Die Geißelung Jesu: «Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!» /Anna Katharina Emmerich
"Ich finde keine Schuld an ihm, darum will ich ihn züchtigen lassen und freigeben!"
Pilatus, der niederträchtige, schwankende Richter, hatte mehrmals das verkehrte Wort ausgesprochen. Ich finde keine Schuld an ihm, darum will ich ihn züchtigen lassen und freigeben!» Das Geschrei der Juden währte aber immer fort: «Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!» Doch wollte Pilatus erst seinen Willen noch versuchen und gab den Befehl, Jesus auf römische Weise zu geißeln. Da führten die Schergen Jesus, den mißhandelten, zerschlagenen, verspienen Heiland, mit kurzen Stäben heftig stoßend und schlagend durch das tobende schreiende Volk hinaus auf das Forum, nördlich vom Haus des Pilatus und unweit dem Wachhaus an eine Geißelsäule, welche hier vor einer der den Markt umgebenden Hallen stand.
Die Henkersknechte kamen mit ihren Geißeln, Ruten und Stricken, die sie bei der Säule niederwarfen, Jesus entgegen. Es waren sechs braune Menschen, kleiner als Jesus, mit krausem, struppigem Haupthaar. Sie hatten von Natur nur ein dünnen, stoppeligen Bartwuchs, ihre Bekleidung bestand allein aus einer Binde um den Unterleib, schlechten Sohlen und einem Stück Leder oder sonst schlechtem Zeug, das, an der Seite offen, wie ein Skapulier ihren Oberleib bedeckte, ihre Arme waren nackt. Es waren niedrige Verbrecher aus der Gegend von Ägypten, die als Sklaven hier an Bauten und Kanälen arbeiteten, und es wurden die Boshaftesten und Niederträchtigsten aus ihnen zu solchen Henkerdiensten im Prätorium gebraucht.
Diese greulichen Menschen hatten an derselben Säule schon arme Sünder zu Tode gepeitscht. Sie hatten etwas ganz Tierisches, Teuflisches in ihrem Wesen und waren wie halb besoffen. Sie schlugen den Herrn, der doch ganz willig ging, mit Fäusten und Stricken und rissen ihn mit rasender Wut zu der Geißelsäule. Diese ist eine freistehende Säule und keine Stütze irgendeines Gebäudes. Die Säule ist so hoch, daß ein großer Mensch mit ausgestreckten Armen zu ihrem oberen, runden, mit einem eisernen Ring versehenen Ende reichen kann, an ihrer Rückseite in der Mitte ihrer Höhe sind auch Ringe oder Haken. Es ist unmöglich, die Barbarei auszusprechen, mit welcher diese wütenden Hunde Jesus auf dem kurzen Wege mißhandelten; sie rissen ihm den Spottmantel Herodes’ ab und warfen den armen Heiland schier zur Erde.
Jesus zitterte und bebte vor der Säule. Er zog seine Kleider selbst mit seinen vom heftigen Schnüren geschwollenen und blutigen Händen in bebender Eile aus, während sie ihn stießen und rissen. Er betete und flehte so rührend und wendete sein Haupt einen Augenblick zu seiner von Schmerz ganz zerrissenen Mutter, die bei den heiligen Frauen in einem Winkel der Halle des Marktes nicht weit von dem Geißelplatz stand, sagte, sich zu der Säule kehrend, um seine Blöße durch diese zu bedecken, indem er nun auch die Binde seines Unterleibes lösen mußte: «Wende deine Augen von mir. «Ich weiß nicht, ob er dieses mit äußeren oder inneren Worten sagte, aber ich vernahm, wie Maria es vernahm; denn ich sah sie in demselben Augenblick bewußtlos und abgewendet in die Arme der sie umgebenden verschleierten heiligen Frauen sinken.
Nun umarmte Jesus die Säule, und die Schergen knebelten unter greulichem Fluchen und Zerren seine heiligen emporgezogenen Hände oben hinter den eisernen Ring der Säule und spannten seinen ganzen Leib so in die Höhe, daß seine unten an der Säule festgeschlossenen Füße kaum stehen konnten. Der Heiligste der Heiligen stand in ganzer menschlicher Blöße mit unendlicher Angst und Schmach an die Säule der Verbrecher aufgespannt, und zwei der Wüteriche begannen mit rasender Blutgier, seinen ganzen heiligen Rückleib von unten hinauf und oben herab zu zerpeitschen. Ihre ersten Geißeln oder Ruten sahen aus wie von weißem, zähem Holz, vielleicht waren sie auch Bündel von starren Ochsensehnen oder harten weißen Lederstreifen.
