Kreml droht Verlust Hunderter Soldaten in Kesselschlacht

Fehlschlag bei Wowtschansk?

(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Ein ukrainischer Soldat in der Region Charkiw feuert Artilleriemunition in Richtung russischer Stellungen.

Die russische Offensive in der Region Charkiw läuft zunächst prächtig an, kommt dann zum Erliegen und könnte nun verheerend ausgehen. Berichte in sozialen Medien legen nahe, dass Hunderte Russen in Wowtschansk eingekesselt sind. Befreiungsversuche schlagen seit Tagen fehl.

Die Lage an der Front nahe der Millionenstadt Charkiw ist unübersichtlich. Allerdings verdichten sich die Anzeichen, dass es ukrainischen Truppen bei Wowtschansk nicht nur gelungen ist, die russische Offensive zu stoppen. Allem Anschein nach sind sie sogar imstande, den russischen Invasoren schweren Schaden zuzufügen: Es ist von einem Kessel und sich ergebenden russischen Soldaten die Rede.

Als die russischen Truppen im Mai eine weitere Front im Nordosten der Ukraine eröffnen, kommen sie zunächst schnell voran, nehmen zahlreiche Dörfer um Charkiw ein und dringen in die Außenbezirke der Kleinstadt Wowtschansk vor. Auch in dem einstigen 19.000-Einwohner-Ort setzen sie sich fest und bringen Straßenzug um Straßenzug unter ihre Kontrolle. Würden sie Wowtschansk vollständig erobern, besäßen sie eine gute Basis, von der aus sie in die umliegende Region vorstoßen können.

Eine Stoßrichtung könnte die für die Region namensgebende Großstadt Charkiw sein. Der russische Präsident Wladimir Putin wiegelte jedoch ab und behauptete, sie solle nicht erobert werden. Man wolle lediglich eine Pufferzone schaffen, erklärte der Kremlchef. Seit einigen Tagen sieht es jedoch so aus, als könnte dieses Vorhaben in einem blutigen Fehlschlag für Moskau enden.

Am Freitag berichtete der britische "Telegraph" unter Berufung auf die 3. ukrainische Angriffsbrigade, dass 24 russische Soldaten gefangen genommen wurden. Ein Video soll die Männer zeigen, wie sie mit erhobenen Händen aus einem Schützengraben kommen, umringt von ukrainischen Soldaten. Nach Angaben der "Kyiv Post" sei dies ein Erfolg einer ukrainischen Gegenoffensive in Wowtschansk. In der Vorwoche erklärte das Regionalkommando Chortizija bereits, dass binnen weniger Tage 60 Soldaten der russischen Offensivtruppen gefangen genommen worden sind.

Nach unbestätigten Angaben soll sich deren Lage nun nochmals verschlimmert haben. Russische Militärblogger berichten, dass eine größere Gruppe russischer Soldaten von den restlichen Truppen in Wowtschansk abgeschnitten sei - und das bereits seit Tagen. Sie sollen sich auf dem Gelände eines zerbombten Kieswerks im Süden der Kleinstadt verschanzt haben. Ukrainische Quellen geben die Zahl der Männer in sozialen Netzwerken mit 400 an. Überprüfen lässt sich dies nicht, ein russischer Journalist soll sie jedoch auch genannt haben.

Russische Befreiungsversuche scheitern

Demnach gab es in den vergangenen Tagen mehrere Versuche der russischen Soldaten, den Zusammenschluss mit den eingeschlossenen Kämpfern wieder herzustellen. Sie sollen bisher jedoch allesamt gescheitert sein. Ukrainische Quellen behaupten, die Einkesselung werde die russischen Soldaten letztlich zwingen, sich zu ergeben, wollten sie nicht in einem Massaker sterben.

Ob die Lage tatsächlich derart aussichtslos ist, lässt sich schwer prüfen. Nach Angaben russischer Militärblogger sieht es zumindest nicht gut aus. Das liege unter anderem auch daran, dass es ukrainischen Truppen gelinge, viele der russischen Aufklärungsdrohnen abzuschießen. Dies habe zur Folge, dass die Russen in 2D kämpfen müssten, während die Ukrainer die dritte Dimension "Luft" für Angriffe einsetzen könnten, schreibt ein russischer Militärblogger auf Telegram.

Einige Social-Media-Accounts spekulieren, dass sich das Blatt an der neuen Front im Nordosten der Ukraine derzeit wenden könnte, weil erste Munitionslieferungen westlicher Staaten in der Region eingetroffen seien. Denn die russischen Einheiten kamen in der Region Charkiw zuvor unter anderem deshalb so schnell voran, weil der Ukraine sowohl Kämpfer als auch Munition, vorwiegend für die Flugabwehr, fehlten. Westliche Staaten versuchen seit Monaten ihre Produktionskapazitäten hochzufahren und parallel Munition in aller Welt zu beschaffen und in die Ukraine zuschicken. Ob tatsächlich erste Lieferungen eingetroffen sind, und ob diese auch in die Region Charkiw gingen, ist nicht bestätigt.

Quelle: ntv.de