Besuche aus einer anderen Welt Offenbarungen an Fulla Horak (Kapitel 5)

5. Kapitel

„Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben ...“ (Joh 17, 22)


Die Gemeinschaft der Heiligen

Wenn die Menschen mehr und intensiver über die Gemeinschaft der Heiligen nachdenken und sich dadurch selbst davon überzeugen würden, wie wundervoll, lebendig und wirklich sie ist, kämen sie schließlich darauf, daß man statt „ich glaube“, „ich weiß“ sagen kann.

Oh, könnten sie sich entschließen, den immer dichter werdenden materiellen Nebel, der sie umgibt, durch Glauben und Liebe zu durchbrechen, damit ihr Geist in die Unermeßlichkeit der übersinnlichen Welt hineinreiche! Wenn sie doch wenigstens den Versuch machen würden, sozusagen „gegen den Strom“ all dessen zu schwimmen, was in ihnen menschlich, weltlich und vergänglich ist! Anstatt auf der Welle ihrer eigenen verdorbenen Triebe dahinzugleiten und sich damit immer weiter von der Quelle des Lebens zu entfernen — oh, wenn sie doch wenigstens versuchen würden umzukehren!

Ein Mensch, der nur in dem seinen Sinnen zugänglichen Bereich lebt, ist wie ein Embryo, das man in einen engen dunklen Raum eingeschlossen hat und das deshalb abstirbt, bevor es sich entwickeln kann. Erst wenn dieser Mensch tot ist, wird er begreifen, daß es nur eine einzige Wahrheit gibt: die unendliche Welt des Geistes. Diese hat er jedoch nie gesehen, weil er die enge und dunkle Welt seiner Sinne davor gestellt hatte.

Wie kraftlos doch Worte sind! Wie hilflos dieses Rufen; die es hören sollen, sind taub! Welche Verzweiflung ergreift den Menschen, der weiß, und sich von ganzem Herzen wünscht, die Gedankenlosen und Schlafenden zu wecken, aufzurütteln und zu warnen — während er die stumpfsinnige Gleichgültigkeit und Trägheit der Menschen mit ansehen muß!

Das Leben des Menschen ist kurz, es geht also vorüber. Die Leiden im Fegefeuer sind lang und schlimmer noch als ein Leben unter den schwierigsten Bedingungen! Die ewigen Qualen einer zur Verdammnis verurteilten Seele übertreffen in ihrer Grausamkeit alles, was ein Mensch sich vorstellen kann. In unserer Begriffswelt gibt es nichts, das vergleichbar wäre.

Das ewige Glück hingegen, das Gott den Erlösten bereitet und von dem mir diejenigen, die es bereits erleben, erzählten, übertrifft bei weitem jegliche Vorstellung. Es lohnt sich deshalb, die Schwachheit unserer verdorbenen Natur zu überwinden, um es zu erreichen!

Gott hat allen, die ihn lieben, die ewige Glückseligkeit versprochen und er hält sein Versprechen! Er wird sein Wort, das durch sein heiliges Blut besiegelt ist, nicht brechen noch zurückziehen. Deshalb muß man ihm blind vertrauen, auch wenn man es nicht genau weiß und sich eine solche Glückseligkeit nicht einmal annähernd vorstellen kann, auch wenn es, außer seinem Wort, keinen anderen Beweis für ihre Existenz gibt. Man muß ganz einfach glauben, vertrauen und dieses Glück anstreben — auf einem klar vorgezeichneten Weg, den Gott uns persönlich zu zeigen geruhte.

Könnte er denn noch mehr tun? Könnte er es liebevoller und für uns verständlicher tun? Er hat die unermeßliche Fülle seiner göttlichen Macht im Menschensohn konzentriert und als erster alles das erfüllt, was er dann von der Menschheit forderte. Durch ein verworrenes Netz aus vielen verschiedenen Wegen hat er einen geraden Pfad geschlagen, den er mit den Abdrücken seiner eigenen Füße kennzeichnete, damit wir ihn besser erkennen. Er hat nur den einen Wunsch, daß wir diese heiligen Spuren nicht aus den Augen verlieren und ihm so in seine Herrlichkeit folgen!

Obwohl er absolut gerecht ist, ging er selbst auch nicht anders wieder in sein Reich ein, das er zuvor aus Liebe zu uns verlassen hat, als durch schlimmste Qualen und Tod. Und er wird jeden, der vertrauensvoll seinen Spuren folgt, königlich beschenken! Wie verschwindend klein ist doch die Mühe, die er verlangt — im Vergleich zur unendliche Fülle des verheißenen Lohnes! Wie kurz doch diese Probezeit ist! Wie großzügig bemessen die Freuden, mit denen er uns unterwegs stärkt! Oh, wenn die Menschen das doch endlich verstehen wollten!

Um dieses Verstehen kämpft die Triumphierende Kirche seit zwei Jahrtausenden gegen die Unwissenheit und den Eigensinn der Menschen. Die Heiligen, die Gott in vollkommener und absoluter Weise lieben und die ewige Seligkeit bereits kennen, flehen Gott mit all den Verdiensten, die sie sich erworben haben, an, auf der Erde wirken zu dürfen.

Leider ist dieses Wirken in höchstem Maße abhängig von dem Willen und der Einstellung des Menschen. Durch einen bewußt bösen Willen wird es unmöglich gemacht und durch Gleichgültigkeit gegenüber seelischen Belangen wesentlich erschwert. Ist der Wille eines Menschen jedoch nicht vollkommen böse, dann können Gebete oder gute Taten eines Heiligen das Gute in ihm hervorheben und fördern.

Jeder, der seine eigene Vervollkommnung anstrebt, sollte die Triumphierende Kirche durch inniges Gebet um Hilfe bitten und sich voller Vertrauen dem Wirken der Hellen Geister und Heiligen unterwerfen. Wie sehnsüchtig und mit welcher Freude begrüßen die Heiligen einen solchen Hilferuf, und wie überaus glücklich sind sie, wenn ihnen der Mensch erlaubt, in ihrer Seele zu walten und zu wirken, solange sie nicht durch eine Todsünde vergiftet ist!

Jede Epoche hat ihre eigenen Heiligen. Meistens sind jedoch die Heiligen ihrer Epoche voraus. Ihr irdisches Leben verläuft gewöhnlich vor der Zeit, in der es ihnen nach dem Willen Gottes gegeben ist, auf der Erde zu wirken. Es geschieht deshalb oft, daß der Typ eines neuen Heiligen seinen Zeitgenossen zu Anfang sehr fremd erscheint. Sie verstehen ihn nicht. Die Fügungen Gottes beinhalten jedoch stets den vollkommenen Zeitpunkt und den vollkommenen Zweck. Der Heilige „von morgen“ muß während seines irdischen Lebens zunächst selbst danach streben, die göttlichen Anforderungen zu erfüllen. In diesem für ihn richtigen Zeitabschnitt kann er sich die Verdienste erwerben, durch die er dann nach seinem Tode — von der Herrlichkeit Gottes herab — den Menschen helfen kann. Das geistige Wirken ist nämlich vollkommener, intensiver und ausgedehnter als das Wirken des Heiligen zu seinen Lebzeiten.

Die Epochen, die also mit einer gewissen Verspätung dem Einfluß der entsprechenden, für diese Zeit bestimmten Heiligen unterliegen, entziehen sich dann, wiederum mit einer gewissen Verspätung, dem Einfluß der Heiligen, die ihre Mission bereits erfüllt haben. „Der gestrige Heilige“ entfernt sich deshalb mit jedem Jahrhundert mehr und mehr von unserem „Heute“. Sein heiliges Wesen wird uns mit der Zeit fremd und immer unverständlicher.

Anders kann es jedoch nicht sein. Nach dem Willen Gottes ist jeder Heilige in Bezug auf Typ, Charakter, Wirkungsbereich und Spezialität genau an die Epoche angepaßt, in der er wirken soll. Ist seine Aufgabe erfüllt, entfernt sich der Heilige sozusagen von der Erde, was einerseits mit der Zunahme seiner Ehre im Himmel, andererseits mit der Abnahme seiner Wirkung auf die Welt zusammenhängt.

Heilige, deren Körper Gott durch die Zeiten hindurch unverwest ließ, können, auch wenn ihr Leben schon sehr lange zurückliegt, ihren Kontakt zu den Lebenden leichter, länger und intensiver gestalten. An dem Tag, an dem die Kirche das Fest eines Heiligen feiert, hat dieser die Möglichkeit seines vollen Wirkens, unabhängig davon, in welchem Zeitalter er gewirkt hat.

Wie sieht das Wirken der Heiligen aus? Gott ist jederzeit und überall. Seine Allmacht wirkt im ganzen Universum, an jedem Ort mit derselben Kraft. Heilige können, je nach dem Grad ihrer Heiligkeit, an vielen Orten gleichzeitig wirken. Genauso verhält es sich mit den erlösten Seelen, obwohl die Wirkung der letzteren — wenn man es so sagen kann — blasser, leiser und schwächer als die der Heiligen ist.

Die Seele eines Heiligen sendet ständig unsichtbare Strahlen aus, wie Sensoren, mit denen sie mit der Welt der Sinne verbunden ist. Die Strahlung geht in verschiedene Richtungen hinaus, während ihr Zentrum, das heißt die Seele des Heiligen, im Himmel bleibt. Die Breite und Intensität dieser Verbindungslinien hängt vom Willen, manchmal auch von der Macht des bestimmten Heiligen ab, ebenso wie die Farbe dieser wunderbaren Bänder, die den Charakter seines heiligen Wesens erkennen läßt. Alle Heiligen, wie auch jeder Helle Geist, haben ihre eigenen, ganz besonderen Wellenbereiche, die gleichzeitig für jeden von ihnen eine individuelle Farbe bilden. Aus Lichtstreifen eben dieser Farbe besteht die Wirkung der Heiligen und Hellen Geister.

In dem Augenblick, in dem ein Mensch einen bestimmten Heiligen ruft, beginnen dessen Strahlen zu vibrieren. Jeder Gedanke, jedes Seufzen, jedes Rufen seines Namens, auch Schmähungen, werden im Himmel direkt wahrgenommen, denn die ganze Erde ist wie umsponnen von diesem wundervollen Netz aus verschiedenfarbigen Fäden, die entsprechende Wellen auffangen. Es funktioniert ähnlich wie eine Abhöranlage, jeder Ruf eines menschlichen Herzens wird sofort in der jenseitigen Welt vernommen und zwingt den angerufenen Geist, sich dem Rufenden zuzuwenden. Dank dieses dicht gewebten Netzes aus höchstempfindlichen Antennen um die ganze Erde herum können die Heiligen die Gebete aus allen Teilen der Welt gleichzeitig hören, auch wenn ihre Aufmerksamkeit dadurch sozusagen geteilt ist.

