a r o n
701

Historiker über Katyn: "Doppelter Schlag für Polen"

13.04.2023 11:12

Der Historiker Professor Andrzej Nowak erinnert daran, dass die Deutschen ihre eigenen Interessen verfolgten, als sie die Informationen über die Massengräber in Katyn preisgaben. An der Entscheidung der Alliierten, das Verbrechen zu verschweigen, habe politisch am meisten Polen verloren.

Цвинтар, Катинь, 2013 рік.Wikimedia Creative Commons/Saper - Own work/CC BY 3.0 File:Katyń Forest November 2013 005.JPG - Wikimedia Commons

Die Offenlegung der Informationen über den Völkermord von Katyn durch die Deutschen sei ein doppelter Schlag für Polen gewesen, betonen Historiker. Am 13. April 1943, vor genau 80 Jahren, hatten die Deutschen die Entdeckung von Massengräbern polnischer Offiziere in Katyn bekanntgegeben. Die Sowjets haben die Verantwortung für den Mord von sich gewiesen und die Deutschen für das Verbrechen verantwortlich gemacht. Die sowjetische Propaganda hat diese Version der Ereignisse mehr als ein halbes Jahrhundert lang aufrechterhalten.

Der Historiker Professor Andrzej Nowak erinnert daran, dass die Deutschen ihre eigenen Interessen verfolgten, als sie die Informationen über die Massengräber in Katyn preisgaben. "Die Deutschen begannen, den Krieg zu verlieren und wollten daher die Alliierten spalten - das heißt, ein sowjetisches Verbrechen von unvorstellbarem Ausmaß aufzeigen und es propagandistisch verbreiten, um die westlichen Alliierten der Sowjetunion vor dem Dilemma stellen, ob sie ein solches Verbrechen verschweigen und weiter Seite an Seite mit Stalin kämpfen wollten. Das war das Wesen des Propagandaspiels", so der Historiker.

Die Deutschen haben ihr Ziel nicht erreicht, weil es für die Alliierten wichtiger war, die Sowjets in den Krieg gegen Deutschland zu engagieren, als die Wahrheit über die wahren Täter des Verbrechens an den Polen zu enthüllen. Wie Professor Slawomir Kalbarczyk betont, habe Polen dadurch die größten politischen Verluste erlitten, mit dem die Sowjets aufgrund der von polnischen Behörden erhobenen Vorwürfe, die diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben. "In dem Moment, in dem die Beziehungen abgebrochen wurden, begann auch die Marginalisierung Polens und wir begannen, uns auf der Seite der Verliererstaaten wiederzufinden", sagt Kalbarczyk. Wie der Historiker hinzufügt, habe das zunehmende Entgegenkommen der Alliierten gegenüber Stalin bei einem gleichzeitigem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den polnischen Behörden bedeutet, dass "Stalin seinen Plan, Polen seiner Souveränität zu berauben, unbehelligt realisieren konnte".

Diese Entwicklungen hätten im April 1943 zu einer doppelten Niederlage für Polen geführt, erklärt der Historiker Professor Tadeusz Wolsza. "Die Sowjetunion hat in Bezug auf Katyń in zweierlei Hinsicht gewonnen: Sie hat sich jedweder Verantwortung für das Katyń-Verbrechen entzogen und zweitens in Bezug auf Polen die gesamte Initiative an sich gerissen. Man könnte sagen, dass wir zweimal verloren haben." - sagt er.

Ein zusätzlicher Schlag für Polen war, dass die Enthüllung der Informationen über die Massengräber polnischer Kriegsgefangener in Katyn auch die Erkenntnis brachte, dass wir einen bedeutenden Teil der Elite der Zweiten Polnischen Republik verloren haben, ergänzt Professor Kalbarczyk. "Unter den Opfern des Massakers von Katyn befanden sich Offiziere der polnischen Armee, Polizeibeamte, Wissenschaftler, Ärzte, Künstler, Geistliche - all jene, auf die der Staat wirklich angewiesen war", so der Historiker.

Als Massaker von Katyn wird die Ermordung von fast 22.000 polnischen Bürgern durch den NKWD auf Befehl Stalins bezeichnet, die nach dem Angriff der Sowjetunion auf Polen am 17. September 1939 in Gefangenschaft geraten waren. Die Opfer sind durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet und in anonymen Todesgruben in Katyn bei Smolensk, Miednoye bei Twer, Piatichatki in einem Vorort von Charkiw sowie in Bykivnia bei Kiew und möglicherweise in Kuropaty bei Minsk in Weißrussland begraben worden, wo laut der so genannten weißrussischen Liste 3.870 Polen begraben sein könnten.

IAR/adn