Und täglich grüsst der «Klimaleugner» – ARD und ZDF auf dem Weg zum Wahrheitsministerium - Claudia Schwartz 14.08.2023, In Deutschland wächst seit Jahren der Unmut über den öffentlichrechtlichen …Mehr
Und täglich grüsst der «Klimaleugner» – ARD und ZDF auf dem Weg zum Wahrheitsministerium - Claudia Schwartz 14.08.2023,

In Deutschland wächst seit Jahren der Unmut über den öffentlichrechtlichen Rundfunk, der betreutes Denken als objektiven Journalismus verkauft. Obwohl die Kritik nicht mehr abebbt, ist eine ernsthafte Reform nicht in Sicht.

Über den Klimawandel zu berichten, ist dringlich, aber ist es richtig, deshalb nicht mehr objektiv sein zu wollen? Brand auf der griechischen Insel Lesbos im Juli dieses Jahres.
Über den Klimawandel zu berichten, ist dringlich, aber ist es richtig, deshalb nicht mehr objektiv sein zu wollen? Brand auf der griechischen Insel Lesbos im Juli dieses Jahres.

Die Belehrung durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk ist mittlerweile Programm. Das «Monitor»-Magazin des WDR präsentiert derzeit auf Instagram «verharmlosende Klimasprache» und liefert «Alternativbegriffe». «Klimawandel» etwa klingt nach Meinung der dortigen Redaktion zu sehr wie ein «sanfter, natürlicher Prozess» und nicht so «heftig, gefährlich und menschengemacht» wie «Klimakrise». «Erderwärmung» hört sich zu «angenehm und positiv» an, wie wäre es also mit «Erderhitzung»? Und der «Klimaleugner» ist dem «Klimaskeptiker» vorzuziehen, weil dieser – man muss das jetzt nicht verstehen – «Nachdenken» suggeriere. Bitte nicht nachdenken, sondern nachplappern? Vielen Dank auch.

Der ideologisch verbrämte «Monitor»-Sprachkurs ist das jüngste Beispiel einer weitgreifenden Indoktrination, pardon: «Fürsorge». Von «Fürsorge» nämlich sprach ein «Framing Manual», das Mitarbeitern der ARD schon vor vier Jahren empfahl, was sie auf Kritik an solchem betreuten Denken antworten sollen.

Böhmermann und die «Nazis»

Wenn aber das journalistische Selbstverständnis «fürsorgerisch» ist, sieht man im Medienkonsumenten, wie sich jetzt zeigt, keinen mündigen Bürger mehr, der sich anhand von Berichten eine eigene Meinung bilden möchte, sondern einen Hilfsbedürftigen, den man zur «richtigen» Haltung im Leben hinführen muss. Dann springt die hilfsbereite Kollegin vom WDR auch einmal schnell als Supermarktkundin ein und lobt vor der Kamera die versuchsweisen massiven Klima-Preisaufschläge: «Finde ich gut, weil es zum Nachdenken anregt.» Sie verkörpert mit dieser Meinung bei Penny-Markt im deutschen Billigfleischland vermutlich eine exotische Randerscheinung, aber egal.

Falls es indes ein Versehen war und die Kollegen einander nicht kannten, wie der WDR die Geschichte im Nachhinein darstellte, macht es die Sache nicht besser. Eine beim gebührenfinanzierten WDR arbeitende Journalismusstudentin kann sich offenbar problemlos doppelt so teures Fleisch leisten, weiss nur nicht, dass man sich nicht im eigenen Medium als zufällige Passantin ausgibt? Da können sich bestimmt die meisten Zuschauer wiedererkennen, oder?

Das «Framing Manual» der ARD, so zeigt sich jetzt, war der Offenbarungseid des öffentlichrechtlichen Rundfunks, da man den eigenen Journalisten die «moralische Interpretation von Sachverhalten» nahelegte. Das Ergebnis ist ein flächendeckendes oberlehrerhaftes Sendungsbewusstsein bei den Öffentlichrechtlichen, die zunehmend allgemeinen Unmut auf sich ziehen.