Wenn ein Heiliger auf der Erde erscheint, heißt das nicht, daß er den Himmel verlassen hat. Durch starke Konzentration eines Teils seines Wesens (man könnte es mit einem breiten Band, das aus vielen dieser unsichtbaren Verbindungslinien geflochten ist, vergleichen) nähert er sich zwar dem Menschen, sein Ich weilt jedoch weiterhin im Lichte Gottes. Aus der Materie, die auf seinem Wege liegt, bildet er eine den Erfordernissen des Augenblicks entsprechende Gestalt, um auf diese Weise für den Menschen wahrnehmbar zu sein.

Ein so materialisierter Geist wird von einer wunderbaren himmlischen Aura umgeben, die durch alles, was auf seinem Wege liegt, hindurchgeht. Wie ein Taucher, der auf den Grund des Meeres hinabsteigt, ist er sozusagen eingeschlossen in eine unsichtbare Glocke aus der Aura des Jenseits. Daher dieses himmlische Wohlgefühl und die überirdische Atmosphäre, die den umgibt, der eine Erscheinung erlebt. Es ist etwas, das ihn in seinem Menschsein beglückt, manchmal aber auch lähmt und zeitweise sogar vernichtet, da dieses Menschsein an eine mit einer Mischung aus Bosheit und Elend geladene Atmosphäre gewöhnt ist. Um wiederum nach Vergleichen zu suchen, und man kann es höchstens durch unzulängliche Vergleiche erklären, würde ich sagen, es ist wie ein Geruch, den man ganz in sich aufsaugt und der auch dann noch, wenn der Geist nicht mehr da ist, für lange Zeit in der Seele des Menschen als eine unbekannte, berauschende Empfindung verbleibt.

Die Gegenwart eines Heiligen wird in ihrer Wirkung dadurch gedämpft, daß er sich niemals in der Fülle seiner Macht und Helligkeit zeigt. Seine Heiligkeit geht durch einen subtilen Regler hindurch und erglüht nur soweit, wie es für den menschlichen Geist noch erträglich ist. Ein Heiliger kann sich niemals so zeigen, wie er wirklich ist, wir würden es nicht ertragen.

Ein Mensch, der sich in die Obhut von Hellen Geistern und Heiligen begibt, muß durch verschiedene Formen und Stufen ihres Wirkens hindurchgehen, um mit ihrer Hilfe bereits in diesem Leben die höchstmögliche geistige Entwicklung zu erreichen. Dieser Mensch ist bei allem, was er tut, gewissermaßen umgeben von der heiligen Aura, die für andere zuweilen spürbar, manchmal sogar sichtbar sein kann.

Trotz all dieses hilfreichen Wirkens ist der freie Wille des Menschen weiterhin in keiner Weise eingeschränkt, und bis zum letzten Atemzug hängt alles von seiner Wahl ab. Aus diesem Grunde können die Geister der Heiligen nur dort dauerhaft wirken, wo der Wille des Menschen in allem standhaft und bewußt aufwärts strebt. Sie harren bei ihm aus, wenn er schwächer zu werden beginnt, schwankt und zögert. Besorgt und aufopfernd bemühen sie sich, ihm durch Eingebungen zu helfen, ihn durch Licht zu stärken, aufzurichten, zu stützen. Wenn der Mensch diese Hilfe jedoch beharrlich ablehnt, wenn er sich auf seine eigenen Kräfte verläßt und bewußt das Böse wählt, ziehen sich die guten Geister zurück.

Durch eine Todsünde nämlich reißt die Verbindung der Seele zum Himmel augenblicklich ab.

Waren die Verdienste des Menschen vor seinem Fall größer als seine jetzige Schuld, ist es den Heiligen kraft der unerschütterlichen Gerechtigkeit Gottes erlaubt, ihn noch durch innere Lichter und Eingebungen zur Reue zu bewegen. Wenn er diese dann aufgreift, sich demütig besinnt, seinen Fehltritt bekennt und echte Reue entwickelt, verbinden sich die beiden durchtrennten Enden des segensreichen Bandes wieder miteinander und tropfenweise dringen erneut Ruhe und göttlicher Friede in das Herz des Menschen ein.

Die Heiligen wirken auf Menschen, sogar auf die gläubigen, sehr feierlich, distanziert und hoheitsvoll in all ihrer Würde. Dabei wollen sie nicht so sein! Sie wünschen sich von uns nicht nur Ehrerbietung, sondern vor allem vertrauensvolle, herzliche Freundschaft. Sie wollen nicht auf den Altären der Kirchen zurückgelassen werden, wenn der Mensch nach Hause geht, sondern sie wollen, daß wir sie mitnehmen! Daß sie zu jeder Stunde des Tages mit uns zusammen sein können. Wie schwierig ist es aber für die Menschen, die Heiligen ganz einfach, mutig und voller Vertrauen zu lieben!

Und deshalb gibt es im Himmel viele Heilige, die traurig sind! Ich muß dieses Wort gebrauchen, obwohl es so nicht ganz stimmt. Niemand, der in der Herrlichkeit Gottes lebt, kann ein Gefühl der Traurigkeit entwickeln. Das, was die Heiligen beim Anblick der Ablehnung gegenüber der himmlischen Gnade und Unwissenheit der Menschen empfinden, ist ein so vollkommenes und komplexes Gefühl, daß in unserer engen Ausdrucks‑ und Begriffswelt keine Entsprechung dafür zu finden ist.

Die Heiligen sind also — auf unsere Art ausgedrückt — oft traurig. Sie wünschen sich sehnlichst, zu wirken, aber wie, wenn die Menschen den richtigen Weg zu ihnen nicht finden können! Von Zeit zu Zeit erreicht sie ein heftiges Gebet, meistens jedoch im Zusammenhang mit materiellen Dingen! Nur wenige bitten um Gnade und Hilfe für ihre Seelen. Und auch die, welche um irdische Dinge bitten, zeigen keine Ausdauer. Wird die Bitte eines Menschen erhört, ist er seinem Wohltäter noch eine Zeitlang dankbar, besonders, wenn er um weitere Geschenke bittet. Bekommt er diese jedoch nicht, sucht er bald nach einem anderen Heiligen, der sich in seinem Sinne als „fair“ erweisen könnte.

Wie traurig und unklug ist dieses Verhalten! Wie schwierig ist es für die Menschen, zu glauben, daß nicht alles, was sie erbitten, gut für sie ist, auch wenn es ihr irdisches Dasein betrifft. Der beste Vater wird doch einem Kind, das bittet, keinen Stein anstelle eines Fisches und auch keine Schlange anstatt eines Brotes geben. (Lk 11, 11) Oft jedoch legt er dem Kind, das um eine Schlange und einen Stein bittet, immer wieder geduldig das abgewiesene Brot in die Hand! Wie wenig Vertrauen haben doch die Menschen in die Allwissenheit der göttlichen Vorsehung! Gott schlägt niemals eine Bitte ab, von der er weiß — und nur er allein kann es wissen, daß ihre Erfüllung für die Seele des Bittenden von Vorteil sein könnte. Deshalb können auch die Heiligen, die doch nur mit göttlicher Erlaubnis wirken, nicht jedes Gebet erhören! So kommt es, daß meistens nicht sie, sondern die bösen und armseligen Geister leichter Zugang zu einem Menschen finden. Es ist nämlich einfacher, sich — bewußt oder unbewußt — mit denen anzufreunden, die unsere Schwachheit begünstigen und uns das zuschieben, was gerade mühelos und auf dem Wege des geringsten Widerstandes erreichbar ist und damit unserer verdorbenen menschlichen Natur auf jeden Fall näher steht.

Dabei kann die Freundschaft mit einem Heiligen die wahrhafteste, treueste und sicherste Freundschaft der Welt sein.

Es handelt sich hierbei weder um eine Metapher noch um ein hohes Geheimnis, das vielleicht nur wenigen auserwählten Seelen zugänglich wäre. Jeder, auch der einfachste Mensch, kann, wenn er es wirklich will und bereit ist, dafür zu arbeiten, eine mehr oder weniger intime, auf jeden Fall aber äußerst angenehme und wahre Freundschaft mit einem Heiligen pflegen.

Dank der mir erwiesenen, unverdienten und unergründlichen Gnade weiß ich viel über die Gemeinschaft der Heiligen. Ich weiß aber auch daß es absolut nicht leicht ist, darüber zu sprechen. Im allgemeinen haben die Menschen eine so verkehrte, verworrene und falsche Vorstellung von dem Verhältnis, das die Seele eines lebenden Menschen mit der jenseitigen Welt verbinden soll, daß es jemanden verwundern oder sogar empören könnte, wie herzlich und freundschaftlich mein Umgang mit ihnen ist.

Das Erscheinen eines Heiligen ist in keiner Weise unheimlich. Man hat gar keine Zeit, Angst zu haben, sich zu wundern oder über das, was gerade geschieht, nachzudenken. Liebe, Glück, Vertrauen, Bewunderung und Dankbarkeit, dies sind die Gefühle, die man dabei ausschließlich empfindet.

Jene himmlische Aura des Heiligen wirkt dabei auch auf den Menschen. Er ist ganz durchdrungen von ihr, er und der Heilige sind gemeinsam umgeben von einer unsichtbaren Glocke aus Gnade.

In dieser Aura kann sich der Mensch völlig frei bewegen, er kann gehen, aufstehen, Gegenstände in der Nähe anfassen, Straßengeräusche und die Tür hören, kann alles sehen, was außerhalb von dieser Aura geschieht. Es handelt sich dabei nicht etwa um einen Zustand der Ekstase, bei dem man das Bewußtsein für die äußere Welt ganz verliert, sondern es ist ganz einfach ein mit Freude und bei vollem Bewußtsein wahrgenommenes Sein in der heiligen Gegenwart eines anderen.

