Michael Wolffsohn: Deutschlands provokative Schwäche gegenüber Islamisten (renovatio.org)

Michael Wolffsohn: Deutschlands provokative Schwäche gegenüber Islamisten
20. Mai 2021


Eugène Delacroix - Die Fanatiker von Tanger (Wikimedia Commons/gemeinfrei)

Der Historiker Michael Wolffsohn lehrte zuletzt an der Universität der Bundeswehr München. In einem heute in der Tageszeitung „Die Welt“ erschienenen Aufsatz analysiert er die derzeit in Deutschland im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt zu beobachtenden Vorfälle. Er bewertet sie als Indikator für die Schwäche des deutschen Staates gegenüber radikalen Muslimen. Die deutsche Gesellschaft betrüge sich zudem selbst, wenn sie islamistischen Antisemitismus ausblende.

Die Vorfälle unterstrichen allgemein, dass es in Deutschland ungelöste Probleme im Zusammenhang mit „einer arabisch-muslimischen Minderheit“ gebe. Dies sei vor allem deshalb auffällig, weil von anderen Minderheiten, die weit weniger Unterstützung zu ihrer Integration erhielten, „keine, kaum oder jedenfalls nicht vergleichbare Probleme“ ausgingen.
Das radikale Muslime die jetzt sichtbar werdende Wirkung in Deutschland entfalten könnten, läge vor allem daran, dass der deutsche Staat sie durch seine Schwäche begünstige und ermutige:
„Teile der deutschen Justiz“ wollten offenbar das geltende Recht nicht anwenden, wodurch sie „die zivilisatorische Grundlage unseres Gemeinwesens“ gefährdeten. Gerichte hätten beispielsweise einige der Veranstaltungen, bei denen es zu Ausschreitungen kam, vorab genehmigt, obwohl ein gewalttätiger Verlauf absehbar gewesen sei. Die Täter hätten zudem nur mit milden Strafen zu rechnen.

Die für die Ausschreitungen verantwortlichen radikalen Muslime „verunsichern Deutschlands Städte, beherrschen die Straße und benehmen sich wie eine Besatzungsmacht“. Das Gewaltmonopol des Staates werde durch sie zunehmend bedroht. Bei den Ausschreitungen seien zudem zahlreiche Polizeibeamte, aber offenbar keine der beteiligten Personen verletzt worden. Dies zeige, dass der deutsche Staat gegenüber radikalen Muslimen nur mangelhaft durchsetzungsfähig sei.

Das Grundgesetz gewähre in Artikel 8 nur deutschen Staatsbürgern ein Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Viele der „muslimisch-arabischen Gewalttäter“ seien jedoch „keine Bürger, sondern nur Einwohner“. Diesen das entsprechende Recht einzuräumen sei „verfassungsrechtlich nicht geboten“, zumal die „deutsche Liberalität“ und Gastfreundschaft sowie das deutsche Recht von radikalen Muslimen missbraucht würden. Wenn der deutsche Staat sich hier nicht durchsetze, dann „schafft er sich selbst ab“.
Außerdem kritisiert Wolffsohn einen in Deutschland verbreiteten „Selbstbetrug“ in Form der „Legende, dass Rechtsextremisten die Quelle des Antisemitismus seien“. Die gegenwärtigen Vorfälle zeigten, dass „Linksextremisten und muslimische Fanatiker“ mindestens ebenso antisemitisch eingestellt seien und auf dieser Grundlage zusammenwirkten.1

Hintergrund und Bewertung
Der Geostratege Fritz Kraemer schuf den Begriff der „provokativen Schwäche“, um die Ursache von Eskalationsdynamiken zu beschreiben, die entstehen, wenn ein Akteur mit offensiven Absichten auf einen Akteur trifft, der aus einer falschen Lagebeurteilung heraus meint, einen Konflikt durch defensives Handeln deeskalieren zu können. Dies werde von der anderen Seite jedoch als Schwäche wahrgenommen und führe dazu, dass der Konflikt eskaliere. Nur durch glaubwürdige Demonstrationen von Stärke könne dann eine Deeskalation herbeigeführt werden. Wenn ein Akteur jedoch durch fortgesetzte Demonstration von Schwäche nicht mehr glaubwürdig ist, ist eine Eskalation in diesem Fall unvermeidlich. Solange die andere Seite ihre offensiven Absichten nicht aufgibt, kann ein Konflikt dann nur noch durch den umfassend demonstrierten überlegenen Willen und die Fähigkeit zur Anwendung von Gewalt wieder deeskaliert werden.

