätigen lassen?

Weishaupt: Ja, die Eheleute müssten sich an das für sie zuständige Generalvikariat oder Offizialat wenden.

RM: Das klingt so, als wären die Priester der Piusbruderschaft einem Laien gleichgestellt. Dürfen sie predigen?

Weishaupt: Die Bischöfe dürfen nicht predigen, da ihnen bislang kein Kirchenamt verliehen ist. Offizielle amtliche Verkündigung ist ihnen nicht erlaubt. Sie sind keine Amtsträger. Erst recht dürfen die Priester der Piusbruderschaft nicht predigen. Wenn man bedenkt, dass Laien unter streng vorgegebenen Bedingungen bei Mangel an Klerikern amtlich predigen dürfen – ausgenommen natürlich immer die Homilie in der Heilige Messe –, dann haben die Bischöfe und Priester wegen der noch nicht erlassenen kanonischen Strafen beziehungsweise wegen fehlender Ämter weniger Rechte als Laien. Solange diese kirchenrechtliche Situation dauert, sind sie den Laien in dieser Beziehung nicht gleichgestellt.

RM: Was wäre jetzt der nächste Schritt hin zu einer Anerkennung der Piusbruderschaft?

Weishaupt: Wenngleich die Exkommunikation nun kirchenrechtlich aufgehoben ist, steht die volle Integration der Bischöfe und der Piusbruderschaft in das kirchliche Leben noch aus. Dazu werden Gespräche geführt mit den zuständigen Behörden der Römischen Kurie. Diese Gespräche werden sich einerseits auf Fragen der kirchenrechtlichen Struktur der Piusbruderschaft und der zukünftigen Ämter der Bischöfe und Priester konzentrieren. Andererseits werden diese Gespräche vor allem theologische Themen behandeln müssen, die insbesondere Bezug haben auf die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils, namentlich die Liturgie, die Religionsfreiheit, den Ökumenismus und das Verhältnis der Kirche zu anderen Religionen. Auch das Verständnis von Tradition bedarf theologischer Klärung.

RM: Und wann wäre die Piusbruderschaft wieder rehabilitiert?

Weishaupt: Die Piusbruderschaft wäre voll rehabilitiert, wenn die Bischöfe das Zweite Vatikanische Konzil bejahen, das Apostolat der Piusbruderschaft innerhalb der Sendung der Kirche in der Welt von heute und ihre kirchenrechtliche Struktur geklärt sind, die Bischöfe ein Amt bekleiden und die Suspension der Priester aufgehoben ist.

RM: Das klingt nach einem langen Weg bis zur vollen Anerkennung. Provozieren die Piusbrüder nicht eine erneute Exkommunikation, etwa wegen der für diesen Sommer angekündigten Priesterweihen? Kritiker fragen zudem, wie einer fortgesetzten Leugnung des Holocaust kirchenrechtlich beizukommen ist.

Weishaupt: Nein, mit den angekündigten Priesterweihen steuern sie nicht auf eine Exkommunikation zu. Das kirchliche Gesetzbuch sieht aber die Auferlegung einer, wie es heißt, gerechten Strafe vor. Die Bischöfe und Priester können aber nicht wegen der unerlaubten Priesterweihe aus dem Klerikerstand ausgeschlossen werden. Die Holocaust-Leugnung ist nach dem Kirchenrecht kein Delikt, das zur Exkommunikation führt.

RM: Bislang haben wir nur über die Bischöfe und Priester dieser Gemeinschaft gesprochen. Werden alle geschätzten 600 000 Anhänger im Falle einer Rehabilitation mit aufgenommen?

Weishaupt: Die Gläubigen der Piusbruderschaft, also die Nichtkleriker, sind nicht von der Exkommunikation betroffen, solange sie nicht den schismatischen Ideen der Bruderschaft zugestimmt und, was entscheidend ist, sich durch einen formalen Akt, etwa durch eine schriftliche Beitrittserklärung, der Piusbruderschaft angeschlossen haben. In dem Fall wären sie exkommuniziert gewesen. Die Exkommunikation wäre dann von Rechts wegen eingetreten.

RM: Könnte es im künftigen Verfahren zur Abspaltung eines Flügels kommen?

Weishaupt: Die Möglichkeit ist gegeben, da die Piusbruderschaft in sich gespalten ist. Es gibt Gemäßigte, die den Dialog mit Rom wünschen und das Zweite Vatikanische Konzil anerkennen möchten, und eben auch andere, die das nicht wünschen.

Gero P. Weishaupt ist Offizial (Gerichtsvikar) in der niederländischen Diözese ’s-Hertogenbosch und Diözesanrichter im Bistum Roermond. Das Gespräch führte Michaela Koller.

Quelle: www.sankt-pantaleon.de/…/Als_Einzelperso…