Neben der hl. Magdalena‑Sofia und Kardinal Mercier erscheinen mir oft auch andere Heilige. In der Regel hängt es mit dem Kalender des Kirchenjahres zusammen. Zum ersten Mal erschienen sie mir meistens an ihrem Feiertag, später kamen sie dann, wann sie wollten. Einige von ihnen haben mir zwar versprochen, auch auf meine herzliche Bitte hin zu erscheinen, aber ich habe es nie gewagt, sie zu rufen. Trotz aller Vertrautheit und Ungezwungenheit meines Umgangs mit ihnen geht eine solche Bitte meiner Ansicht nach zu weit. Wenn ich also von einem besonderen Heiligen Hilfe brauche, bete ich ganz einfach zu ihm. Es ist jedoch auch schon vorgekommen, daß dieser Heilige mir dann von selbst erschienen ist, obwohl ich es nicht gewagt hätte, darum zu bitten.

Heute, nach mehr als drei Jahren des Kontaktes mit der jenseitigen Welt, kann ich zwar mit dem Verstand das volle Ausmaß der Gnade und des Wunderbaren, das mir widerfährt, erkennen, kann aber nicht mehr fühlen, daß diese Besuche etwas Merkwürdiges oder Außerordentliches sind. Für mich sind sie ganz natürlich. Es ist fast umgekehrt so, als ob gerade alles andere fremd, verwunderlich und unbekannt wäre! Der Kontakt mit dem Jenseits ist ganz einfach.

Was ich kurz vor der Erscheinung eines Heiligen fühle, kann ich nicht beschreiben. Ich kenne dieses Gefühl jedoch gut, und wenn es herannaht, knie ich vor meinem kleinen Altar nieder. Noch bevor ich mich sammeln und ein kurzes Gebet sprechen kann, geschieht es oft, daß mich die Schwingungen dieses schon bekannten heißen Stroms ganz ergreifen. Ich versuche gar nicht erst, dies zu erklären, denn es ist nicht möglich. Man kann es höchstens annähernd mit einer Farbe oder einem Geruch vergleichen und diese lassen sich auch nicht beschreiben. Der Strom verstärkt sich, wird intensiver, durchdringt mich und füllt mich ganz aus. In diesem Moment weiß ich, daß ich meinen Gast erblicke, sobald ich den Kopf hebe.

Sie erscheinen meistens rechts neben meinem kleinen Altar. Ich sehe sie deutlich und ganz normal, so wie ich jeden lebenden Menschen sehe. Es gehen keine sichtbaren Strahlen von ihnen aus. Sie schweben nicht in der Luft. Sie stehen ganz einfach auf dem Fußboden, wie jeder Mensch. Sie sind auch nicht durchsichtig, sondern verstellen mit ihrer Gestalt das kleine Tischchen mit der Maschine und jedesmal, wenn ich nach dem dort liegenden Heft greifen soll, gehen sie ein wenig zur Seite.

Zeit ist das einzige, was mir in ihrer Gegenwart nicht bewußt ist. Für mich ist es immer zu wenig — zu selten — zu kurz, aber ob erst ein kurzer Augenblick oder bereits eine Stunde vergangen ist, könnte ich nicht sagen.

Dagegen spüre ich genau, wenn der Zeitpunkt ihres Abschieds herannaht. In dem Moment, in dem sie mich segnen — und sie segnen mich jedesmal, wenn sie gehen, muß ich mich bis auf die Erde verneigen. Wenn ich mich dann wieder erhebe, ist niemand mehr bei mir.

Ich darf bei diesen überirdischen Besuchen meistens nicht knien. Zu Anfang hat es mich schrecklich verlegen gemacht, daß ich in Gegenwart von Heiligen sitzen sollte. Dann aber, als jene niedergeschriebenen Diktate immer länger wurden, mußte ich sitzen, um das Heft auf den Knien halten zu können. Mit der Zeit ist es zu einer Gewohnheit geworden, daß ich nicht auf dem Stuhl, sondern auf der Kopfrolle meines Sofas Platz nehme.

Diese heiligen Visiten werden weder vom Licht noch von irgendeiner Tageszeit, noch von Bucias Gegenwart im Nebenzimmer beeinträchtigt. Einmal kam mein hl. Mütterchen sogar im Wald zu mir, als ich mich gerade auf einem einsamen Spaziergang befand. Überwiegend und am liebsten jedoch — und das weiß ich von ihr selbst — erscheint sie neben dem kleinen Altar, in der Nähe des Bildes, das ich von ihr gemalt habe, und zwar immer dann, wenn sie weiß, daß wir ungestört sind.

Die Heiligen sprechen zu mir mit ganz gewöhnlichen menschlichen Stimmen. Ich weiß, daß es nicht irgendeine innere Stimme in mir selbst ist, denn ich kann sie mit meinem Gehör deutlich unterscheiden. Der Lärm eines auf der Straße vorbeifahrenden Wagens z. B. kann die Worte, die sie gerade sprechen, übertönen.

Die Bewegungen der Heiligen sind ungezwungen und natürlich. Sie zwinkern mit den Augen, atmen, lächeln. Kardinal Mercier hat z. B. die Angewohnheit, während des Gesprächs an den Knöpfen seiner Soutane zu drehen. Möglicherweise hat er das in seinem Leben auch getan. Außerdem muß er mir jedesmal zum Abschied — zart, gütig und in Eile — mit der Handfläche über die Wange streichen. Auch sein bagatellisierendes „ba, ba“, verbunden mit dem charakteristischen Hervorschieben seiner Unterlippe, ist mir vertraut.

Die Heiligen sind alle verschieden, nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrem Temperament. Manche bewegen sich lebhaft und gestikulieren ausdrucksvoll, andere sind unbeweglich und ruhig. Genauso deutlich sind die Unterschiede in ihrer Sprechweise. Heilige aus weit zurückliegenden Epochen reden in einem etwas unbeholfenen, archaischen, erhabenen Stil. Ihre Sprache ist für unsere Ohren genauso fremd wie der Anblick ihrer mittelalterlichen Buchstaben und der entsprechenden Rechtschreibung für unsere Augen. Bei der Angabe des Inhalts einiger Gespräche mit Heiligen, die ich im weiteren Verlauf anführe, konnte ich die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Stile nicht festhalten.

Obwohl alle Heiligen mir nahestehen und obwohl sie mir alle vertraut und teuer sind, fühle ich mich bei manchen doch etwas befangen. Mit einigen von ihnen, vor allem mit denen aus früheren Epochen, kann ich mich nicht so gut verständigen. Man liebt sie jedoch alle, ganz einfach, voller Vertrauen und mit einem Gefühl der Verbundenheit, das einen freundschaftlichen und beinahe intimen Gesprächston aufkommen läßt. Man hat sogar das Bedürfnis, sie mit der Verkleinerungsform ihres Namens anzureden. Sie tun es schließlich auch. Nahezu jeder Heilige verdreht meinen Namen auf seine ganz eigentümliche Weise. Ich mag es und zuweilen ist es auch amüsant.

Die Heiligen sind nämlich fröhlich! Der Geist behält die charakteristischen Merkmale des Menschen, in dem er auf der Erde gelebt hat, für immer bei, seine Mentalität, seine Vorlieben, sein Temperament, also auch den Sinn für Humor, soweit er ihn früher besessen hat.

Ich kann mich nicht mehr genau an die Reihenfolge erinnern, in welcher mir die einzelnen Heiligen erschienen sind, denn leider habe ich das jeweilige Datum nicht notiert, sondern nur den Inhalt dessen, was sie sagten.

Die hl. Magdalena‑Sofia, Kardinal Mercier und der hl. Januarius diktierten mir bei ihren Besuchen immer, was sie mir zu sagen hatten, deshalb kann ich ihre Reden im folgenden Wort für Wort anführen. Den Inhalt der Gespräche mit den anderen Heiligen habe ich nach jedem Besuch kurz aus dem Gedächtnis zusammengefaßt, und zwar sinngemäß in Bezug auf die geäußerten Gedanken, jedoch nicht genau mit ihren Worten. Die Ausdrücke, die ich mir genau gemerkt habe, habe ich in Anführungsstriche gesetzt.

Ich könnte nicht über jeden Heiligen, der mir erschienen ist, viel berichten. Einige waren nur für eine kleine Weile bei mir zu Gast.

So erschien mir z. B. am letzten Tag des Jahres der hl. Silvester, ein früherer Papst. Er beklagte und bedauerte, daß sein Fest in der Welt nicht auf die richtige Weise begangen wird. Den Status des Heiligen hat er durch Entsagung und Aufopferung erworben, aus Liebe zu Gott. Heute wird sein Name in Bars und Vergnügungslokalen verunglimpft! Nur wenige wissen, daß ein heiliger Diener Gottes, ein Stellvertreter Christi, diesen Namen trug. Er bat mich, in seinem Sinne jedesmal an diesem Tag um gute Priester zu beten und darum, daß die Menschen, anstatt sich ausgelassen und sinnlos zu amüsieren, die Jahreswende dazu nutzen mögen, ihr Gewissen zu befragen, was sie im vergangenen Jahr für Gott und zum Wohle ihrer Seele getan haben. Daß sie ernsthaft darüber nachdenken mögen, ob es nicht an der Zeit sei, ihr Leben zu ändern. Daß sie sich fragen mögen, ob sie den nächsten „Silvester“ überhaupt noch erleben werden. Er bat mich, den Menschen nahezulegen, die Verabschiedung des alten und die Begrüßung des neuen Jahres jedesmal ernsthafter und religiöser zu gestalten. Die Gebete um gute Geistliche will er stets erhören. Er war ganz in weiß gekleidet, sein Kopf war nicht bedeckt.

Der hl. Andrzej Bobola erschien mir zum ersten Mal am 3. Mai 1938. „Gelobt sei Jesus Christus“, sagte er. Ich fragte ihn, ob er der Schutzpatron Polens sein werde. „Ich bin es bereits, es kommen nämlich erneut harte und schwierige Zeiten auf euch zu. Ich werde euch helfen. Wenn die Situation für Polen sehr gefährlich wird, werde ich vor großen Menschenmassen erscheinen. Polen wird gegenwärtig von zwei Feinden bedroht.“

„Welche Feinde sind das"„

„Das darf ich nicht sagen. Wenn es sich als erforderlich erweisen sollte und Gott es erlaubt, werde ich es verraten. Die Menschen wenden sich an mich nicht so, wie es sein sollte, nicht andächtig genug. Ich kann euch sehr dabei helfen, große Katastrophen abzuwenden. Ich kann Leiden mildern.“

„War dein Martyrium sehr schmerzhaft?