Unser Herr und Heiland, der Sohn Gottes, wahrer Gott und wahrer Mensch, zuckte und krümmte sich wie ein armer Wurm unter den Rutenhieben der Verbrecher, er wimmerte und stöhnte, und ein helles, süß klingendes Wehklagen wie ein liebevolles Gebet unter zerreißender Pein drang durch die zischenden Rutenhiebe seiner Peiniger. Dann und wann verschlang diese jammervollen, heiligen, segnenden Klagetöne das Geschrei des Volkes und der Pharisäer wie eine schreckliche schwarze Sturmwolke; sie schrien in ganzen Massen: «Hinweg mit ihm, kreuzige ihn!» denn Pilatus verhandelte noch mit dem Volk, und wenn er das Getöse der Menge mit einigen Worten unterbrechen wollte, tönte zuerst eine Art Trompetenstoß, um eine Pause zu veranlassen, dann hörte man wieder die Rutenstreiche, das Wehklagen Jesu, die Flüche der Schergen und das Geblöke der Opferlämmer, welche östlich von hier im Schafteich neben dem Schaftor aus dem Groben gewaschen wurden. Wenn sie gewaschen waren, trugen die Leute sie mit verbundenem Maul bis zum reinen Tempelweg, damit sie sich nicht wieder beschmutzten, und trieben sie dann außen herum gegen die Abendseite hin, wo sie noch einer Zeremonienwäsche unterworfen waren. Dieses hilflose Blöken der Lämmerherden hatte etwas unbeschreiblich Rührendes, es waren die einzigen Stimmen, die sich mit dem Seufzen des Heilandes vereinigten.
Das jüdische Volk hielt sich von dem Geißelplatz in einiger Entfernung, ungefähr in der Breite einer Straße. Römische Soldaten standen hie und da, besonders gegen das Wachhaus zu. In der Nähe der Geißelung stand, ab und zu gehend, allerlei Gesindel, schweigend oder höhnend. Manchen sah ich doch eine Rührung ankommen, und es war dann, als stösse ein Strahl von Jesus auf ihn.
Ich sah auch infame, schier ganz nackte Jungen, welche an der Seite des Wachhauses frische Ruten bereiteten, und andere, welche hinweggingen, um Dornenzweige zu holen. Es hatten aber einige der Schergen der Hohenpriester mit den Geißlern Verkehr und steckten ihnen Geld zu, und es ward ein großer Krug mit einem dicken roten Saft gebracht, von welchem sie soffen, daß sie ganz grimmig und rauschig wurden. Es war kaum eine Viertelstunde, da hörten die beiden Geißler auf zu schlagen und traten mit zwei andern zusammen und tranken. Jesu Leib ward ganz braun und blau und rot mit Schwielen bedeckt, und sein heiliges Blut rieselte nieder. Er zitterte und zuckte. Hohn und Spott ertönte von allen Seiten.
Heute Nacht war es kalt gewesen, am Morgen und bis jetzt war kein heller Himmel, und einige kurze Hagelschauer fielen zur Verwunderung des Volkes nieder. Gegen Mittag war der Himmel hell und Sonnenschein.
Das zweite Paar der Geißelknechte fiel nun mit neuer Wut über Jesus her, sie hatten eine andere Art Ruten, welche kraus, wie von Dornen waren und in denen hie und da Knöpfe und Sporen befestigt erschienen. Unter ihren wütenden Schlägen zerrissen alle die Schwielen seines heiligen Leibes, sein Blut spritzte im Kreis umher, die Arme der Henker waren davon besprengt. Jesus jammerte und betete und zuckte in seiner Qual.
Es zogen viele fremde Leute auf Kamelen jetzt am Forum vorüber und schauten mit Schrecken und Betrübnis, als das Volk ihnen sagte, was geschah. Es waren Reisende, welche teils die Taufe empfangen, teils Jesu Berglehren früher gehört hatten. Das Schreien und Getöse vor Pilatus’ Haus währte immer fort.
Die beiden folgenden Schergen schlugen Jesus mit Geißeln. Es waren dies an einem eisernen Griffe befestigte kleine Ketten oder Riemen, an deren Spitzen eiserne Haken hingen, und sie rissen ihm damit ganze Stücke Fleisch und Haut von den Rippen. 0 wer kann den elenden greulichen Anblick beschreiben!