Die oben erwähnten Vorfälle sind auch eine Folge der Migrationspolitik der Bundesregierung, die durch die Akzeptanz irregulärer Migration seit 2015 eine starke Zunahme der Zahl der antisemitisch, aber auch christenfeindlich eingestellten Muslime in Deutschland bewirkt hat. Studien legen nahe, dass unter irregulären muslimischen Migranten rund 40-50 Prozent antisemitische oder christenfeindliche Positionen vertreten. Sicherheitsbehörden zufolge waren auch junge Männer und Jugendliche aus Staaten wie dem Irak und Syrien an den aktuellen Vorfällen beteiligt. Behördenleiter, die vor solchen Entwicklungen gewarnt hatten, waren zuvor zum Teil aus ihren Ämtern entfernt worden.

Der Journalist Thomas Thiel hatte zudem kürzlich kritisiert, dass die Bundesregierung wissentlich auf der Grundlage eines offensichtlich unzutreffenden Lagebildes bzgl. antisemitisch motivierter Straftaten agiere:
Der „muslimische oder arabische Antisemitismus“ sei im behördlichen Lagebild der „große Beschwiegene“. Studien würden nahelegen, dass muslimische Täter für rund 80 Prozent der entsprechenden Vorfälle in Deutschland verantwortlich seien, während in der offiziellen Statistik über 95 Prozent der Vorfälle als rechtsextremistisch eingestuft würden.
Delikte, die keiner Tätergruppe zuweisbar seien, würden grundsätzlich als rechtsextrem motiviert eingeordnet. Ein Beispiel dafür sei, dass ein von bestimmten Islamisten auf Demonstrationen verwendeter Gruß, der dem sog. „Hitlergruß“ ähnele, als rechtsextreme Straftat eingestuft werde. Auch wenn sich bei Ermittlungen ein anderer Hintergrund ergebe, werde dies häufig nicht korrigiert.
Die Bundesregierung stütze sich in ihren Entscheidungen auf dieses falsche Lagebild und lasse keine Anstrengungen dazu erkennen, dies zu korrigieren oder auch nur auf die Fehler hinzuweisen. Der Öffentlichkeit werde aus von Thiel nicht näher analysierten Gründen „wissentlich ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit“ präsentiert.2

Äußerungen aus dem Umfeld der Regierungsparteien deuten darauf hin, dass das Motiv für dieses Verhalten vor allem parteipolitische Erwägungen bzw. die Absicht ist, Antisemitismus-Vorwürfe für die Auseinandersetzung mit politischen Gegnern zu instrumentalisieren. Dieses Verhalten zeigen auch einige Aktivisten aus dem linken Spektrum. Eine Thematisierung des islamistischen Antisemitismus wäre zudem mit dem Eingeständnis verbunden, dass man die Lage über lange Zeiträume hinweg falsch beurteilt hat. Dies trägt insgesamt dazu bei, dass realer Antisemitismus, aber auch die von Islamisten ebenso praktizierte Christenfeindlichkeit oft unerkannt bleiben und nicht angemessen bekämpft werden. Die Vorfälle, bei denen Islamisten jeweils bis zu mehrere tausend Menschen mobilisieren konnten, stellen auch einen Indikator dafür dar, dass unter anderem in Folge des beschriebenen Verhaltens die islamistische Bedrohung in Deutschland weiter zunimmt, auch wenn die Zahl der islamistischen Anschläge zuletzt zurückgegangen war.

Quellen
Michael Wolffsohn: „Deutschlands Intifada“, Die Welt, 20.05.2021.
Thomas Thiel: „Die beschwiegene Quelle des Judenhasses“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.05.2021.

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