„Am Anfang ja. Meine Leiden konnten nicht gemildert werden, weil ich sie freiwillig auf mich genommen hatte. Nach einer gewissen Zeit wurden meine Schmerzen dadurch betäubt, daß ich vor meinem inneren Auge das zukünftige Leben sehen konnte, das Gott mit seinem Leiden, schlimmer als alle irdischen Qualen, erkauft hat. Die Liebe und Gnade Gottes machen den Menschen sehr stark. Bereitet euch auf die kommenden schweren Zeiten vor. Es wird ein Kampf des Guten gegen das Böse, der Erleuchteten gegen die Unwissenden sein. Sage den Menschen, daß ihnen schreckliche Dinge bevorstehen, weil sie ihre Seelen vernachlässigen. Du kannst dich jederzeit an mich wenden, ich werde dich anhören. Ich übermittle dir den Segen Gottes.“

Der hl. Johannes Vianney, Pfarrer von Ars: Ungewöhnlich groß, von schlanker, knochiger Gestalt. Er vermittelte den Eindruck von Kraft und Beharrlichkeit. Er sagte mir, ich solle die Menschen auffordern, um gute Geistliche zu beten. Von schlechten Priestern könne man die Liebe zu Gott nicht lernen. Sie haben den Schlüssel zum Himmel gegen irdische Belange eingetauscht. Ein Sünder, der ihnen seine Sünden bekennt, wird oft noch zu weiteren Sünden ermuntert. Schlechte Priester sind schlimmer als Judas. Judas hat seine Sünde bekannt — sie aber geben vor, gerecht zu sein. Judas hat den Henkersknechten die Silberstücke zurückgegeben — sie behalten sie. Judas hat Gott vor der Erlösung verkauft — sie verkaufen ihn bis heute.

Wie leicht wäre es für die Menschen, Gott zu sehen, an Gott zu glauben, wenn er sie sichtbar strafen würde, wenn ein Gottloser kurz nach dem Sündigen eines schrecklichen Todes stürbe. In der Barmherzigkeit jedoch wollen die Menschen Gott nicht sehen!

Das Wasser des Meeres teilte sich vor ihnen, sie wurden von der Erde und vom Himmel ernährt, doch sie verfälschen die Wahrheit! Sie genießen seine Gaben, wollen ihn aber nicht kennen! Sie verschmähen ihn, während sie die Dinge, die er geschaffen hat, verehren! Sie haben alles von ihm erhalten und lieben alles, nur nicht ihn.

Es nahen sehr schwere Zeiten. Die Liebe und die Seele müssen wieder in das Bewußtsein der Menschen gerufen werden. Ihren wertvolIsten und ewigen Schatz, die Seele, haben sie gegen irdische Dinge eingetauscht. Sie beschäftigen sich immer wieder mit dem Vergänglichen und setzen ihren Verstand für all das ein, was sie nicht brauchen. Sie wissen nicht mehr, wofür er ihnen gegeben wurde.

Es gibt Menschen, die sogar damit prahlen, Feinde Gottes zu sein. Wie leichtfertig von ihnen! Nicht sie werden Gott verurteilen, sondern er wird das Urteil über sie sprechen, wenn sie einst vor ihm stehen, allein und voller Furcht. Wenn es soweit ist, können sie weder durch ihr Wissen, noch durch Reichtum, noch durch weltliche Protektion gerettet werden.

„Nutzt die Barmherzigkeit Gottes, solange es Zeit ist! Solange es Zeit ist!“

Die selige Anna Katharina Emmerich kam sehr glücklich und fröhlich zu mir. Sie ist klein und zierlich. Ich kann mich noch gut an ihre kleinen Hände erinnern. Sie war in ein weißes Gewand gekleidet. Der Blick ihrer großen, schönen Augen ist strahlend und gütig. Sie sagte mir, wenn jemand zu den Wunden unseres Herrn Jesus beten wolle, könne er sich auf sie beziehen, besonders in schwierigen Lebenssituationen. Das Glück, das sie erlebe, könne man nicht beschreiben. Deshalb sei sie auch froh, über ihre Visionen nichts mehr erzählen und schreiben zu müssen, wie zu ihren Lebzeiten. Sie könne denen sehr behilflich sein, die alles das aus dem irdischen Leben unseres Erlösers kennenlernen und verstehen wollen, was für den menschlichen Geist begreiflich ist. Sie werde ihre Hilfe denen, die sich an sie wenden, niemals versagen, denn sie wolle die Erde dem Himmel nahebringen.

Der hl. Januarius ist irgendwie anders als alle anderen Heiligen. Ich sehe ihn als den Inbegriff von Kraft und glühendem Eifer. Er ist untersetzt, breitschultrig, stark, hat eine auffällig dunkle Hautfarbe und einen schwarz‑blauen Bartwuchs. Sein lockiges Haar ist dicht wie ein Pelz. In diesem dunkelhäutigen, unrasierten Gesicht funkeln seine Augen wie zwei Kohlen, riesig groß, schwarz, und ihr Blick ist so feurig, daß ich an die Farbe des Feuers denken muß, will ich sie mir ins Gedächtnis rufen. Ja, der Blick des hl. Januarius ist glühend!

Er trug einen olivfarbenen Kaftan, der unten ausgefranst war. Durch diese Fransen hindurch war irgendein glänzendes Gewand zu sehen, das seine Knie freiließ. An den Füßen trug er geflochtene Ledersandalen, die bis zur Mitte des Schienbeins reichten. Die Ärmel seines Kaftans waren lang. Sein Kopf war nicht bedeckt.

Seine Heiligkeit ist einschüchternd. Ich habe ihn niemals lächeln gesehen. Der Ausdruck seines Gesichts ist streng, fast drohend. Seine Art ist schwerfällig, wortkarg und zuweilen so merkwürdig, daß ich bestimmt oft lachen würde, wenn ich nicht immer ein wenig Angst vor ihm hätte. In seiner Sprache kommt sein eigenartiger Stil noch viel deutlicher zum Ausdruck als in den am Ende dieses Buches angeführten Schreiben.

Er sagte, daß der Welt noch nie dagewesene Katastrophen drohten, und da er eigentlich ein Heiliger sei, der Donnerschläge abwende, würde er gerne helfen, wenn man ihn darum bitte. Obwohl er in einer sehr fernen Zeit gelebt habe, könne er sich mir so deutlich zeigen, weil sein Blut auf der Erde noch lebendig erhalten sei. Dadurch habe seine Seele den Kontakt zur Erde nicht verloren.

„Meine Sprache ist nicht leicht“, sagte er, als er bemerkte, daß es mir manchmal wirklich schwerfiel, ihn zu verstehen. „Setze dich hin und schreibe!“

Auf die schon gewohnte, unergründliche Weise schrieb ich, ohne etwas zu hören, nieder, was er mir diktierte. Ich weiß, daß er einmal nach einem passenden Ausdruck suchte, und daß es Kardinal Mercier war, der ihm das Wort „Lampenschirm“ unterschob, das sich kraß von dem Stil des gesamten Schreibens abhob. Er gab es später selbst zu und sagte, ihm sei kein besserer Ausdruck eingefallen.

Die im folgenden aufgeführten Schreiben waren für Bucia (Sofia) bestimmt, die den hl. Januarius gebeten hatte, ihr Betreuer zu sein. Er erklärte sich zunächst gern dazu bereit, später stellte sich jedoch heraus, daß sein Stil zu schwierig und unverständlich für sie war. Sie konnte ihn nicht verstehen. Er erkannte dies selbst und empfahl ihr, sich einen anderen Betreuer zu wählen.

„Der hl. Januarius. Im Jahr des Herrn 1936, am 5. September. Meine liebe Sofia! Denke daran, was der hl. Thomas gesagt hat: ,Gott ist als die höchste Wahrheit in einem Akt der Vernunft zu erkennen.' Die Bescheidenen sind weise, denn sie sehen das Weltall und darin Gott und seine Weisheit. Der Gelehrte stützt sein Urteil und sein Verständnis auf seine Vorstellung und seinen Stolz, als einzelner oder mit einigen anderen zusammen. Vertraue nur, Sofia. Du kannst mich alles fragen, ich werde dir bei Problemen helfen und immer eine Antwort geben. Das heilige Mütterchen Magdalena‑Sofia hat uns einander zugewiesen. Laß uns aufrichtig sein in unseren Bestrebungen. Schaue aufmerksam und unbeirrt auf Jesus, dann wirst du keinen Schmerz verspüren, dafür aber mehr Freude empfinden. Du weinst viel, weil du schwach bist. Versprich mir als erstes, deine Augen bis Sonntag trocken zu halten.

Die Unbefleckte besitzt alle Tugenden und alle Gnadengaben. Ich werde dich lehren, von ihrer Güte zu profitieren. Deine Demut und die wunderbare Liebe zu den Menschen haben dich uns nähergebracht, es genügt jedoch nicht, daß du diese großartigen Tugenden nur selten in deinem Leben zum Einsatz bringst, denn sie können verblassen und sogar schwinden.

Aus Liebe zu meinem Erlöser habe ich den Tod erlitten und dafür die sonnige Ewigkeit gewonnen. Ich tauche in die Liebe ein. Ich bin stark. Es ist schon lange her, daß ich in der Welt gelebt habe und ganz selten kehre ich wieder auf die Erde zurück. Wir können uns aber in mehrere Aufgabenbereiche aufteilen und euch tatkräftig helfen.

Fulla ist stark und schwach zugleich. Stark ist sie durch den Himmel, das heißt durch die Geister der Helligkeit, zuweilen aber schwächt der Geist des Hochmuts ihre Glieder, ihren Willen, ihren Verstand und ihre Tugenden. Unser Gott Jesus duldet keinen Widerstand, und wenn er jemanden erwählt und an sich zieht, macht er ihn vollkommen rein, selbst wenn er dabei alle Mittel ausschöpfen muß. Es ist deshalb besser, vernünftig und demütig zu sein, um eventuellen schrecklichen und schmerzlichen Schlägen zu entgehen.