Aber sie hatten des Greuels nicht genug und lösten die Stricke auf und banden Jesus herum mit dem Rücken gegen die Säule, und weil er so erschöpft war, daß er nicht mehr stehen konnte, banden sie ihn mit dünnen Stricken über die Brust, unter den Armen und unter den Knien an die Säule, und seine Hände schnürten sie hinter die Säule in deren Mitte fest. Er war schmerzlich zusammengezogen mit Blut und Wunden bedeckt, seine gekreuzten Lenden und die zerrissene Haut seines Unterleibes verhüllten seine Blöße. Wie wütende Hunde tobten die Geißler mit ihren Hieben, und einer hatte eine feinere Rute in der linken Hand und zerpeitschte ihm sein Antlitz damit. Es war keine heile Stelle mehr am Leib des Herrn, er sah die Geißler mit seinen bluterfüllten Augen an und flehte um Erbarmen, aber sie wüteten um so ärger, und Jesus jammerte immer leiser: «Wehe!»
Die fürchterliche Geißelung hatte wohl an dreiviertel Stunden gewährt, als ein fremder und geringer Mann, ein Verwandter des von Jesus geheilten Blinden Ctesiphons, zu der Rückseite der Säule mit einem sichelförmigen Messer zornig heranstürzte, er schrie: «Haltet ein, schlaget den unschuldigen Menschen nicht ganz tot!» und da hielten die trunkenen Büttel stutzend ein, und jener schnitt in Eile wie mit einem Schnitt die Stricke Jesu los, die hinten an der Säule alle in einem Knoten um einen großen eisernen Nagel befestigt waren, und dann floh der Mann wieder, unter der Menge des Volkes sich verlierend. Jesus aber sank mit seinem ganzen blutenden Leib am Fuße der Säule wie ohnmächtig in den Kreis seines Blutes nieder. Die Geißelknechte ließen ihn liegen, sie tranken und riefen den Henkerbuben zu, die im Wachhaus beschäftigt waren, die Dornenkrone zu flechten.
Jesus zuckte noch in seinen Schmerzen, mit blutenden Wunden am Fuße der Säule liegend, da sah ich einige frech geschürzte liederliche Dirnen vorbeiziehen. Sie hatten sich bei den Händen gefaßt und standen vor Jesus still und sahen nach ihm mit weichlichem Ekel, da schmerzten ihn alle seine Wunden noch mehr, und er hob sein elendes Angesicht so jammervoll gegen sie. Da zogen sie weiter, und die Schergen und Soldaten riefen ihnen lachend Schandreden nach.
Ich sah aber mehrmals während der Geißelung, als erschienen trauernde Engel um Jesus, und ich hörte sein Gebet, wie er unter dem Hagel der bitteren schimpflichen Pein sich fortwährend ganz seinem Vater für die Sünden der Menschen hingab. Jetzt aber, da er in seinem Blut an der Säule lag, sah ich einen Engel, der ihn erquickte; es war, als gebe er ihm einen leuchtenden Bissen.
Nun nahten die Schergen wieder und stießen ihn mit Füßen, er solle aufstehen, sie seien noch nicht fertig mit dem König, sie schlugen auch nach ihm, und Jesus kroch nach seiner Gürtelbinde, die an der Seite lag, und die verruchten Buben stießen dieselbe hohnlachend mit den Füßen hin und her, so daß der arme Jesus sich mühsam in blutiger Nacktheit am Boden wie ein zertretener Wurm wenden mußte, seinen Gürtel zu erreichen und seine zerrissenen Lenden zu verhüllen. Dann trieben sie ihn mit Fußtritten und Schlägen auf die wankenden Füße und ließen ihm nicht Zeit, seinen Rock anzuziehen, und warfen ihm denselben bloß mit den Ärmeln über die Schultern. Er trocknete das Blut mit diesem Kleid von seinem Angesicht auf dem Umweg, auf welchem sie ihn eilend zu dem Wachhaus trieben. Sie hätten vom Geißelplatz gleich kürzer hingekonnt, weil die Hallen um das Gebäude gegen das Forum geöffnet worden waren, so daß man nach dem Gang sehen konnte, unter welchem die Schächer und Barabbas gefangen lagen, aber sie führten Jesus vor den Sitzen der Hohenpriester vorbei, welche schrien: «Hinweg mit ihm! Hinweg mit ihm!» und sich mit Ekel von ihm wendeten; und sie führten ihn in den inneren Hof des Wachhauses. Es waren jetzt bei Jesu Eintritt keine Soldaten darin, aber allerlei Sklaven und Schergen und Lotterbuben, der Auswurf und Troß.