Nun ist dem früheren Redaktionsleiter des ZDF-«Heute-Journals» und langjährigen SWR-Intendanten Peter Voss der Kragen geplatzt angesichts der Supermarkt-Inszenierung und der Beschimpfung der CDU als «Nazis mit Substanz» durch den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann. «In schon fast regelmässigen Abständen» laufe «eine neue linksgrunzende Sau durchs öffentlichrechtliche Dorf», so fasst Voss in der «FAZ» das Problem zusammen.

Ob die zeitkritischen Magazine «fähig und willens» seien, über solche «eindimensionale Wahrnehmungen» hinaus «tiefer zu schürfen» und gegenüber vermeintlichen Selbstverständlichkeiten «relativierende Fakten und Argumente zutage zu fördern», gibt der Insider zu bedenken und stellt den Sendern diesbezüglich ein journalistisches Armutszeugnis aus.

Nordpol in Flammen

Die Frage nach journalistischer Redlichkeit kam bereits in diesem Frühjahr auf, als der MDR den Bericht über einen von der Polizei in Gewahrsam genommenen Klimakleber auf der Tonspur mit Schreien unterlegte, wo der Aktivist sich aber in Wahrheit normal mit den Polizisten unterhalten hatte. Es sei «ein unerklärbares bedauerliches Missgeschick» passiert, hiess es prompt seitens des MDR. Eine ähnliche Wehleidigkeit lässt jetzt auch der WDR-Chefredaktor Aktuelles, Stefan Brandenburg, erkennen, der auf den Vorwurf der Supermarkt-Inszenierung antwortet, die Kritiker würden «aus einzelnen Fehlern» ein «Zerrbild» zeichnen.

Zerrbild? Es vergeht mittlerweile keine Woche, in der nicht eine neue Geschichte über einen frisierten Beitrag, ein verkürztes, sinnentstellendes Zitat oder einseitige Volkserziehung ohne jede Differenzierung auftaucht. Bei der Häufung möchte man gar nicht wissen, wie viele verfälschte Beiträge gar nie aufgeflogen sind. Man muss indes nicht lange schürfen. So stehen bei der WDR-Klima-App für die Schule («Rette die Erde im Unterricht») Süd- und Nordpol in Flammen. Das ist das Gegenteil von Fürsorge, nämlich Angstmacherei.

Wenn aber erst einmal die Angst regiert, lässt sich der «Katalog politisch-moralischer Pflichten» (Voss) besser verkaufen – oder auch die Straftaten der Klimakleber als Heldensagen erzählen. Es lohnt sich diesbezüglich, die vom HR produzierte «Never Ever mit Negah Amiri»-Folge unter dem Titel «Sexy Klima-Aktivismus» anzusehen. Die Moderatorin nickt die Aussagen einer Klima-Aktivistin – «voll krass» – ab, als die von «verbalen Eskalationsstrategien konservativer Politiker» und der Einschaltung des Verfassungsschutzes «oder einer anderen komischen Behörde» schwadroniert. «Danke, dass es dich gibt», sagt Amiri zum Schluss samt Umarmung und Küsschen. Mit Journalismus hat solche Parteinahme nichts zu tun.

Links-grüne Schlagseite

Wer Fakten in einer «öffentlichen Auseinandersetzung» als «gute Munition» («Framing Manual») betrachtet, findet diese vielleicht schnell einmal überschätzt, wenn Manipulation und Emotionalisierung «moralische Dringlichkeit» ergreifender kommunizieren. Der Dramaturg Bernd Stegemann ist jetzt in der «FAZ» Peter Voss beigesprungen und kritisiert angesichts der gegenwärtigen Vorkommnisse, dass die selbsterklärten «Fehler» seltsamerweise immer nur «in eine politische Richtung» passieren würden.

Es seien noch keine Halbsätze von Annalena Baerbock «zufällig» herausgeschnitten worden, um die Aussagen substanziell zu verändern wie etwa letzthin bei Friedrich Merz. Stegemann analysiert ausführlich «die Versuche unterschwelliger Beeinflussung» anhand eines Beitrags des ZDF-«Heute-Journals» über die Zusammenarbeit der EU und Tunesiens bei der Eindämmung der Migration.