Liebt Gott und tut seinen Willen! Sofia, reiche mir deine Hand und laß dich führen. Ich mache deine Seele gesund. Fulla! Unser Herr Jesus hat der Welt ein neues Gebot der Liebe gebracht. Diejenigen, die es angenommen haben, erfüllte er mit göttlichem Feuer. Sie warfen daraufhin auf einmal oder nach und nach ihren Hochmut ab, hüllten sich in den Mantel der Demut Christi und ihr Sinn für die Ewigkeit öffnete sich. Liebe und Demut stammen vom Sohn Gottes. Im Herzen Fullas brennt zwar die Flamme der Liebe, aber dieser häßliche Lampenschirm aus Hochmut verdeckt oft diesen Feuerschein. Nachher wundert sie sich, daß der Herr Jesus weit entfernt zu sein scheint, da er so wenig hilft. Ihr Kopf ist leer, ihre Seele betrübt. Falls es sie lebhaft interessiert, kann ich ihr alles ganz langsam erklären, ich oder Deza. Mein altmodischer Stil ist ihr nicht geheuer. Deza ist geschickter darin. Ich segne euch mit dem Frieden Gottes — der hl. Januarius.“

„Der hl. Januarius, im Jahr des Herrn 1936, am 20. November. Sofia! Warum denkst du nicht an mich? Ich will dir helfen. Ich will dir einen geraden Weg weisen. Fulla ist ihren Betreuern treu, sie betet zu ihnen, und sie helfen ihr. Sie bindet sie an sich, läßt sie nicht los und deshalb lebt sie mehr mit ihnen als mit sich selbst. Ich bin Januarius, ein Heiliger. Rufe mich an! Bete, sprich zu mir, Sofia, und du wirst mich kennenlernen.

Wir werden uns nicht mehr lange auf diese Weise verständigen. Ich bleibe weiterhin dein Betreuer, aber Anweisungen und Erklärungen wirst du durch Fulla von einer anderen heiligen Gestalt erhalten, die sich ebenfalls deiner annehmen wird, Sofia. In einigen Wochen werde ich es dir offenbaren. Ich habe dies für dich getan, denn du brauchst ein Wesen, das deiner Seele und deiner Vorstellung mehr entspricht. Bleibe unserem Herrn Jesus innig verbunden und bete morgens kniend mit folgenden Worten:

'Herr Jesus! Erhöre mich! Ich liebe dich über alles und ich bete zu deiner reinen Mutter um die Hilfe des Himmels. Meine Natur ist schwach, deshalb rufe ich in Liebe und Ehrfurcht eure heiligen Namen, Jesus und Maria, damit sie mich den ganzen Tag über begleiten und ich ihn zum Wohle meiner Seele und meiner Mitmenschen verbringen kann. Heiliger Januarius, bete für uns!‘“

„Der hl. Januarius, im Jahr des Herrn 1937, am 18. März. Friede sei mit euch, liebe Kinder! Gott verlangt nicht viel von euch. Macht euch keine Sorgen. Unser Herr Jesus liebt euch und es reicht ihm, wenn ihr jeden Tag mindestens eine gute Tat für ihn vollbringt. Diese kann z. B. darin bestehen, einen Mitmenschen zu erfreuen oder keinen Unwillen ihm gegenüber zu äußern, wenn er sich schlecht benimmt. Man kann auch vor dem Bild des hl. Mütterchens ein kurzes gemeinsames Gebet sprechen. Tag für Tag ergeben sich immer wieder viele Möglichkeiten — Überwindung von Faulheit, Zurückhaltung im Sprechen, etwas für den Nächsten tun oder ihm eine Kleinigkeit schenken. Am besten ist es aber, eine negative Neigung in uns bewußt für Jesus zu besiegen. Daraus erwächst etwas sehr Wertvolles, und die Zukunft dauert ewig.

Ich bitte euch beide, meine Kinder, an jedem Tag der Karwoche frühmorgens die Namen‑Jesu‑Litanei laut zu beten. Das wird eure irdische Schuld auswischen. Ihr könnt noch ein kurzes Gebet anhängen, eines von den Gebeten an Herrn Jesus, die euch das hl. Mütterchen beigebracht hat, als Zeichen eurer Anbetung und Verehrung für ihn. Möge der liebste und gütigste Jesus euch niemals verlassen, möge er euch reichlich von seiner Gnade zukommen lassen und euch segnen. Fulla! Liebe deine Betreuer, die vom Himmel aus über dir wachen. Wendet euch täglich mit einem Gebet an mich. Ich segne euch, Fulla und Sofia. Ihre neue Betreuerin, die hl. Kleine ,Theresia', segnet sie ebenfalls — Der hl. Januarius.“

Seit dem Tage, an dem ich erfuhr, daß die hl. Magdalena‑Sofia im selben Jahr wie die hl. Theresia vom Kinde Jesu heiliggesprochen wurde, war ich über die „kleine Heilige“ verärgert und hegte Groll gegen sie. Warum hat sie die ganze Popularität für sich allein in Anspruch genommen? Warum ist sie so berühmt geworden, daß andere neben ihr verblaßten? Konnte sie denn in ihrem kurzen Leben mehr für Gott tun als Magdalena‑Sofia, die ihr überaus schweres Kreuz ganze 86 Jahre lang geduldig und still trug? Warum hat der fröhliche „Rosenregen“ das Heldentum eines anderen Lebens für die Welt unsichtbar gemacht? Um all diese Fragen führte ich, etwas kindlich vielleicht, aber dafür verbissen, in meinem Herzen einen Rechtsstreit gegen die fröhliche kleine Heilige. Ich wollte sie weder kennen noch lieben, denn ich war der Ansicht, daß sie meinem hl. Mütterchen Unrecht getan hat — wenn auch ungewollt.

Dies hielt ich vor meiner Heiligen auch nicht geheim. Sooft sie die kleine Theresia ins Gespräch brachte, platzte ich mit immer neuen Klagen heraus. Als diese mich einmal durch mein hl. Mütterchen fragen ließ, ob ich möchte, daß sie zu mir kommt, antwortete ich ihr sogar, ich wolle sie nicht sehen, ich liebte sie nicht und würde sie auch niemals lieben.

Einige Tage später sah ich dann, kurz bevor mein hl. Mütterchen zu mir kam, die hl. Theresia vor mir stehen. Ich war völlig überrascht. Sie lief fröhlich, rosig und wunderschön auf mich zu, küßte mich lachend auf die Wange und entschwand lachend wieder. Sie wirkte so mädchenhaft, so hell und angenehm, daß ich mit einem Mal spürte, wie mein ganzer Groll und mein Widerwille mit ihr zusammen verschwanden. Mein hl. Mütterchen erschien gleich danach, und ich hatte den Eindruck, daß auch sie sich amüsierte. Sie lächelte und fragte, ob ich jetzt endlich die kleine Heilige auch so lieb haben könne wie der ganze Himmel. Ich sagte ja und bat darum, daß sie irgendwann einmal wiederkommen und länger bleiben möge.

Sie kam dann auch öfter und erzählte mir viele verschiedene Dinge. Man kann sich niemanden vorstellen, der angenehmer, lieblicher, fröhlicher sein könnte als dieser Liebling des Himmels. Sie ist wunderschön! Ihre Augen blicken unschuldig und voller Freude, ihr Teint ist rosig. In ihrem Verhalten ist etwas von der fröhlichen Vertrautheit eines geliebten, verwöhnten Kindes. Ich sehe sie jedesmal in der Ordenstracht, genau so, wie man sie von den Altären her kennt. Seitdem sie mir aber erschienen ist, finde ich sämtliche Abbildungen von ihr grau, nichtssagend und unähnlich. Wer die kleine hl. Therese noch nie lachen sah, weiß nichts über sie! Sie ist das Lächeln selbst. Vielleicht haftet an ihr noch der Abglanz des Lächelns der heiligsten Jungfrau, das sie als Kind gesehen hat?

Sie sagte, sie wolle und werde mir sehr dabei helfen, die Verehrung meines hl. Mütterchens zu fördern. Sie erklärte mir, daß es ihr bestimmt gewesen wäre, als erste auf der Erde zu wirken, obwohl sie später gelebt habe und die Jüngere sei. Erst jetzt sei mein hl. Mütterchen an der Reihe. Sie lachte über meine menschliche Beurteilung dieser Angelegenheit. Der Himmel habe Zeit für alles und alles geschehe zur rechten Zeit.

Sie sagte, daß sie im Kreis der Freude wohne, weil nach dem Gesetz jeder, der im Leben keine sorglose Kindheit gehabt habe, im Himmel eine überaus freudige und angenehme Kindheit erlebe. Der Kreis der Freude sei ihr jedoch nicht genug. Da sie besondere Privilegien genieße, wandere sie von Kreis zu Kreis, und in jedem werde sie mit gleich großer Freude empfangen. Einmal sagte mein hl. Mütterchen über sie:

„Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine das ist, diese kleine Theresia! Sie ist überall. Alles muß sie wissen, wohin man sich auch wendet, sie ist schon da! Aber alle sind verrückt nach ihr. Sie ist unser Nesthäkchen.“

Ich weiß auch, daß die kleine hl. Theresia so etwas wie eine himmlische Kindergärtnerin ist. Sie betreut die Seelen aller verstorbenen Kinder. Sie ist auch die Beschützerin kindlicher Freude. Und Kinder, die auf der Erde traurig oder krank sind, finden bei ihr immer Schutz. Einmal sagte sie mir, daß ihr Rosenregen zwar in die Hände der Menschen gefallen sei, ihre Herzen aber nicht erreicht habe. Jeder, dem sie etwas Gutes getan habe, sei schnell weitergegangen, ohne zu bedenken, daß erwiesene Gnade dazu verpflichtet, zumindest einen Augenblick lang über das künftige jenseitige Leben nachzudenken. Die größte Freude habe sie an denen, die ihre Freundschaft wünschen, ohne von ihr zu profitieren, die nicht um materielle Hilfe bitten, denn darum bitten die meisten, sondern die sich aus Liebe zu ihr bemühen, ihre innere Einstellung der Einstellung ihrer Freundin anzupassen.

Ihrer Ansicht nach macht sich zur Zeit unter den Ungläubigen auf der Erde eine gewisse Unruhe bemerkbar. Diese Unruhe wirft sie aus ihrem faulen, inneren Gleichgewicht, verwirrt ihre falsche Art zu denken, zwingt sie, da sie nun beunruhigt und verunsichert sind, nach den ewigen Gesetzen Gottes zu suchen, sich nach ihnen zu sehnen, um schließlich doch noch zu ihnen zu gelangen.