Weil nun das Volk so unruhig war, hatte Pilatus eine Verstärkung der römischen Wache aus der Burg Antonia herbeigezogen; diese Scharen umschlossen geordnet das Wachhaus. Sie durften wohl sprechen und lachen und Jesus verhöhnen, aber sie mußten sich in Reih und Glied halten. Pilatus wollte dadurch das Volk im Zaum halten und ihm imponieren. Es waren wohl an tausend Mann versammelt.
Maria während Jesu Geißelung
Ich sah die heilige Jungfrau während der Geißelung unseres Erlösers in einer steten Entrückung, sie sah und erlitt alles, was ihrem Sohn geschah, innerlich mit unaussprechlicher Liebe und Pein. Oft brachen leise Klagetöne aus ihrem Munde, ihre Augen waren entzündet von Tränen. Sie lag verschleiert in den Armen ihrer älteren Schwester Maria Heli, welche schon sehr bejahrt war und viel Ähnliches mit ihrer Mutter Anna hatte. Maria Cleophä, die Tochter der Maria Heli, * war auch zugegen und hing meistens am Arm ihrer Mutter. Die heiligen Freundinnen Marias und Jesu waren alle verhüllt und verschleiert, in Schmerz und Angst bebend, in leisem Wehklagen um die heilige Jungfrau zusammengedrängt, als erwarteten sie ihr eigenes Todesurteil. — Maria hatte ein langes, beinahe himmelblaues Gewand an und darüber einen langen wollweißen Mantel und gelblich weißen Schleier. Magdalena war sehr verstört und ganz zerrüttet vor Schmerz und Wehklagen, ihre Haare waren unter ihrem Schleier aufgelöst.
* Maria Heli ist schon früher in diesen Blättern erwähnt. Nach den sehr ins Einzelne gehenden Betrachtungen der Erzählerin über die Verwandten der heiligen Familie, sieht sie diese Tochter Joachims und Annas an zwanzig Jahre vor der heiligen Jungfrau geboren. Sie war das Kind der Verheissung nicht, und wird zur Unterscheidung von anderen Marien in ihren Betrachtungen Maria Heli genannt, was soviel heissen soll, als Maria Joachims oder Heliachims Tochter. Ihr Mann hiess Cleophas und ihre Tochter Cleophä, und so ist Maria Cleophä die Nichte der heiligen Jungfrau, und mehrere Jahre älter, als diese. Der erste Ehemann der Maria Cleophä hiess Alphäus, ihre Söhne mit diesem waren die Apostel Simon, Jakobus der kleinere und Judas Thaddäus. Mit ihrem zweiten Manne Sabas erzeugte sie Joses Barsabas, und in der dritten Ehe mit einem Jonas den Simon, der Bischof von Jerusalem ward.
Ich sah, da Jesus nach der Geißelung an der Säule niedergesunken war, daß Claudia Procle, des Pilatus Weib, der Muttergottes einen Pack großer Tücher sendete. Ich weiß nicht mehr recht, ob sie glaubte, Jesus werde freigelassen werden, und dann solle die Mutter des Herrn seine Wunden damit verbinden, oder ob die mitleidige Heidin die Tücher zu der Handlung sendete, wozu die heilige Jungfrau sie gebrauchte.
Maria, wieder zu sich gekommen, sah ihren zerfleischten Sohn von den Bütteln vorübertreiben. Er wischte das Blut aus seinen Augen mit seinem Gewand, um seine Mutter anzusehen; sie hob die Hände schmerzvoll nach ihm und sah seinen blutigen Fußtapfen nach. Nun aber sah ich die heilige Jungfrau und Magdalena, als das Volk sich mehr nach einer andern Seite wendete, dem Geißelplatze nahen, und sie warfen sich, von den andern heiligen Frauen und einigen guten Leuten, die um sie her traten, umschlossen und gedeckt, auf die Erde bei der Geißelsäule nieder und trockneten das heilige Blut Jesu mit jenen Tüchern auf, wo sie nur eine Spur fanden.
Johannes sah ich jetzt nicht bei den heiligen Frauen, die etwa zwanzig waren. Simeons Sohn, Obeds Sohn, Veronikas Sohn und Aram und Themeni, die beiden Neffen Josephs von Arimathia, waren alle unter Angst und Trauer im Tempel beschäftigt.