So weit ist es schon gekommen, dass die Gebührenzahler nun die Grundlagen der Filmsemiotik im Gepäck haben müssen, um zu verstehen, dass man ihnen hier eine «raffinierte Collage», eine inszenierte Wirklichkeit mit links-grüner Schlagseite ins Wohnzimmer sendet. Stegemann kritisiert in diesem Kontext, dass die Beschwichtigung der Sender bezüglich dieser «menschlichen Fehler» an der «Dimension des Problems» vorbeigeht. Das ist richtig, und man fragt sich, wo sich eigentlich die hochbezahlten Verantwortlichen, der ZDF-Intendant Norbert Himmler und der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke, hier positionieren. Denn auch klar ist, dass die Kritik nicht mehr abebben wird, dafür ist schon zu viel Glaubwürdigkeit verspielt.

Seit Jahren ist von einer zukunftsfähigen Reform des öffentlichrechtlichen Rundfunks die Rede. Aber Böhmermann darf auf Twitter Politiker als Nazis bezeichnen, Louis Klamroth («Hart, aber fair») macht in der Sendung ihm politisch unliebsame Gäste zur Schnecke, Nachrichtenredaktionen inszenieren, statt ausgewogen zu berichten. Und in den Teppichetagen sitzt man das aus; die Gebührenzahler warten in solchen konkreten Fällen vergeblich auf Konsequenzen.

Es gibt diese Diskussion über tendenziösen Journalismus auch in der Schweiz und in Österreich. In der Schweiz passiert nun etwas, weil man als Fernsehzuschauer die Möglichkeit hat, dem Service public seine Unzufriedenheit mit einer Halbierungsinitiative vor die Füsse zu werfen. In Deutschland gibt es die Debatte über die einseitige politische Ausrichtung der öffentlichrechtlichen Sender seit Jahren, aber das deutsche Verfassungsgericht hat bis dato den öffentlichrechtlichen Rundfunk immer geschützt. Die Parlamente müssten sich nun angesichts der Missstände endlich in der Lage zeigen, etwas zu unternehmen, um diese Situation zu verbessern.

«Neutralität, nein danke!»

Was Böhmermann angeht, distanzierte sich das ZDF mit der billigsten aller Ausflüchte, als man erklärte, der Nazi-Tweet sei eine «private Äusserung» des TV-Satirikers. «Als ob bei seiner Bekanntheit, die er wesentlich dem ZDF verdankt, irgendeine öffentliche Äusserung von ihm noch privat sein könnte», schreibt Voss.

Dem wäre hinzuzufügen, dass kein Medienschaffender an vorderster Front, sei er Satiriker, Chefredaktor oder normaler Journalist, auf sozialen Plattformen «privat» unterwegs ist. Aber wie sollen es die Mitarbeiter begreifen, wenn es die Chefs nicht anders halten? Stefan Brandenburg gibt sich auf Twitter als «Journalist, Chefredakteur WDR Aktuelles» aus mit dem Zusatz: «Das hier ist kein WDR-Account.» Wie soll da die angehende Journalistin verstehen, dass man sich nicht aus persönlicher Überzeugung vor der Kamera als Supermarktkundin verkleiden darf?

Diese Einstellung, dass «zeitgemässer Journalismus» sich gerade durch diese Vermischung von persönlichem Missionseifer und professionellem Einfluss auszeichne, ist allerdings längst kein reines Phänomen der Öffentlichrechtlichen mehr, wie ein Autor der «FAZ» belegt. Unter dem Titel «Neutralität, nein danke!» erklärt dieser, dass das journalistische Bekenntnis, «in der Klimakrise nicht mehr objektiv sein zu wollen», ein «längst überholtes Ideal infrage» stelle. Und widerspricht hier dem deutschen Journalisten Hanns Joachim Friedrichs, der einmal sagte, dass Journalisten «Distanz halten» und «sich nicht gemeinmachen» sollen mit einer Sache, «auch nicht mit einer guten»: nicht «in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein». Nur das könne beim Zuschauer Vertrauen schaffen, das ihn zum Einschalten und Zuhören bringe.

Welche Folgen es hat, wenn man in diesem Credo nur noch ein «simples Verständnis von Objektivität» beziehungsweise «ideologische Haltungslosigkeit» sieht, wie der «FAZ»-Autor, kann man täglich im Fernsehen ablesen. Bis zum Ministerium für Wahrheit in George Orwells «1984» scheint es hier nicht mehr allzu weit.

ARD und ZDF auf dem Weg zum Wahrheitsministerium