Es wundert mich gar nicht, daß sie im ganzen Himmel so sehr beliebt ist! Wen dieses überaus fröhliche Kind des Himmels einmal ansieht, wen es einmal anlächelt, der muß es für immer auf eine freudige und kindliche Art liebhaben.

Einmal brachte mir jemand ein Buch über Pierre‑Giorgio Frassati. Diese hübsche jugendliche Gestalt interessierte und beschäftigte mich sehr, und ich fragte mein hl. Mütterlein, ob ich ihn vielleicht sehen könne. Einige Zeit später erschien er mir, fröhlich und glücklich. Er erzählte, daß er Gott über alles geliebt habe und daß es ihm deshalb jetzt im Himmel so gut gehe. Ich sagte ihm daraufhin, daß es für ihn leicht gewesen sein müsse, sich der Armen anzunehmen und ihnen Gutes zu tun, denn er sei schließlich reich und beliebt gewesen. Er entgegnete, alle seine Freunde hätten ihn wirklich geliebt, aber nicht wegen seines Reichtums, sondern wegen seine Werke und Entsagungen. Viele hätten ihn für einen Sonderling gehalten. Er habe das Leben gemocht, und die Menschen hätten ihn zum Leben hingezogen. Er sei nicht immer fröhlich und gutgelaunt gewesen, habe sich jedoch stets bemüht, den anderen zu gefallen, denn je mehr er die Sympathie seiner Freunde gewonnen habe, desto größeren Einfluß habe er auf ihre Seelen nehmen können. Sein Leben sei zwar nicht besonders genußvoll, aber zumindest ruhig verlaufen. Er habe den Armen und Unglücklichen mehr freie Zeit gewidmet als dem Vergnügen. Er habe sich immer bemüht, anderen Freude zu bereiten und zum Dank dafür habe er nach und nach von ihnen gefordert, ihr Leben zu verändern. Er wünsche sich sehr, den Menschen, vor allem seinen lebenden Kollegen zu helfen. Er sagte mir, ich sei ihm physisch etwas ähnlich und er wolle mich seiner Schwester vorstellen. Diese Ähnlichkeit würde sie erfreuen.

Die hl. Jeanne d'Arc erschien mir auf eine höchst merkwürdige Weise. Sie stand wortlos vor mir und hielt irgend eine flammende Blume in der Hand. Nach einer Weile brachen um sie herum lodernde Flammen aus. Sie ergossen sich über den Fußboden, wurden größer, intensiver, kamen zu meinem höchsten Erstaunen bis an mich heran und schließlich stand das ganze Zimmer in Flammen. Obwohl es jetzt vom Fußboden bis zur Decke mit zitternden Feuerzungen ausgefüllt war, spürte ich überhaupt keine Hitze.

Die Röte des Feuerscheins drang durch die Spalten ins Nebenzimmer, wo Bucia sich gerade aufhielt. Erschrocken schrie sie auf, weil sie dachte, das Zimmer habe von der Lampe auf meinem kleinen Altar Feuer gefangen. Ich weiß selbst nicht mehr, mit welchen Worten ich sie durch die geschlossene Tür hindurch beruhigte, denn ich starrte wie gebannt auf diese herrliche Gestalt inmitten der Flammen. Sie hatte keine Waffen bei sich und trug nur ein weißes Gewand. Im ersten Moment dachte ich, daß sie auf dem Kopf einen engen Helm aus Kupfer trägt. Erst später stellte ich fest, daß dieser glänzende Helm ihre Haare waren. Die hl. Johanna hat überaus hübsches goldglänzend‑rotes Haar. Pechschwarze, schräggestellte Augen schauen mit leuchtender, durchdringender Kraft unter schwarzen, ungewöhnlich schräggestellten Augenbrauen hervor. Sie strahlt eine absolut außergewöhnliche Würde aus. Und Kraft. Vor allem Kraft. Wie eine Mischung aus Frau und Erzengel zugleich. Ich kann es nicht erklären.

„Der Scheiterhaufen ist bereits vorbereitet, doch nichts verbrennt in seiner Glut“, hörte ich. „Es ist die Glut der Liebe im Herzen Jesu. Wer von diesem Feuer erfaßt wird, wird ewig glücklich sein. Es kommen sehr schwierige und bedrückende Zeiten heran. Um zu siegen, bedarf es ritterlicher Kraft, sowohl geistig als auch körperlich. Denke daran, nicht allein Frankreich, sondern jedes Land, das sich im Namen Jesu Christi an mich wendet, wird meine Hilfe erhalten. In deinem Land Polen werden Helle Geister die Menschen seelisch und körperlich stärken. In Zeiten der Gefahr wird sich das ganze Land in der Obhut von Geistern befinden. Wer den hellen Geistern folgt, wird siegen. Die dunklen führen euch in Schmach, Schande und Unfreiheit. In wichtigen Augenblicken werde ich selbst zu dir kommen. Ich segne dich, Fulla, und ganz Polen.“

Kein anderer Heiliger ist mir jemals auf so merkwürdige Weise erschienen wie sie. Und auch sie war nur beim ersten Mal so. Später kam sie dann schon ganz normal, wie die anderen.

Ich habe meinen Namen nie gemocht. Seit frühester Kindheit nannte man mich Fulla, deshalb hat mich auch der hl. Stephan nie besonders interessiert, obwohl ich wußte, daß er mein Namenspatron ist.

Und selbst als meine Beziehungen zu den Heiligen auf so ungewöhnliche Art immer enger wurden, dachte ich noch nicht an ihn. Erst mein hl. Mütterchen machte mich auf ihn aufmerksam und sagte, daß der hl. Stephan den starken Wunsch habe, zu mir zu kommen, ich müsse ihn aber selbst innig darum bitten.

Das erste Mal erschien er mir in einem königlichen Gewand. Auf dem Kopf trug er die heilige Krone Ungarns. Seine ganze Gestalt strahlte Intelligenz und Würde aus. Er sagte mir, daß er mich schon seit langem betreue, daß er mir helfen wolle und könne, da er selbst ein hervorragender Organisator gewesen sei. Wenn man ihn anrufe, schenke er nicht nur positive Impulse, sondern verstärke auch das Denkvermögen, den Scharfsinn und die Schnelligkeit des Handelns.

Ich fragte, ob es für ihn angenehm gewesen sei, König zu sein. Daraufhin sagte er, dies habe ihn gewaltig an seiner geistigen Entwicklung gehindert. Er habe leichten Zugang zu den Genüssen dieser Welt gehabt, zu denen ihn seine Jugend und das Beispiel seiner Umgebung hingezogen hätten. Deshalb sei es schmerzhaft für ihn gewesen, die Genußsucht, den Hang zu Bequemlichkeit und Luxus in sich zu bezähmen. Ein König müsse schließlich Reichtum zeigen, genauso wie er im Stillen wirken, weise sein und sein Volk lieben müsse. Christus sei unter allen Königen der reichste, denn er könne großzügig geben, ohne daß sein Reichtum abnehme. Weiter sei er der leiseste, denn er sei bereit, den Menschen insgeheim alles zu geben, worum sie ihn bitten. Der weiseste, denn er gebe stets genau das, was jemand nötig hat. Der barmherzigste, denn er gebe gern, obwohl es den Menschen nicht immer in den Sinn komme, zu bitten.

König Stephan war ein unerschrockener, unbeugsamer Ritter und durch ihn können labile Menschen innerlich sehr stark werden. Man muß ihn nur in einem innigen Gebet anrufen.

Wenn du meine ständige Betreuung wünschst, mußt du mich oft bitten, zu dir zu kommen. Es genügt, wenn du sprichst: Heiliger Stephan, ich empfehle mich deiner Obhut!

Ich sehe ihn oft, meistens wie ein Ritter gekleidet. Er verhält sich mir gegenüber stets gütig und herzlich. In ihm sind die Sanftmut eines Heiligen und die Kraft eines Ritters vereint. Ich liebe den hl. Stephan sehr! Dem hl. Nikolaus war ich schon als Kind sehr zugetan. Natürlich war es damals jener Nikolaus, der den Kindern die Geschenke unter das Kopfkissen legte. Als mir mein hl. Mütterchen verkündete, daß der wirkliche hl. Nikolaus zu mir kommen wolle, bat ich darum, er möge sich nicht so zeigen, wie er wirklich ist, sondern so, wie ich ihn mir als Kind vorgestellt habe.

Also kam er als ein grauhaariger, pausbäckiger alter Mann mit Bischofsmütze und Bischofsstab — genau so, aber auch ganz genau so, wie ihn Kinder lieben. Er ist der Liebste der Welt! Ich mag ihn schrecklich gern. Er ist überhaupt nicht einschüchternd — im Gegenteil, er scheint selbst etwas schüchtern zu sein. Er spricht sehr schnell und hat es immer eilig. Mich nennt er „Fulka“. Er wollte, daß ich ihn „hl. Miku“ nenne, das sei kürzer, aber ich sage lieber „Mikolajek“. Er ist sehr temperamentvoll und lustig und hat permanent zu wenig Zeit. Er habe so viele Sachen im Kopf, sagt er. Unglaublich lieb ist er!

Er sagte mir, daß es falsch sei, Kinder wegen der Legende über ihn und seine Geschenke zu enttäuschen. Warum erzählt man ihnen, daß nicht er es sei, der die Gaben bringt? Aber er ist es doch! Wer gibt den Menschen wohl die richtigen Ideen ein, damit sie den Kindern gerade das schenken, was diese sich am meisten wünschen? Wer hat denn bewirkt, daß der Brauch, sich an seinem Feiertag gegenseitig zu beschenken, in der Welt so verbreitet ist? Kein anderer als er!

„Sage den Menschen, Fulla, daß ich ein Heiliger der Gaben bin. Nicht nur Kinder können mich bitten, auch Erwachsene. Ganz gleich, wer es ist, der sich gläubig an mich wendet und um etwas bittet, er wird es bekommen! Ich bereite den Menschen so gern Freude! Sie müssen mich nur bitten.“

Und wirklich, sooft jemand, der sehr arm war, zu mir kam und um Geld, Kleidung oder Essen bat, betete ich, wenn ich selbst nicht helfen konnte, zum hl. Nikolaus. Es geschah in solchen Fällen jedesmal, daß andere von selbst zu mir kamen, um mir genau das zu bringen, was ich für die Armen gerade brauchte. Kurze Zeit später pflegte dann der hl. Nikolaus zu erscheinen, vergnügt und äußerst zufrieden mit sich selbst. Sobald ich dann aber versuchte, ihm zu danken, wehrte er jovial und ungeduldig ab. Er erscheint mir ziemlich oft, wahrscheinlich deshalb, weil er weiß, daß ich ihn so sehr liebe. Auf naive, kindgerechte Art erklärt er mir manchmal Dinge, die ich nicht verstehe. In solchen Fällen, meint er, müsse man sich nach dem Herzen, nicht nach dem Kopf richten.