Es war nach der Geißelung etwa neun Uhr morgens.
kath-zdw.ch
Pilatus, der niederträchtige, schwankende Richter, hatte mehrmals das verkehrte Wort ausgesprochen. Ich finde keine Schuld an ihm, darum will ich ihn züchtigen lassen und freigeben!» Das Geschrei der Juden währte aber immer fort: «Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!» Doch wollte Pilatus erst seinen Willen noch versuchen und gab den Befehl, Jesus auf römische Weise zu geißeln. Da führten die Schergen Jesus, den mißhandelten, zerschlagenen, verspienen Heiland, mit kurzen Stäben heftig stoßend und schlagend durch das tobende schreiende Volk hinaus auf das Forum, nördlich vom Haus des Pilatus und unweit dem Wachhaus an eine Geißelsäule, welche hier vor einer der den Markt umgebenden Hallen stand.
Die Henkersknechte kamen mit ihren Geißeln, Ruten und Stricken, die sie bei der Säule niederwarfen, Jesus entgegen. Es waren sechs braune Menschen, kleiner als Jesus, mit krausem, struppigem Haupthaar. Sie hatten von Natur nur ein dünnen, stoppeligen Bartwuchs, ihre Bekleidung bestand allein aus einer Binde um den Unterleib, schlechten Sohlen und einem Stück Leder oder sonst schlechtem Zeug, das, an der Seite offen, wie ein Skapulier ihren Oberleib bedeckte, ihre Arme waren nackt. Es waren niedrige Verbrecher aus der Gegend von Ägypten, die als Sklaven hier an Bauten und Kanälen arbeiteten, und es wurden die Boshaftesten und Niederträchtigsten aus ihnen zu solchen Henkerdiensten im Prätorium gebraucht.
Diese greulichen Menschen hatten an derselben Säule schon arme Sünder zu Tode gepeitscht. Sie hatten etwas ganz Tierisches, Teuflisches in ihrem Wesen und waren wie halb besoffen. Sie schlugen den Herrn, der doch ganz willig ging, mit Fäusten und Stricken und rissen ihn mit rasender Wut zu der Geißelsäule. Diese ist eine freistehende Säule und keine Stütze irgendeines Gebäudes. Die Säule ist so hoch, daß ein großer Mensch mit ausgestreckten Armen zu ihrem oberen, runden, mit einem eisernen Ring versehenen Ende reichen kann, an ihrer Rückseite in der Mitte ihrer Höhe sind auch Ringe oder Haken. Es ist unmöglich, die Barbarei auszusprechen, mit welcher diese wütenden Hunde Jesus auf dem kurzen Wege mißhandelten; sie rissen ihm den Spottmantel Herodes’ ab und warfen den armen Heiland schier zur Erde.
Jesus zitterte und bebte vor der Säule. Er zog seine Kleider selbst mit seinen vom heftigen Schnüren geschwollenen und blutigen Händen in bebender Eile aus, während sie ihn stießen und rissen. Er betete und flehte so rührend und wendete sein Haupt einen Augenblick zu seiner von Schmerz ganz zerrissenen Mutter, die bei den heiligen Frauen in einem Winkel der Halle des Marktes nicht weit von dem Geißelplatz stand, sagte, sich zu der Säule kehrend, um seine Blöße durch diese zu bedecken, indem er nun auch die Binde seines Unterleibes lösen mußte: «Wende deine Augen von mir. «Ich weiß nicht, ob er dieses mit äußeren oder inneren Worten sagte, aber ich vernahm, wie Maria es vernahm; denn ich sah sie in demselben Augenblick bewußtlos und abgewendet in die Arme der sie umgebenden verschleierten heiligen Frauen sinken.
Nun umarmte Jesus die Säule, und die Schergen knebelten unter greulichem Fluchen und Zerren seine heiligen emporgezogenen Hände oben hinter den eisernen Ring der Säule und spannten seinen ganzen Leib so in die Höhe, daß seine unten an der Säule festgeschlossenen Füße kaum stehen konnten. Der Heiligste der Heiligen stand in ganzer menschlicher Blöße mit unendlicher Angst und Schmach an die Säule der Verbrecher aufgespannt, und zwei der Wüteriche begannen mit rasender Blutgier, seinen ganzen heiligen Rückleib von unten hinauf und oben herab zu zerpeitschen. Ihre ersten Geißeln oder Ruten sahen aus wie von weißem, zähem Holz, vielleicht waren sie auch Bündel von starren Ochsensehnen oder harten weißen Lederstreifen.
