Josefa Menendez
279

Arme Seele:"Bei meiner Beerdigung konnte ich die Gedanken der Anwesenden hören"

Der Tod

Wenn die Seele den Körper verläßt, erlebt der Mensch für einen kurzen Augenblick, den Bruchteil einer Sekunde lang., den eigenen Tod bewußt. Dabei ist es gleich, ob er gerade in tiefer Ohnmacht liegt, ganz plötzlich oder im Schlaf stirbt.

In diesem einen entscheidenden Augenblick fühlt er, auch dann, wenn er sich vorher auf das Sterben vorbereitet, sich den Tod gewünscht hat und ohne Furcht war, ein mit nichts vergleichbares Grauen. Unmittelbar nach dem Tode steht die Seele vor dem höchsten Gericht. Die unerschöpfliche göttliche Barmherzigkeit hat nun ein Ende. Wer die Schwelle vom Leben zum Tod überschritten hat, sieht sich - nackt und allein - vor seine Gerichtsbarkeit gestellt und wartet auf das gerechte Urteil.

Bis zum Zeitpunkt der Beerdigung verbleibt die Seele noch auf der Erde. Es sind die letzten Momente vor dem Empfang entweder einer Strafe oder Belohnung, die sie unsichtbar bei den Menschen verbringen darf.

Unter den Worten "bis zum Zeitpunkt der Beendigung" ist der Zeitraum zu verstehen, der nach dem jeweiligen Brauch und vorgeschriebenen Ritus zwischen dem Tod und der Beerdigung eines Menschen liegen muß. Wird z. B. ein Katholik aufgrund irgendwelcher tragischen Umstände nicht am dritten Tag nach seinem Tode beerdigt, so entfernt sich seine Seele nach Ablauf von drei Tagen auch so von der Erde.

Verwandte und Freunde haben für eine zum Fegefeuer verurteilte Seele nicht die geringste Bedeutung, es sei denn, sie kann auf ihre Hilfe hoffen. Die einzige Form einer derartigen Hilfe ist das Gebet. Diesen Beweis der Liebe oder Freundschaft erhofft und erwartet die Seele des Verstorbenen von den Menschen.

Unbeschreibliche Qualen bereitet einer Seele die Tatsache, daß sie sich den Menschen nicht verständlich machen kann. Sie kann ihnen nicht sagen, daß ihre Tränen und all die Trauer ihr keinerlei Erleichterung oder Nutzen bringen, sondern diesen in seiner Bedeutung ohnehin schon schrecklichen Übergang noch erschweren, daß menschliches Leid nichts ist verglichen mit den Qualen, denen die Seele ausgesetzt ist, wenn die Menschen ihr die einzig mögliche Hilfe verweigern: Gebet und gute Taten.

Oh! Wenn diese Menschen wüßten! Wenn sie doch nachdenken, wenn sie versuchen wollten, die ausweglose, verzweifelte Situation einer solchen Seele nachzuempfinden! So ganz in der Nähe ihrer Lieben zu sein, sie anzuflehen, vergebens an ihr Gewissen und ihr Herz zu appellieren, zu wissen, daß diese letzten Augenblicke des Kontaktes mit der Welt bald unwiederbringlich zu Ende gehen, dieser starke Wunsch, ihren Lieben bei diesem Abschied noch laut zuzurufen, was Sie zu ihrer Rettung benötigt! Oft muß diese Seele jedoch mit ansehen, wie eben diese Lieben sich auf egoistische Weise ganz ihrem eigunen Schmerz hingeben, sich in ihre Trauer hineinsteigern und ihre Köpfe vor dem leeren Körper senken, dessen einziger Zweck nun nicht mehr in ihm weilt!
Wenn die Seele dann enttäuscht feststellen muß, daß sie auf Gebete von denen, die ihr nahestehen, nicht hoffen kann, sucht sie fieberhaft unter den anderen Menschen, sogar unter Fremden, nach jemandem, der für sie betet. Und wenn sie einen solchen Menschen gefunden hat, wie unendlich dankbar kann sie sein! Mit aller Kraft bemüht sie sich, n durch Inspiration in dieser Absicht zu bestärken. Sie bleibt bis zuletzt bei diesem Menschen, ohne auch nur für einen Augenblick zu den ihren zurückzukehren, die sie enttäuscht, traurig gemacht und in vollem Ausmaß den Egoismus der irdischen menschlichen Gefühle gezeigt haben.

Auch bei der Beerdigung ist die Seele meistens noch der Traurigkeit und dem Jammer ihrer Nächsten ausgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt ist Sie zum allerletzten Mal mit der Welt verbunden. Und was muß sie da .vor allem sehen? Ihre nächsten Angehörigen sind verzweifelt über ihre eigene Verzweiflung. Verwandte und Freunde schreiten mehr oder weniger gleichgültig hinter dem Sarg her und machen sich Gedanken darüber, wie sie so schnell wie möglich unbemerkt den Trauerzug verlassen und um die nächste Ecke verschwinden könnten. Die anderen besprechen noch eine Zeitlang ausführlich alle Begleitumstände dieses Todes und gehen dann zu allgemeinen Themen über. Man kann froh sein, wenn sie nicht auch noch schlecht über den Verstorbenen und seine Familie reden! Niemand denkt dabei an ein Gebet. Niemand kommt auf die Idee, für diese oft verzweifelte, erschrockene Seele, die noch in der Nähe verweilt, ganz bewußt zu schweigen oder ihr wenigstens den Weg zum Friedhof zu weihen! Niemand macht sich bewußt, daß sie alles sieht, hört und spürt und daß sie leidet, wie eine Seele nur leiden kann!

Sobald der Verstorbene bestattet ist, reißt jeglicher Kontakt der Seele zur Erde plötzlich ab, und sie begibt sich an den für sie durch das Urteil bestimmten Ort, wo entweder ihre Belohnung oder ihre Buße beginnt.

Aus Kath-zdw.ch