„Fulka, Fulka, sage mir, was du brauchst! Ich kann es dir geben! Hier und da flüstere ich etwas ein, inspiriere und lenke ein wenig — und schon geschieht es! Ich mag dich, Fulka. Sprich, denn ich muß mich beeilen!“

Wenn ich ihn in wenigen Worten beschreiben müßte, würde ich sagen, daß er aus Güte, Großzügigkeit, Freude und Eile besteht. Er erscheint nicht und entschwindet, sondern er stürzt herein und hinaus. Immer beschäftigt, immer in Eile, immer an andere denkend, mein allerliebster heiliger „Mikolajek“!

Als der hl. Johannes Bosco mir zum ersten Mal erschien, kannte ich seinen Lebenslauf noch nicht. Erst später, als ich ihn liebgewonnen hatte, las ich viele Bücher über ihn. Keines der Bücher über ihn vermittelt jedoch auch nur annähernd einen Eindruck von seiner Person. Die Begeisterung, den Witz und die funkelnde Freude, die seine dunklen Augen ausstrahlen, kann niemand beschreiben. Er ist so lebhaft und temperamentvoll, daß er nicht einen Augenblick lang stillstehen kann. Es interessiert ihn alles gleichzeitig. Wenn er etwas fragt, beantwortet er seine Frage sofort selbst, weil es ihm zu lange dauert, eine Antwort abzuwarten. Er ist sehr gesprächig und wirkt so natürlich und lebendig, daß man in seiner Gegenwart tatsächlich vergißt, einen Geist und nicht einen Menschen vor sich zu haben. Man könnte ihn als die Verkörperung von Energie, Erfindungsgabe und Intelligenz bezeichnen. Er hat mir viel über sein Leben erzählt, besonders über seinen Umgang mit Heiligen. Er habe sein Leben lang regen Kontakt zum Himmel gehabt, da jedoch der überwiegende Teil seiner Aufzeichnungen vernichtet worden sei, enthielten die Bücher über ihn keine eindeutigen Aussagen darüber. Er möchte mir die wundervolle „Kunst des Zauberns“ beibringen, die ihm alles im Leben erleichtert und die er sich durch Selbstlosigkeit erworben habe. Es sei die Belohnung dafür gewesen, daß er sich selbst vergaß. Er sei sozusagen unbemerkt durchs Leben gegangen, sichtbar sei nur sein großes Werk gewesen.

„Der Glaube vermag alles, Fulla, alles! Nur daß die Menschen nicht glauben können. Ich habe geglaubt, und deshalb war alles so, wie es war.“

Der heilige Johannes Bosco hat sehr großen Einfluß im Himmel. Die stets hilfreiche heiligste Jungfrau liebt ihren vertrauten „Zauberkünstler“, ihren fröhlichen „Pfiffikus“, den unnachgiebigen Bittsteller von einst, der mit seinem Gebet — um was auch immer — nicht aufzuhören pflegte, bevor es von ihr erhört worden war! Gegen jegliche Vernunft und ungeachtet der wahren Zustände, betete er unaufhörlich — und bekam! Genauso macht er es auch jetzt im Himmel!

Andere Heilige sind fröhlich, der hl. Johannes aber ist lustig. Sein Humor könnte die schwärzeste Trauer und Depression vertreiben. Er hat bei mir schon viel Überraschendes und Merkwürdiges getan. Er sagt immer, er habe seine Karriere mit artistischen Gaukeleien begonnen und auf diese verzichte er bis heute nicht. Manchmal verspricht er mir beim Weggehen, er werde einen kunstvollen Streich spielen, wenn irgendwelche Zweifler da sind.

Ich erinnere mich, daß sich einmal eine bestimmte Dame über meinen „Kult um irgend so eine französische Heilige“ wunderte und daraufhin das über dem Sofa hängende Bild auf ihre Knie fiel, nachdem es sich einige Male in der Luft gedreht hatte. Der Nagel war nicht herausgefallen, die Öse war unbeschädigt und das Bild hatte sich auch nicht an der Wand entlanggeschoben, sondern es kam durch die Luft geflogen etwa einen halben Meter von der Wand entfernt. Ein anderes Mal, als sich jemand nicht würdevoll genug über die hl. Teresia äußerte, fiel ihm eine Schachtel auf den Kopf, obwohl er von dem Schrank, auf dem sie stand, weit entfernt saß. An einen weiteren Fall kann ich mich erinnern, daß eine Dame sich bei mir beklagte, daß sie niemals „solche Dinge“ erlebe. In diesem Augenblick begannen von allen Kerzen auf meinem kleinen Altar Funken aufzusteigen, gerade und in gleichmäßigen Abständen nach oben, bis an die Decke. Das dauerte gut einige Sekunden. Später bekannte sich der hl. Johannes von selbst zu diesen naiven Scherzen.

„Es macht nichts, wenn du kein Geld hast! Du brauchst nur einen guten Willen, Liebe und Demut, dann erreichst du alles, was du willst. Zu einem passenden Zeitpunkt werde ich dir helfen, einen schönen Altar für dein hl. Mütterchen zu bekommen.“

Der hl. Johannes ist mir ein überaus angenehmer, lieber Freund! Auf seine „magische“ Art bringt er Menschen, die sonst schwer zu gewinnen sind, dazu, ihre widerstrebende Haltung der himmlischen Gnade gegenüber aufzugeben.

Kardinal Mercier scherzt auch sehr gerne. Er macht es anders als der hl. Don Bosco, und zwar ist er ganz ernst dabei. Das bringt mich manchmal in Verlegenheit, da ich nicht weiß, ob er das, was er in diesem Augenblick sagt, ernst meint oder ob er scherzt.

In seiner Art zu scherzen ist — zumindest war es am Anfang so — ein bestimmtes System und ein Ziel. Heute verstehe ich es, damals jedoch wurde ich oft verwirrt und aus dem Gleichgewicht gebracht.

Sowohl mein hl. Mütterlein als auch Kardinal Mercier hatten die Aufgabe, mich quasi geistig zu erziehen und auszubilden. Ich absolvierte, wie es der Kardinal selbst beschrieb, ein Studium an der „himmlischen Universität“, und die Liebe, die mein schwach gewordenes Herz für mein hl. Mütterlein empfand, die Heftigkeit und Habgier dieser Liebe waren meiner inneren Entwicklung offenbar nicht förderlich.

Es gab eine Zeit, da mich jeder Besuch von ihr, jede Erinnerung an sie und jede Kleinigkeit, die in irgendeinem Zusammenhang mit ihr stand, dermaßen aufwühlten, daß meine Nerven dadurch geschwächt wurden. Ich brauchte nur zu denken, daß sie einmal klein war, und schon brach ich in Tränen aus. Ich weinte aus Wehmut, daß ich nicht nach Jette fahren und ihr Grab besuchen konnte und der Gedanke, daß ich ihren unversehrt gebliebenen Körper in einem gläsernen Sarg hätte sehen können und mich dann doch wieder von diesem Sarg hätte losreißen müssen, lähmte mich geradezu. Da das sanfte und liebevolle Zureden meines geliebten hl. Mütterleins diese Zustände nur für sehr kurze Zeit beseitigen konnte, trat hier der Kardinal auf den Plan und machte sich auf seine Weise daran, für Ausgeglichenheit in mir zu sorgen.

Sein nüchterner, oft sogar leicht spöttischer Ton und seine Scherze bewirkten bald, daß ich mich dieser Äußerungen meiner Liebe zu schämen begann. Mit seinem klugen, gutmütigen Lächeln hielt er mir nämlich jeden, sogar den geheimsten diesbezüglichen Gedanken, jedes übertriebene Zeichen von Rührung und jedes allzu wehmütige Wort vor. Ich war seinem durchdringenden Blick wehrlos ausgeliefert. Nichts konnte ich verbergen. Es war, als ob alle meine Reaktionen von ihm kontrolliert würden. Ich fühlte mich wie jemand, der weiß, daß er ständig aufmerksam beobachtet wird, auch wenn er es nicht merkt. Sachlich, wie ein Lehrer, der mit seinem Schüler die Hausaufgaben bespricht, zählte er mir dann jedes falsche Verhalten auf und betonte die Lächerlichkeit dieser gefühlsmäßigen Übertreibung — mit einem Wort, er pflegte mich jedesmal mit kaltem Wasser zu übergießen.

Am Anfang tat es mir nur weh, aber dann begann ich ärgerlich zu werden. Durch das liebevolle und geduldige Verhalten meines hl. Mütterchens arg verwöhnt, sträubte ich mich gegen die Vorhaltungen des Kardinals. Zwar stand er mir nahe und ich mochte ihn sehr, ich fühlte mich jedoch als ausschließliches Eigentum meines hl. Mütterchens und war der Ansicht, niemand außer ihr habe das Recht, sich in dieser Angelegenheit zu äußern. Sie gingen beide sehr unterschiedlich mit mir um und dieser Unterschied kam so deutlich zum Ausdruck, daß meine trotzige, eigensinnige Natur heftig protestierte. Bis ich schließlich, nach einem strengeren Auftritt des Kardinals, endgültig beleidigt war. Weinend verkündete ich ihm, ich wünsche nicht mehr, daß er zu mir käme, da er mich ja doch nur wegen meiner Liebe zu meinem hl. Mütterlein auslachen und verspotten wolle.

Ganz ruhig erklärte er mir daraufhin, er werde mich also solange nicht mehr besuchen, bis ich ihn selbst darum bitten würde — und verschwand.

Ich verharrte im Trotz. Wie ein Bock. Ich litt sehr darunter, denn ich hatte meinen guten Deza sehr lieb. Ich sehnte mich nach ihm und zitterte gleichzeitig bei dem Gedanken, daß er auch diese Sehnsucht wie alles andere in mir sehen könne, daß er also von ihr wisse, sich bestimmt auf seine Art darüber lustig mache und geradezu froh sei über meine selbst verursachte Traurigkeit.