Unser Herr und Heiland, der Sohn Gottes, wahrer Gott und wahrer Mensch, zuckte und krümmte sich wie ein armer Wurm unter den Rutenhieben der Verbrecher, er wimmerte und stöhnte, und ein helles, süß klingendes Wehklagen wie ein liebevolles Gebet unter zerreißender Pein drang durch die zischenden Rutenhiebe seiner Peiniger. Dann und wann verschlang diese jammervollen, heiligen, segnenden Klagetöne das Geschrei des Volkes und der Pharisäer wie eine schreckliche schwarze Sturmwolke; sie schrien in ganzen Massen: «Hinweg mit ihm, kreuzige ihn!» denn Pilatus verhandelte noch mit dem Volk, und wenn er das Getöse der Menge mit einigen Worten unterbrechen wollte, tönte zuerst eine Art Trompetenstoß, um eine Pause zu veranlassen, dann hörte man wieder die Rutenstreiche, das Wehklagen Jesu, die Flüche der Schergen und das Geblöke der Opferlämmer, welche östlich von hier im Schafteich neben dem Schaftor aus dem Groben gewaschen wurden. Wenn sie gewaschen waren, trugen die Leute sie mit verbundenem Maul bis zum reinen Tempelweg, damit sie sich nicht wieder beschmutzten, und trieben sie dann außen herum gegen die Abendseite hin, wo sie noch einer Zeremonienwäsche unterworfen waren. Dieses hilflose Blöken der Lämmerherden hatte etwas unbeschreiblich Rührendes, es waren die einzigen Stimmen, die sich mit dem Seufzen des Heilandes vereinigten.
Das jüdische Volk hielt sich von dem Geißelplatz in einiger Entfernung, ungefähr in der Breite einer Straße. Römische Soldaten standen hie und da, besonders gegen das Wachhaus zu. In der Nähe der Geißelung stand, ab und zu gehend, allerlei Gesindel, schweigend oder höhnend. Manchen sah ich doch eine Rührung ankommen, und es war dann, als stösse ein Strahl von Jesus auf ihn.
Ich sah auch infame, schier ganz nackte Jungen, welche an der Seite des Wachhauses frische Ruten bereiteten, und andere, welche hinweggingen, um Dornenzweige zu holen. Es hatten aber einige der Schergen der Hohenpriester mit den Geißlern Verkehr und steckten ihnen Geld zu, und es ward ein großer Krug mit einem dicken roten Saft gebracht, von welchem sie soffen, daß sie ganz grimmig und rauschig wurden. Es war kaum eine Viertelstunde, da hörten die beiden Geißler auf zu schlagen und traten mit zwei andern zusammen und tranken. Jesu Leib ward ganz braun und blau und rot mit Schwielen bedeckt, und sein heiliges Blut rieselte nieder. Er zitterte und zuckte. Hohn und Spott ertönte von allen Seiten.
Heute Nacht war es kalt gewesen, am Morgen und bis jetzt war kein heller Himmel, und einige kurze Hagelschauer fielen zur Verwunderung des Volkes nieder. Gegen Mittag war der Himmel hell und Sonnenschein.
Das zweite Paar der Geißelknechte fiel nun mit neuer Wut über Jesus her, sie hatten eine andere Art Ruten, welche kraus, wie von Dornen waren und in denen hie und da Knöpfe und Sporen befestigt erschienen. Unter ihren wütenden Schlägen zerrissen alle die Schwielen seines heiligen Leibes, sein Blut spritzte im Kreis umher, die Arme der Henker waren davon besprengt. Jesus jammerte und betete und zuckte in seiner Qual.
Es zogen viele fremde Leute auf Kamelen jetzt am Forum vorüber und schauten mit Schrecken und Betrübnis, als das Volk ihnen sagte, was geschah. Es waren Reisende, welche teils die Taufe empfangen, teils Jesu Berglehren früher gehört hatten. Das Schreien und Getöse vor Pilatus’ Haus währte immer fort.
Die beiden folgenden Schergen schlugen Jesus mit Geißeln. Es waren dies an einem eisernen Griffe befestigte kleine Ketten oder Riemen, an deren Spitzen eiserne Haken hingen, und sie rissen ihm damit ganze Stücke Fleisch und Haut von den Rippen. 0 wer kann den elenden greulichen Anblick beschreiben!
