Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem 6. und dem 9. Gebot?
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem 6. und dem 9. Gebot?
Ich habe mich schon öfter gefragt, was eigentlich der Unter- schied zwischen diesen beiden Geboten ist, was noch dadurch befeuert wurde, dass diese beiden Gebote auch schon mal unterschiedlich formuliert sind.
Wenn man selber in die Bibel reinschaut, merkt man, worin die Schwierigkeit liegt. Die Gebote in Ex 20,2-17 und Dtn 5,6-21 sind zwar sinngemäß gleich und auch von den Worten her fast gleich, doch eben nicht ganz gleich. Das, was wir meist als 9. Gebot bezeichnen, ist der Deuteronomiumfassung entnommen, während die Exodusversion von der Reihenfolge her etwas anders ist, obwohl man es auch nach dieser Fassung als 9. Gebot werten kann.
Demnach heißen die Gebote nach der EÜ:
Du sollst nicht die Ehe brechen. (Ex 20,14 und Dtn 5,18) Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen. (Ex 20,17 und Dtn 5,21)
Bei uns sind diese Gebote meist so übersetzt:
6. Du sollst nicht die Ehe brechen. 9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.
Worin besteht nun der Unterschied?
Das 6. Gebot bezieht sich eindeutig auf die Ehe und zwar in der Tat, das 9. Gebot bezieht sich allgemeiner auf eine andere Frau und im Besonderen auf das Begehren. Das 6. Gebot bricht, wer den Ehepartner verlässt und einen anderen Partner heiratet. Das „und“ ist hier wichtig, denn das Verlassen des Ehepartners ist in bestimmten Fällen manchmal sogar nötig, nämlich wenn der Ehepartner zur Gefahr für Leib und Seele wird. Seelengefahr wäre, wenn der Partner den Glauben gefährdet. Leibesgefahr wäre, wenn der Partner Gewalt anwendet oder wenn er Seitensprünge macht und sich nicht auf Aids testen lassen will oder wenn er Okkultismus betreibt und besessen wird. Das wären Gefahren für Leib und Seele, darum sagt Jesus im Evangelium über den Ehebruch: „Ich sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch.“ (Mt 19,9) Hieraus geht klar hervor, dass Ehebruch immer schwere Sünde ist, doch dass es auch Gründe der räumlichen Trennung geben kann, wenn ein Fall von Unzucht vorliegt, damit der Partner nicht dadurch verunreinigt bzw. ge- schädigt wird. Das Wort „Unzucht“ darf man hier wohl auch als geistige Unzucht verstehen.
Das 9. Gebot drückt dazu noch aus, dass man in keine fremde Ehe einbrechen darf und überhaupt keine Frau seines Nächsten begehren soll und zudem drückt das Wort „Begehren“ aus, was Jesus im Evangelium sagt: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Mt 5,27) Hieraus geht das 9. Gebot, das Begehrensverbot, hervor. Beim Herrn ist nämlich der Wille zu Unerlaubtem schon vollendete Tat im Willen. Die Kirche lehrt ja auch, dass schwere Sünde schon in Gedanken vorkommen kann.
Das 6. Gebot bezieht sich also mehr auf die Tat, das 9. Gebot mehr auf die Gedanken, die ebenso schon als vollendet Tat gewertet werden können. Das 6. Gebot beschreibt den konkreten Ehebruch mit Trennung und eine andere heiraten, das 9. Gebot thematisiert auch noch das davorliegende unrechtmäßige Begehren, mit dem alles anfängt. Beim 6. Gebot macht man sich Gedanken da- rüber, ob man die Ehe gebrochen hat und das kann theoretisch auf verschiedene Weise geschehen: durch Fremdgehen oder durch unzüchtige Handlungen, also durch Unreinheit bzw. Unkeuschheit verschiedenster Art. Das spricht alles gegen die keusche Ehe. Und das 9. Gebot schärft uns das Verbot des Begehrens ein, weswegen es in der Exodusversion auch mit dem Begehren von Hab und Gut kombiniert ist. Man soll nicht begehren, was einem anderen gehört, natürlich auch nicht seine Frau. Das falsche Habenwollen ist hier gemeint und das beginnt schon in Gedanken. Es beginnt schon beim Anschauen fremder Frauen im Internet, was der Augenlust entspricht und wiederum Fleischeslust auslösen kann. Die Genesiserzählung über den Sündenfall Evas lehrt, dass man sich von der Versuchung fernhalten muss, sonst zieht es einen immer mehr hinein. Der hl. Thomas v. Aquin schreibt in seinem Katechismus, dass der hl. Paulus dies wohl wusste, weswegen er sagte, dass er ein anderes Gesetz in seinen Gliedern wirken spüre, das Gesetz der Sünde. Das Fleisch hat ein angeborenes Begehren in sich, das nicht gut ist, man muss es mit der Gnade im Willen überwinden, sodass der Geist über das Fleisch herrscht. Schwere Sünde wäre es, wenn das Fleisch und die Leiden- schaften über den Geist zu herrschen begännen.
Oft ist das 6. Gebot auch so übersetzt: Du sollst nicht Unkeuschheit treiben; womit wieder mehr die Tat im Vordergrund stünde.
Fazit: Das 6. und das 9. Gebot sind sehr nahe beieinander, doch das 6. thematisiert mehr den Ehebruch und die Unzucht in der Tatausführung, das 9. Gebot legt den Fokus auf das falsche Begehren, das schon in Gedanken beginnt oder zu Worten wird, aber noch nicht wie das 6. Gebot den direkten Ehebruch in der Tat ausführt. Beide Gebote behandeln somit die eheliche Keuschheit und die Reinheit in Tat, Wort und Gedanke.
Wer die Gebote genau liest, bemerkt, dass es hier auch eine Parallelität zu den Geboten 7 und 10 gibt. Das 7. heißt: Du sollst nicht stehlen. Das 10. heißt: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut. Das eine bezeichnet mehr die Tatausführung, das andere das Begehren.
Man sieht, Jesus sagt hier gar nichts Neues, wenn Er darauf hinweist, dass schon das lüsterne Begehren Ehebruch ist.