Meine liebste hl. Mutter hatte damals viel Mühe mit mir und machte sich große Sorgen. Wenn sie mir geheißen hätte, mich bei meinem Betreuer zu entschuldigen, hätte ich es selbstverständlich ohne zu zögern getan. Sie wollte jedoch, daß ich mich selbst überwinde und nicht unter dem Druck ihres Befehls handle. Sanft und geduldig versuchte sie mich deshalb, auf unterschiedliche Weise zu beeinflussen. Sie mißbilligte grundsätzlich jede Widerspenstigkeit und Bockigkeit, sprach vom Wert der Reue und vom Nutzen, der aus jeder Überwindung der eigenen Natur erwächst — umsonst! Meiner eigenen Sehnsucht zum Trotz und nicht auf die innere Stimme hörend, die mir sagte, daß ich es doch eigentlich machen sollte, blieb ich weiterhin verbissen und stur.

Zu diesem Zeitpunkt nahm sich der hl. Januarius dieser Sache an. Er kam, um zwischen uns zu vermitteln. In ernstem, gewichtigem Ton teilte er mir zu allererst mit, daß mein Deza mir trotz allem nicht böse, aber traurig sei über meine Hartnäckigkeit. Obwohl ich mich nicht bei ihm entschuldigen wolle, stehe er mir nach wie vor helfend zur Seite und habe mich inzwischen vor einem Unfall bewahrt. Er warte geduldig auf den Sieg meiner Vernunft und meines Herzens.

Mit dem hl. Januarius kann man keine Scherze machen. In seiner Gegenwart erschien mir mein Konflikt mit dem Kardinal plötzlich nichtig, und ich hätte nicht gewagt, ihm von meiner Kränkung oder Traurigkeit zu erzählen, wie ich es z. B. meinem heiligen Mütterchen erzählen konnte. Er hätte es überhaupt nicht verstanden. Deshalb versuchte ich gar nicht erst, ihm etwas zu erklären. Als ich aber hörte, was Deza für mich getan hatte, fing ich an zu weinen. Wahrscheinlich habe ich damals so deutlich wie noch nie gespürt, wie sehr ich diesen allerbesten Betreuer liebe. Ich war sofort bereit, ihn um Verzeihung zu bitten, wußte aber noch nicht, wie ich mich ehrenhaft aus der Affäre ziehen konnte.

Und da — ganz unerwartet, ohne jeglichen Übergang — sah ich statt des hl. Januarius Deza vor mir stehen. Er lächelte nachsichtig, benahm sich etwas steif und abwartend, aber sonst war er wie immer, ausgesprochen freundlich, und ich hatte ihn so lange nicht gesehen!

Ich kann mich selbst nicht mehr erinnern, wie meine Entschuldigung aussah. Ich weiß nur, daß ich weinen mußte und der Kardinal dann meinen Kopf zärtlich an seine Brust drückte und meine Wange streichelte, um mich zu beruhigen. Er tat es auf seine Art, nicht sentimental, nicht rührselig. Er schaute mich augenzwinkernd an und sagte mit bewußt übertriebenem Triumph in der Stimme: „Siehst du, du kannst doch nicht ohne mich leben!“ Da lachten wir beide. Dank der systematischen Führung durch den Kardinal sah ich mit der Zeit selbst, wie komisch meine übertriebenen Gefühlsausbrüche waren. Da war nichts zu machen, man mußte sich beherrschen und es sich abgewöhnen.

Obwohl er nun sein Ziel erreicht hatte, änderte der Kardinal sein Verhalten mir gegenüber nicht. Dies geschehe, um die Güte und Nachsicht meines hl. Mütterchens auszugleichen, das mich seiner Meinung nach zu sehr verwöhne, behauptet er. Ihm selbst käme so etwas nicht in den Sinn. Er sagt immer deutlich und gerade heraus, was er mir vorzuwerfen hat, was er von mir verlangt und wie ich sein sollte. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Außerdem spricht er entweder sehr ernsthaft oder im Scherz, einen dazwischen liegenden Ton scheint er nicht zu kennen. Manchmal liebt er es, mich zu necken. Dann nennt er mich „Stefania“, weil er weiß, daß ich meinen Vornamen nicht leiden kann. „Du darfst dafür ,Desiderius' zu mir sagen. Das mag ich auch nicht.“ So ist er, mein Deza!

Und wie könnte man mein hl. Mütterchen beschreiben?

Nein, ich versuche es erst gar nicht! Das geht nicht. Ich liebe, verehre, und bewundere sie zu sehr. Ihre Schönheit, Lieblichkeit, Intelligenz und Güte blenden mich zu sehr, als daß ich versuchen könnte, Worte dafür zu finden. Ich liebe sie.

Diese Liebe hat mich ohne jegliche Vorbereitung überfallen. Ich habe sie direkt vom Himmel empfangen, ohne mein eigenes Verdienst, ohne jegliche Vorwarnung — plötzlich. Nicht ganz auf einmal erhielt ich sie, denn das hätte ich nicht ertragen. Langsam, Tag für Tag, Monat für Monat, wurde ich mit ihrer zunehmenden Intensität vertraut.

Erst nach dieser Liebe floß die einzige Wahrheit der Welt, die Liebe Jesu, auf mich herab! Ich habe sie mir nicht erarbeitet oder durch irgendwelche Taten erworben. Wer diese Liebe nicht kennt, weiß überhaupt nichts über die Liebe. Heute besitze ich alles, wonach die Menschen suchen. Ich bekam alles durch die Vermittlung des hl. Mütterchens. Kann es überhaupt Worte geben, die ich als ihrer würdig erachten könnte? Ich liebe sie, darin ist alles enthalten, was ich über sie sagen könnte.

Dagegen konnte mir ihr Bruder, der Priester Louis Barat, viel über sie berichten. Er erschien mir einige Male und erzählte auf meine innige Bitte hin von ihrer Kindheit. Ich habe alles notiert:

„Sie war sehr hübsch, schon als kleines Kind. Ihr Mund war vollkommen rund, sie hatte helles Haar und schöne Augen, mit denen sie sehr aufmerksam blicken konnte, besonders auf Erwachsene. Sie ist nahezu ,wild' aufgewachsen. Zuerst hat sich niemand mit ihr befaßt. Sie konnte herumlaufen, wo sie wollte, im Garten und im Weinberg. Dort, in der Natur, hat sie auch das meiste gelernt.

Ungewöhnliche Gutmütigkeit, Gehorsam ihren Eltern gegenüber und Bescheidenheit — das war es, was vor allem anderen auffällig war an ihr. Sie besaß eine Ernsthaftigkeit, die für ein Kind selten ist, und war gleichzeitig fröhlich und gut gelaunt. Ihre Liebe zur Wahrheit, ihre Anmut und Natürlichkeit erstaunten jeden, der sie kennenlernte.

Auch als sie noch nicht sprechen konnte, empfand sie schon tiefe Dankbarkeit Gott gegenüber für all die Schönheit der Natur, in der sie aufwuchs und lebte. Diese Dankbarkeit füllte ihre kleine, leidenschaftliche Seele aus, seit sie zu denken begann. Als kleines Kind saß sie oft da, in Gedanken versunken, und schaute mit weit geöffneten Augen in die Welt. Überall und mit jedem Schritt sah sie nämlich die Allmacht des Schöpfers und machte sich diese bewußt. Sie konnte auch schon als ganz kleines Mädchen die große Macht der Liebe des Herzens Jesu zu den Menschen begreifen. Deshalb wollte sie ihm mit ihrem ganzen Herzen, an jedem Tag und in jeder Stunde ihres Lebens ihre Dankbarkeit erweisen. Sie wollte ihm dienen, wollte ihm helfen, wollte ihn immer mehr lieben...

Sie liebte im übrigen alles, was Gott erschaffen hat, und hatte zu Tieren ein freundschaftliches Verhältnis. Sie hatte ein Schaf, das ihr wie ein Hund nachlief. Es war der treueste Freund ihrer Kindheit. Mit zunehmendem Alter wurde ihre Demut und Liebe zu Gott immer tiefer. Je älter sie wurde, desto gebildeter und reifer wurde ihr Verstand.

Später gehörte sie zu den meistgebildeten Frauen ihrer Epoche. Sie sprach fließend spanisch, deutsch, englisch und italienisch. Griechisch und Latein konnte sie so gut, daß es ihr keine Schwierigkeiten bereitete, die alten Originaltexte zu lesen. Sie war eine unvergleichlich gute Organisatorin. Sie war eine der fähigsten Pädagogen ihrer Zeit.

In Krisenzeiten, die Gott ihr reichlich zukommen ließ, verlor sie nie den Mut. Sie gab sich nie der Verzweiflung hin, sondern vertiefte sich mit noch größerem Glauben und noch größerer Andacht in das Gebet zum Heiligsten Herzen.

Als sie im Alter von fünfzig Jahren des Lebens müde war und sich mit ganzem Herzen nach der Verbindung mit Gott sehnte, wurde sie schwer krank. Da erschien ihr unser Herr Jesus und fragte, ob sie lieber den Tod oder weitere Arbeit für ihn wählen wolle. Ihre opferbereite Liebe überwand diese große Todessehnsucht. Sie wählte das Leben. Noch sechsunddreißig Jahre lang, bis ins hohe Alter, arbeitete sie ohne Rast für die Belange Gottes auf Erden. Sie starb am Himmelfahrtstag des Jahres 1865. Gott gestattete nicht, daß ihr jungfräulicher Körper der Verwesung anheimfiel.

Die hl. Magdalena‑Sofia ist eine Heilige, deren Wirken in das jetzt herankommende Zeitalter fällt. Sie soll die Fackel der weltumfassenden Liebe des Herzens Jesu auf der Erde entzünden. Die hl. Magdalena‑Sofia wird einst die Patronin der weiblichen Jugend der ganzen Welt sein. Die hl. Magdalena‑Sofia soll die Menschen mit der Gemeinschaft der Heiligen vertraut machen und ihnen den richtigen Weg zu einer geistgen Verbindung mit der Triumphierenden Kirche weisen. Sie soll die Grundlage für die neue, dritte Epoche des heiligen Geistes schaffen, die jetzt naht.“

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Quelle:

www.ppio.de/…/Fulla Horak.htm