Aber sie hatten des Greuels nicht genug und lösten die Stricke auf und banden Jesus herum mit dem Rücken gegen die Säule, und weil er so erschöpft war, daß er nicht mehr stehen konnte, banden sie ihn mit dünnen Stricken über die Brust, unter den Armen und unter den Knien an die Säule, und seine Hände schnürten sie hinter die Säule in deren Mitte fest. Er war schmerzlich zusammengezogen mit Blut und Wunden bedeckt, seine gekreuzten Lenden und die zerrissene Haut seines Unterleibes verhüllten seine Blöße. Wie wütende Hunde tobten die Geißler mit ihren Hieben, und einer hatte eine feinere Rute in der linken Hand und zerpeitschte ihm sein Antlitz damit. Es war keine heile Stelle mehr am Leib des Herrn, er sah die Geißler mit seinen bluterfüllten Augen an und flehte um Erbarmen, aber sie wüteten um so ärger, und Jesus jammerte immer leiser: «Wehe!»
Die fürchterliche Geißelung hatte wohl an dreiviertel Stunden gewährt, als ein fremder und geringer Mann, ein Verwandter des von Jesus geheilten Blinden Ctesiphons, zu der Rückseite der Säule mit einem sichelförmigen Messer zornig heranstürzte, er schrie: «Haltet ein, schlaget den unschuldigen Menschen nicht ganz tot!» und da hielten die trunkenen Büttel stutzend ein, und jener schnitt in Eile wie mit einem Schnitt die Stricke Jesu los, die hinten an der Säule alle in einem Knoten um einen großen eisernen Nagel befestigt waren, und dann floh der Mann wieder, unter der Menge des Volkes sich verlierend. Jesus aber sank mit seinem ganzen blutenden Leib am Fuße der Säule wie ohnmächtig in den Kreis seines Blutes nieder. Die Geißelknechte ließen ihn liegen, sie tranken und riefen den Henkerbuben zu, die im Wachhaus beschäftigt waren, die Dornenkrone zu flechten.
Jesus zuckte noch in seinen Schmerzen, mit blutenden Wunden am Fuße der Säule liegend, da sah ich einige frech geschürzte liederliche Dirnen vorbeiziehen. Sie hatten sich bei den Händen gefaßt und standen vor Jesus still und sahen nach ihm mit weichlichem Ekel, da schmerzten ihn alle seine Wunden noch mehr, und er hob sein elendes Angesicht so jammervoll gegen sie. Da zogen sie weiter, und die Schergen und Soldaten riefen ihnen lachend Schandreden nach.
Ich sah aber mehrmals während der Geißelung, als erschienen trauernde Engel um Jesus, und ich hörte sein Gebet, wie er unter dem Hagel der bitteren schimpflichen Pein sich fortwährend ganz seinem Vater für die Sünden der Menschen hingab. Jetzt aber, da er in seinem Blut an der Säule lag, sah ich einen Engel, der ihn erquickte; es war, als gebe er ihm einen leuchtenden Bissen.
Nun nahten die Schergen wieder und stießen ihn mit Füßen, er solle aufstehen, sie seien noch nicht fertig mit dem König, sie schlugen auch nach ihm, und Jesus kroch nach seiner Gürtelbinde, die an der Seite lag, und die verruchten Buben stießen dieselbe hohnlachend mit den Füßen hin und her, so daß der arme Jesus sich mühsam in blutiger Nacktheit am Boden wie ein zertretener Wurm wenden mußte, seinen Gürtel zu erreichen und seine zerrissenen Lenden zu verhüllen. Dann trieben sie ihn mit Fußtritten und Schlägen auf die wankenden Füße und ließen ihm nicht Zeit, seinen Rock anzuziehen, und warfen ihm denselben bloß mit den Ärmeln über die Schultern. Er trocknete das Blut mit diesem Kleid von seinem Angesicht auf dem Umweg, auf welchem sie ihn eilend zu dem Wachhaus trieben. Sie hätten vom Geißelplatz gleich kürzer hingekonnt, weil die Hallen um das Gebäude gegen das Forum geöffnet worden waren, so daß man nach dem Gang sehen konnte, unter welchem die Schächer und Barabbas gefangen lagen, aber sie führten Jesus vor den Sitzen der Hohenpriester vorbei, welche schrien: «Hinweg mit ihm! Hinweg mit ihm!» und sich mit Ekel von ihm wendeten; und sie führten ihn in den inneren Hof des Wachhauses. Es waren jetzt bei Jesu Eintritt keine Soldaten darin, aber allerlei Sklaven und Schergen und Lotterbuben, der Auswurf und Troß.
Weil nun das Volk so unruhig war, hatte Pilatus eine Verstärkung der römischen Wache aus der Burg Antonia herbeigezogen; diese Scharen umschlossen geordnet das Wachhaus. Sie durften wohl sprechen und lachen und Jesus verhöhnen, aber sie mußten sich in Reih und Glied halten. Pilatus wollte dadurch das Volk im Zaum halten und ihm imponieren. Es waren wohl an tausend Mann versammelt.
Maria während Jesu Geißelung
Ich sah die heilige Jungfrau während der Geißelung unseres Erlösers in einer steten Entrückung, sie sah und erlitt alles, was ihrem Sohn geschah, innerlich mit unaussprechlicher Liebe und Pein. Oft brachen leise Klagetöne aus ihrem Munde, ihre Augen waren entzündet von Tränen. Sie lag verschleiert in den Armen ihrer älteren Schwester Maria Heli, welche schon sehr bejahrt war und viel Ähnliches mit ihrer Mutter Anna hatte. Maria Cleophä, die Tochter der Maria Heli, * war auch zugegen und hing meistens am Arm ihrer Mutter. Die heiligen Freundinnen Marias und Jesu waren alle verhüllt und verschleiert, in Schmerz und Angst bebend, in leisem Wehklagen um die heilige Jungfrau zusammengedrängt, als erwarteten sie ihr eigenes Todesurteil. — Maria hatte ein langes, beinahe himmelblaues Gewand an und darüber einen langen wollweißen Mantel und gelblich weißen Schleier. Magdalena war sehr verstört und ganz zerrüttet vor Schmerz und Wehklagen, ihre Haare waren unter ihrem Schleier aufgelöst.
* Maria Heli ist schon früher in diesen Blättern erwähnt. Nach den sehr ins Einzelne gehenden Betrachtungen der Erzählerin über die Verwandten der heiligen Familie, sieht sie diese Tochter Joachims und Annas an zwanzig Jahre vor der heiligen Jungfrau geboren. Sie war das Kind der Verheissung nicht, und wird zur Unterscheidung von anderen Marien in ihren Betrachtungen Maria Heli genannt, was soviel heissen soll, als Maria Joachims oder Heliachims Tochter. Ihr Mann hiess Cleophas und ihre Tochter Cleophä, und so ist Maria Cleophä die Nichte der heiligen Jungfrau, und mehrere Jahre älter, als diese. Der erste Ehemann der Maria Cleophä hiess Alphäus, ihre Söhne mit diesem waren die Apostel Simon, Jakobus der kleinere und Judas Thaddäus. Mit ihrem zweiten Manne Sabas erzeugte sie Joses Barsabas, und in der dritten Ehe mit einem Jonas den Simon, der Bischof von Jerusalem ward.
Ich sah, da Jesus nach der Geißelung an der Säule niedergesunken war, daß Claudia Procle, des Pilatus Weib, der Muttergottes einen Pack großer Tücher sendete. Ich weiß nicht mehr recht, ob sie glaubte, Jesus werde freigelassen werden, und dann solle die Mutter des Herrn seine Wunden damit verbinden, oder ob die mitleidige Heidin die Tücher zu der Handlung sendete, wozu die heilige Jungfrau sie gebrauchte.
Maria, wieder zu sich gekommen, sah ihren zerfleischten Sohn von den Bütteln vorübertreiben. Er wischte das Blut aus seinen Augen mit seinem Gewand, um seine Mutter anzusehen; sie hob die Hände schmerzvoll nach ihm und sah seinen blutigen Fußtapfen nach. Nun aber sah ich die heilige Jungfrau und Magdalena, als das Volk sich mehr nach einer andern Seite wendete, dem Geißelplatze nahen, und sie warfen sich, von den andern heiligen Frauen und einigen guten Leuten, die um sie her traten, umschlossen und gedeckt, auf die Erde bei der Geißelsäule nieder und trockneten das heilige Blut Jesu mit jenen Tüchern auf, wo sie nur eine Spur fanden.
Johannes sah ich jetzt nicht bei den heiligen Frauen, die etwa zwanzig waren. Simeons Sohn, Obeds Sohn, Veronikas Sohn und Aram und Themeni, die beiden Neffen Josephs von Arimathia, waren alle unter Angst und Trauer im Tempel beschäftigt.
Es war nach der Geißelung etwa neun Uhr morgens.
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